• Ein grandioser Roman, den ich wärmstens empfehlen kann!


    Der Handlungsort ist wie der Titel bereits verrät eine Krebsstation in der ehemaligen UdSSR. Man schreibt das Jahr 1955, zwei Jahre nach Stalins Tod, eine Zeit, in der die Hoffnung wieder aufflammt, und eine evtl. Amnestie in Aussicht steht.
    Der Roman beschreibt den Tagesablauf in der Krebsklinik, den Krankheitsverlauf von Krebs und die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten, die einzelnen Patienten und deren Angehörigen, die Ärzte, Krankenschwestern sowie das sonstige Personal, die Gedanken der Figuren und deren Geschichten. Also sehr umfangreich.


    Die Erzählung beginnt mit der Einweisung Rusanows. Diese Figur ist ein hoher Funktionär, der keinen Platz im Moskauer-Krankenhaus ergattern konnte, und so in diese Provinz-Klinik aufgenommen wird. In seinem privaten Pyjama sticht er ganz eindeutig wie eine bunte Kuh hervor. Er ist ein Privilegierter und Mitglied des Obersten Gericht. Seine Ehefrau trägt auch den schönen Namen „Kapitalina“. Eine Geschwulst am Hals, die ständig wächst und größer wird, so dass er seinen Kopf kaum noch bewegen kann, quält Rusanow. Der Leser mag zu Beginn noch Mitleid mit ihm haben, doch nach und nach entpuppt sich sein wahres Gesicht. Er ist ein Verräter und Anschwärzer, der die „untreuen“ Genossen aus dem System herausfiltert, der sie abführen lässt ins Nirgendwo, und dem auch schon mal „eine Nase nicht passt“ und diese staatsfeindlichen Objekte dann ins Lager bringt.
    Dann ist da Oleg, die autobiographische Figur von Solschenizyn selber. Einer, der für Nichts im Lager war und dann auf ewig verbannt wird, bis ihn der Krebs befällt, er in die Klinik kommt, behandelt wird und chancenlos entlassen wird.


    Was direkt klar ist, ist sicherlich, dass der Roman einen Vergleich aufstellt. Was ist die Krebsstation in der alle gleich untergebracht werden, alle DIE Einheitstracht tragen, alle das gleiche essen, und es eben zwischen Rang und Herkunft keine Unterschiede gibt? Der kommunistische Gedanke.
    Auch dass alle gleich „dumm“ gehalten werden, weil die Ärzte die Vorschrift haben, den Patienten über den Verlauf und die Überlebenschance im Unklaren zu lassen. Nur der, der hartnäckig nachfragt, erhält hin und wieder eine Aussage. Man versetzt also die Insassen in eine Art von “Angst und Schrecken”, so dass sie alles über sich ergehen lassen, macht sie gefügig und zu prinzipientreue Staatsbürger.
    Aber das Buch ist keine Abrechnung mit dem Kommunismus, sondern eine Abrechnung mit dem System und ihren Diktatoren. Solschenizyn, das liest man durch die Zeilen durch, ist kein Staatsfeind, er ist ein „sittlicher Sozialist“! Und „Rusanow ist die Krebsgeschwulst der Gesellschaft!“ (Vorwort von Heinrich Böll)


    Selten habe ich so einen aussagekräftigen Roman gelesen, der so viel umschreibt und vergleicht, und dennoch so angenehm zu lesen ist. Schade dass Solschenizyn nicht mehr solcher Romane geschrieben hat, denn seine meisten Werke sind eher eine Art Bericht oder Protokoll, die sich nur sehr schwer verdauen lassen. Dieser etwas lockerere Schreibstil hat mir persönlich wohliger gefallen.

  • Buchkrümel,
    vielen Dank für deine schöne Rezi - die mich sehr neugierig gemacht hat. Ich bin allerdings wegen der verschiedenen Ausgaben etwas verwirrt. Wenn ich auf die von dir verlinkte Ausgabe klicke, dann erscheint auf bei Amazon die Aussage "Krebsstation Buch I" - "Krebsstation. Buch II" habe ich dann auch gefunden. Ist der Roman einfach nur geteilt, oder ist das eine Fortsetzung? :-k

  • @ Hermia,
    wenn ich Dir dann mal antworten darf: Der Roman ist geteilt. Meine alte Ausgabe, die noch keine ISBN hat, ist 735 Seiten lang. Zu anderen Ausgaben findet man den Text: Roman in zwei Büchern.


    Ich habe das Buch vor 20 oder mehr Jahren gelesen und konnte durch Buchkrümels Rezension feststellen, wieviel ich doch noch behalten habe. Weit mehr als von manchem Buch, das ich erst vor kurzem beendet habe.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Marie,
    danke für deine Antwort. Ich habe das Buch (eigentlich die Bücher :wink: - ich bekomme die beiden hier Ausgaben hier) ertauschen können. Bin mal gespannt, ich habe bisher nur "Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch" von Solschenizyn gelesen.

  • ich habe bisher nur "Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch" von Solschenizyn gelesen


    Das dritte im Bunde wäre dann "Archipel Gulag". Von den dreien liest sich die "Krebsstation" am besten.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ich bin allerdings wegen der verschiedenen Ausgaben etwas verwirrt. Wenn ich auf die von dir verlinkte Ausgabe klicke, dann erscheint auf bei Amazon die Aussage "Krebsstation Buch I" - "Krebsstation. Buch II" habe ich dann auch gefunden. Ist der Roman einfach nur geteilt, oder ist das eine Fortsetzung? :-k


    Ich habe auch eine Ausgabe ohne ISBN wie Marie, und war deshalb gezwungen diese aufgeteilte Ausgabe zu wählen. Schau mal nach meiner Ausgabe mit dem Vorwort von Heinrich Böll, sie ist bestimmt günstiger als zwei Bücher und das Vorwort ist auch sehr interessant.

  • Ich habe mir das Buch auch soeben ertauscht und bin schon gespannt. :)


    Edit: Jetzt bin ich aber doch etwas irritiert. Der Typ hat bei Tauschticket als Titel "Krebsstation" angegebn. Wenn ich aber unter der ISBN nachschaue handelt es sich bei dem Buch um "Krebsstation II" :scratch: Das hätte er gerne mal dazuschreiben können :rambo:

  • Schau mal nach meiner Ausgabe mit dem Vorwort von Heinrich Böll, sie ist bestimmt günstiger als zwei Bücher und das Vorwort ist auch sehr interessant.

    Ich habe mittlerweile eine zweibändige Ausgabe ertauscht, die, die du hier verlinkt hattest. Von teuer kann keine Rede sein, ich habe ein Ticket für beide Bücher "bezahlt". Und das Vorwort von Böll ist auch dabei - jetzt muss das Buch nur noch ankommen. :wink:

    Edit: Jetzt bin ich aber doch etwas irritiert. Der Typ hat bei Tauschticket als Titel "Krebsstation" angegebn. Wenn ich aber unter der ISBN nachschaue handelt es sich bei dem Buch um "Krebsstation II"

    Hmm, das ist natürlich ärgerlich. :-?

  • Ich habe das Buch voriges Jahr im Winter gelesen. Ich fand es einfühlsam geschrieben, aufrüttelnd, bewegend. S. trieb es so weit, dass ich bis heute nicht fähig bin, es fertig zu lesen ...


    Ists Gottes Ehre, eine Sache verbergen,
    der Könige Ehre ist, eine Sache erforschen.
    Der Himmel an Höhe, die Erde an Tiefe,
    aber der Könige Herz ist an keiner erforschlich.


    Spr 25, 1-3
    in der Übertragung von Buber und Rosenzweig