Jonas T. Bengtsson - Submarino

  • „Das Buch tut weh“


    Das Buch ist eigentlich in zwei Teile aufgeteilt. Der erste Teil „Ivan“ wird aus Nicks Sicht erzählt. Nick ist Alkoholiker und Ex-Knasti. Er saß 18 Monate wegen Körperverletzung und lebt nun in einer Art Asylantenheim. Den Tod seines einen Bruders, der im Säuglingsalter verstarb, hat er nie verkraftet, so dass er den leblosen kleinen Körper immer noch vor sich sieht. Auf seine eigene Weise ist er nett zu Ivan, seinem Freund und Bruder seiner Ex. Bis etwas Unvorhergesehenes passiert und sich die Wege der beiden trennen müssen.
    Der zweite Teil des Buches „Martin“ ist aus der Sicht von Nicks Bruder geschrieben. Sein Leben dreht sich nur um Heroin. Er wird von der Gesellschaft mehr akzeptiert als Nick, führt aber trotzdem ein kaputtes Leben. Um seinen Sohn Martin kümmert er sich, so weit wie für einen Drogensüchtigen möglich, liebevoll. Durch ihn erfahren wir dann auch etwas von den katastrophalen Zuständen, wie die Brüder aufgewachsen sind.


    Vorneweg, das Buch ist echt brutal! Wirklich schon barbarisch fand ich die Beschreibung (im Teil Ivan) des alten Mannes, der mit seinem Kinderwagen Säuglingsleichen umher schiebt. Ein toter Säugling (der Bruder ohne Namen) durchzieht sowieso das ganze Buch, was nur für hart gesotten Leser ohne Beklemmungen zu lesen sein dürfte. Oft war ich den Tränen nahe! Ich möchte mir eigentlich nicht vorstellen können, dass irgendwo auf der Welt wirklich zwei Brüder ihren dritten toten Bruder – noch ein Baby – zur Müllkippe bringen.
    Der ganze Roman dreht sich um Sex, Alkohol, Drogen, Gewalt und Tod. Bildgewaltig aber tabulos lässt sich die Art des Autors wohl am besten beschreiben. Die Erzählweise aus der jeweiligen Ich-Perspektive ist nicht nur grausam und brutal, sondern teilweise auch vulgär. Ein anderer Schreibstil hätte aber nicht so gut zur Atmosphäre des Buches gepasst. Auch an die vielen kurzen, abgehackten Sätze gewöhnt man sich schnell, da sie sehr gut die depressive Stimmung einfangen. Die vielen verpfuschten Leben im Buch werden schonungslos, ehrlich und realitätsnah beschrieben, was das Buch noch härter macht.
    Toll fand ich am Anfang des Buches die Fremdworterklärung zu Submarino. Es passt zum Buch und ich denke auch dass die meisten Leser ansonsten nichts mit dem Titel des Buches hätten anfangen können.


    Ich muss sagen, dass dieses Buch für mich zu hart war. Der Text geht einem sehr nahe und wühlt die innersten Gefühle auf. Es braucht seine Zeit den ganzen Inhalt zu erfassen und zu verarbeiten. Ein Buch, das die schockierensten Bilder in mir wach gerufen hat, so dass ich es nicht noch einmal lesen möchte. Ich kann mir nur vorstellen dass der Autor mit diesem Buch die Menschen auf die Gesellschaft hinter unseren heilen vier Wänden aufmerksam machen will. Sollte es nicht so sein, würde sich mir der Sinn des Buches nicht erschließen.


    :bewertung1von5::bewertung1von5: von mir

  • Hallo Sigrid,


    mich für sehr interessieren ob du bei dem Buch genau so empfindest. Gib doch mal eine kleine Rückmeldung wenn du durch bist.


    LG
    Sarah

    Derzeit ist es noch auf dem Weg zu mir. Aber sobald es da ist, werde ich mit lesen beginnen und dann natürlich auch berichten :) .

  • Meine Meinung:


    Jonas T. Bengtsson schreibt in seinem Roman „Submarino“ über zwei Brüder in Kopenhagen, die in ihrem Leben nie eine reelle Chance auf Zufriedenheit, Glück, ein Leben innerhalb der Gesellschaft hatten.
    Von einer alkohohl- und tablettenabhängigen Mutter vernachlässigt, versuchen sich Nick und sein älterer Bruder, selbst noch Kinder, um ihren kleine Bruder zu kümmern, wobei sie für ihn auch stehlen. Der kleine Bruder stirbt, die beiden Jungen kommen getrennt voneinander ins Heim.


    Geprägt durch seine Kindheit hat Nick Probleme mit Alkohol, Gewalt, sozialen Kontakten. Das brutale Zusammenschlagen eines Mannes bringt ihm eine Gefängnisstrafe ein, seine Freundin Ana verlässt ihn.
    Wieder in Freiheit führt Nick ein graues, einsames Leben in einem Wohn-Asyl, das sich zwischen Fitnesscenter, Alkohol und Gelegenheits-Sex abspielt. Ivan, dem Bruder seiner Ex-Freundin Ana, versucht Nick Liebe zu geben, so wie er es versteht. Stark von Gewalt geprägt endet diese Freundschaft in einer Katastrophe.


    Nicks Bruder ist alleinerziehender Vater des fünfjährigen Michael und er ist heroinabhängig. Aus Angst, seinen Sohn zu verlieren, versucht er nach außen hin, eine bürgerliche Fassade aufrechter zuhalten. Als er beginnt selbst zu dealen, nimmt sein Leben einen dramatischen Verlauf, von dem natürlich vor allem auch Michael betroffen ist.


    Jonas T. Bengtsson schreibt über Leben, das von Gewalt, Alkohol, Drogen und Sex geprägt ist. Dabei schont er den Leser nicht. Der Autor bedient sich einer Sprache, welche Handlung und Inhalt gerecht wird, kurze prägnante Sätze, das Wesentliche auf den Punkt bringend.
    Die Hoffnungslosigkeit, Perspektivlosigkeit, der Sog, der die Brüder immer tiefer in den Abgrund zieht, ist in jeder Zeile spürbar. Leichte Schwierigkeiten bereiten die zahlreichen Zeitsprünge, Wechsel zwischen Vergangenheit, Gegenwart, Fantasien, Drogenrausch. Gleichzeitig erhält man dadurch Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelt der Brüder. Beide möchte Verantwortung übernehmen, Nick für Ivan, sein Bruder für Michael – etwas, das sie nie gelernt haben. Man spürt förmlich wie sie sich an diese Aufgabe klammern, das Verhalten aber nur nachahmen, der Sinn bleibt ihnen fremd.


    Dieses Buch gehört auf jeden Fall zu einem der Bücher, das den Leser auch nach Ende der Lektüre noch lange beschäftigt.


    Von mir :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: Sterne


    Es ist sicher ein hartes Buch, aber so ist die Realität! Und in diesem Zusammenhang empfand ich die Sprache nicht als vulgär, eher angepasst an das beschriebene Milieu, das nun auch nicht gerade meins ist. Aber zumindest in jeder größeren Stadt zu finden - wenn man die Augen nur aufmacht.

  • Jonas T. Bengtson hat mit "Submarino" ein Buch geschrieben über ein Leben, dass den meisten von uns fremd sein dürfte.


    In "Submarino" geht es um das verkorkste Leben zweier Brüder, die schon von Geburt an niemals Liebe und Wärme erfahren konnten und nur Gewalt und Hass erlernt haben.
    Das Buch beginnt mit einem Rückblick aus der Kindheit der beiden Brüder, aus dem hervorgeht, dass sie schon als Kinder Zeuge dessen wurden, was mit ihrem kleinen Bruder schlimmes passiert ist. Im weiteren Verlauf wird das Buch in zwei große Abschnitte unterteilt. Der erste Abschnitt befasst sich mit dem älteren Bruder Nick und seinem trostlosen Leben. Seine Freundin hat ihn verlassen und Gewalt steht bei ihm auf der Tagesordnung. Ebenso Sex ohne Liebe. Allerdings kümmert er sich beinahe liebevoll um Ivan, dem Bruder seiner Ex-Freundin Ana. Diese Fürsorge geht aber gewaltig schief ...
    Der zweite große Buchabschnitt befasst sich dann mit dem jüngeren Bruder. Vater eines kleinen Jungen, Martin, der drogenabhängig ist und seine Frau ans Heroin verlor. Sein Sohn ist sein einziger Halt, für ihn würde er alles tun, wäre da nicht seine Drogensucht, die ihn in seiner Fürsorge für seinen Sohn einschränkt. Auch sein Leben führt allerdings ins Chaos ...
    Zum Ende des Buches hin, im Epilog, gibt es noch eine kurze Szene, in der wir erfahren, wohin Nick zu Beginn des Buches bereits unterwegs war.


    Dieses Buch ist hart und realistisch. So kann man es wohl ausdrücken. Die Stimmung ist durchgehend bedrückend und depressiv. Dem Autor ist es sehr gut gelungen die Ausweglosigkeit und die Verzweiflung der beiden Brüder zu transportieren. Schonungslos sind auch die Beschreibungen, so wie auch das Leben von Nick und seinem Bruder.
    In ihrer Verzweiflung versuchen sie sich an die Aufgabe zu klammern wenigstens für Ivan und Martin zu sorgen, aber sie haben nie gelernt Liebe zu schenken und so führt auch dieses Vorhaben in eine Katastrophe.


    Die vielen kurzen Kapitel und der kurze und prägnanten Schreibstil des Autors sorgen dafür, dass das Buch schnell gelesen ist.
    Es hinterlässt ein kleines Gefühl der Leere im Leser.

  • Wir sehen die Welt so, wie wir sie sehen wollen. Wir ignorieren die Wahrheit und verdrängen alles Negative. Doch dieses Buch öffnet uns die Augen. Jonas T. Bengtsson knallt uns die Wahrheit, die Realität, das Leben knallhart auf den Tisch.



    Anfangs erfahren wir etwas über Nick, in dessen Leben sich alles um Gewalt, Kriminalität und Alkohol dreht. Er saß bereits im Gefängnis und wohnt jetzt in einem Wohnheim. Sein Leben verläuft trost- und hoffnungslos, der Alltagstrott ist nicht zu durchbrechen. Jeder Tag läuft ähnlich ab: Erst geht er ins Fitnesscenter, dann trinkt er Alkohol. Und fast jeden Tag denkt er an seine Ex-Freundin Ana, die ihn verlassen hat, nachdem sie ihm erzählt hat, dass sie schwanger ist. Nick erstickt diese Gedanken durch Alkohol.
    Ein kleiner Lichtblick in seinem Leben sind Sofie und Ivan, der Bruder seiner Ex. Sofie hat einen kleinen Sohn, den sie nicht sehen darf, und Nick versucht sie zu trösten - eben auf seine Weise. Auch den obdachlosen Ausländer Ivan, der die Erlebnisse während des Krieges nicht verkraftet hat, unterstützt er so gut es geht. Es scheint leicht aufwärts zu gehen, da geschieht etwas, was Nick wieder in ein tiefes, schwarzes Loch stürzen lässt ...



    Aber auch Nicks Bruder hat es nicht leicht. Alles, was für ihn zählt, sind die Drogen. Fast alles. Denn da ist noch sein kleiner Sohn Martin, um den er sich so gut es geht kümmert. Es gelingt ihm jedoch nicht immer so, wie er es sich wünscht, denn im Drogenrausch kann er sich ja kaum um sich selbst sorgen. Er hat ständig Angst, dass ihm sein Sohn weggenommen werden könnte. Nicht nur Nicks Leben scheint winzige, kaum sichtbare Lichtblicke zu haben, auch bei seinem Bruder schien es bergauf zu gehen. Als seine Frau mit Martin schwanger war, hörten die beiden damit auf, Drogen zu nehmen. Doch seine Frau hielt nicht langfristig durch und starb, als sie im Drogenrausch vor ein Auto lief. Das hat Nicks Bruder nicht verkraftet - er nahm wieder Heroin. Und von Zeit zu Zeit geht es immer wieder bergab, obwohl er selbst denkt, dass er dabei ist, sein Leben auf die Reihe zu kriegen.
    Dieses Buch zeigt deutlich, dass Menschen sowohl von der Gegenwart, aber auch von der Vergangenheit geprägt werden. Sie bestimmen nicht nur selbst über ihr Handeln, sondern werden von ihrer Umwelt, von ihrem sozialen Umfeld beeinflusst. Was wird aus einem Menschen, der schon seit seiner Kindheit nichts anderes als Gewalt, Einsamkeit, Drogen und Alkohol kennen gelernt hat? Die Antwort auf diese Frage wird durch "Submarino" beantwortet.



    Obwohl das Buch von der Stimmung her negativ ist, kann man es nicht aus der Hand legen. Manche Stellen sind so bildhaft beschrieben, dass man eigentlich erst einmal ein wenig Abstand von dem Buch bekommen möchte, aber man kann mit dem Lesen nicht mehr aufhören.
    Der Schreibstil ist anfangs gewöhnungsbedürftig, da die Sätze ziemlich abgehakt sind, passt aber zum Inhalt. Auf den ersten Seiten muss man sich noch durchbeißen, weil noch nicht ganz klar ist, um wen es überhaupt geht. Aber irgendwann lässt einen das Buch nicht mehr los. Spätestens im zweiten Kapitel wird es interessant, weil man erfährt, warum die Brüder so geworden sind, wie sie jetzt sind.



    Fazit: Wer keine Angst vor der rücksichtslosen Realtität, vor der hoffnungslosen, düsteren Seite des Lebens hat, der kann dieses Buch lesen. Menschen, die in ihrer Traumwelt leben und das Offensichtliche - die Wahrheit - verdrängen, obwohl sie uns von allen Seiten umgibt, sollten dieses Buch eher nicht lesen, da es brutal und schonungslos die Seite des Lebens zeigt, die viele von uns selbst noch nicht erlebt haben und hoffentlich auch nie selbst näher kennen lernen werden.

  • Nick ist Bodybuilder in einem Fitnesscenter, wo er hart trainiert. Das Training scheint seine einzige vernünftige Beschäftigung zu sein, sonst trinkt er viel und beobachtet seine trostlose Umgebung. Er wohnt in einem Wohnheim,
    wo vor allem Asylanten und diejenigen, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, wohnen. Er sieht jeden Tag dieselben Menschen: die Trinker vor dem Kiosk, wo er sein Bier kauft, den komischen Müllsammer, vor dem sich Kinder
    in acht nehmen müssen und die über 60-jährige Heimverwalterin, die das Sagen im Heim hat. Gelegentlich besucht er Sofie, seine Nachbarin, die jederzeit für Sex mit ihm bereit ist.


    Nick hat auch Kontakte zu Drogendealern und seine Zigaretten kauft er auch nicht im Supermarkt. Er denkt öfters an seine Vergangenheit; kann die Ana und seinen Bruder nicht aus seinem Gedächtnis streichen. Ihre Gesichter tauchen oft vor seinem Augen und rauben ihm den Schlaf. Besonders hart für ihn war die Zeit im Gefängnis, im Loch, wo er auf seinen Prozess gewartet hat.


    Sein Bruder ist alleinerziehender Vater, der seinen elterlichen Pflichten gerne nachkommt. Er liebt den Sohn Martin über alles und versucht ihm alle Wünsche zu erfüllen. Er hat aber auch Angst, dass seine Drogenabhängigkeit entdeckt wird und dass er den geliebten Sohn verlieren kann. Trotzdem kann er von Drogen nicht loslassen.


    Die Brüder treffen sich bei der Beerdigung ihrer Mutter und wollen beide einen Neuanfang wagen. Doch sie haben nie gelernt wie man ein glückliches Leben führen kann…


    Ein Leseerlebnis, das man nicht so schnell vergessen kann. Eine Geschichte aus der kompromisslosen, gewaltsamen Welt , wo man mit harten Bandagen kämpfen muss. Ein Roman über einen Lebenskampf, der Wunden hinterlässt, die nie heilen wollen.
    Es tut auch jedem Leser weh. Und es ist gut so…

  • Nick, Bodybuilder und Ex-Knacki lebt ein Leben voller Gewalt und Traurigkeit. In seinem Leben gibt es keine Zärtlichkeiten, nur Gewalt und Schmerz. Ohne seine Sinne mit Alkohol zu betäuben, hält er seinen Alltag nicht aus. Sein Bruder, heroinabhängig und Vater eines kleinen Sohnes befindet sich ebenfalls am Rande der Gesellschaft. Seine Gedanken kreisen nur um die Drogen, für die er wirklich alles zu tun bereit ist. Zudem sorgt er sich um seinen Sohn und ist in der ständigen Angst ihn zu verlieren. Beide sind alleine und haben eine traumatische Kindheit hinter sich. Als nun ihre Mutter stirbt, treffen die beiden seit langer Zeit wieder aufeinander.


    Submarino ist eines der bewegensten Bücher, die ich in der letzten Zeit gelesen habe. Jonas T. Bengtsson weiß genau die Abgründe unserer Gesellschaft darzustellen. Submarino zeigt die Realität, die zwar existiert, wo aber alle lieber die Augen vor verschließen. Beide Brüder sind perspektivlos und haben ihr Leben quasi aufgegeben. Bengtsson schafft es eindrucksvoll die Gefühle, die Ängste und auch die kleinen Freuden, die Wut und die Verzweiflung der Beiden darzustellen. Ich hätte nie Gedacht die Gedankengänge eines Drogenabhängigen so gut nachvollziehen zu können. Ebenfalls sehr gelungen fand ich die Charakterzeichnungen. Die Aufteilung, dass der erste Teil aus Nicks Sicht und der Zweite aus der seines Bruders geschrieben ist macht aus dem Buch ja eigentlich zwei Geschichten. Aber das Buch erzählt ja auch zwei Geschichten, die irgendwo zusammenlaufen.


    Ich hatte eigentlich von dem Buch mehr erwartet, dass das Zusammentreffen der Beiden im Vordergrund steht, aber das war ja eigentlich eher Nebensache. Ich fand das jetzt nicht ganz so schlimm, denn ich finde es auch so sehr gelungen. Um das Buch insgesamt zu beschreiben würde ich jetzt gerne „toll“ oder „schön“ oder „wunderbar“ schreiben, da es mir sehr gut gefallen hat, ich finde jedoch, dass das nicht wirklich passen würde. Ein Wort ist glaube ich ganz treffend: „heftig“. Ich finde es einfach heftig darüber nachzudenken, dass das die Realität ist. Ich denke, dass man die Welt, nach diesem Buch, mit etwas anderen Augen betrachtet.

    Du öffnest die Bücher und sie öffnen dich! :study:

    2 Mal editiert, zuletzt von Nehlja ()

  • Rezension von vorablesen.de


    Nun habe ich dieses Buch gerade eben beendet. War eigentlich kein Wunschbuch (ich hatte "Kein Leseexemplar" angeklickt), aber ich habe es dann aufgeschlagen und es hat mich doch gefesselt. Worum geht es? 2 Brüder, Nick und sein älterer Bruder (ich bemerke jetzt erst, dass er gar keinen Namen hat?), aus schwierigem Milieu stammend, versuchen, ihren Weg zu gehen. Da ist Nick, gerade aus dem Gefängnis entlassen, der seine Geschichte erzählt, wie er ins Gefängnis reingekommen ist. Oder was nach seinem ersten Gefängnisaufenthalt bis zu seinem zweiten passiert. Auf jeden Fall ein Kreislauf von Perspektiv- und Aussichtslosigkeit.
    Der ältere Bruder hat es scheinbar besser. Nach dem Tod seiner Freundin zieht er den gemeinsamen Sohn allein auf. Als Junkie versucht er, den Schein eines bürgerlichen Lebens aufrecht zu halten. Als er durch eine Erbschaft an Geld gerät und zeitweise als Großdealer viel Geld verdient, scheint auch er kurzzeitig auf der "Sonnenseite" des Lebens zu stehen. Es ist aber von Anfang an klar, dass dies kein gutes Ende nimmt.
    Das ganze Buch ist sehr düster und zeitweise sehr deprimierend. Es ist zwar ziemlich fesselnd, aber meine nächsten Bücher dürfen gerne dann doch wieder einen erbaulicheren Inhalt haben. Ich vergebe 4 Sterne.
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Verlagstext

    Nick ist Bodybuilder und Ex-Knacki und haust in einem heruntergekommenen Wohnheim am Stadtrand Kopenhagens. Er trainiert hart und trinkt viel. Die nächtlichen Albträume vertreibt er mit lieblosem Gelegenheitssex. Sein älterer Bruder ist alleinerziehender Vater und Heroin-Junkie. Er lebt in ständiger Angst, seinen Sohn zu verlieren oder die Drogen aufgeben zu müssen. Als ihre Mutter stirbt, begegnen sie sich nach langer Zeit wieder und beschließen einen Neuanfang. Doch bald holt das Leben sie ein ...


    Der Autor

    Jonas T. Bengtsson, geboren 1976, ist Preisträger des renommierten Per-Olov-Enquist-Preis und Autor dreier Romane. Für seinen Erstling Aminas Briefe (2005) wurde er mit dem Dänischen Debütantenpreis ausgezeichnet. Seinen zweiten Roman Submarino (2007) adaptierte Thomas Vinterberg und erhielt dafür mit den Filmpreis des Nordischen Rates. Zuletzt erschien bei Kein & Aber Wie keiner sonst (2013), die Filmrechte sind bereits verkauft. Jonas T. Bengtsson lebt in Kopenhagen.


    Inhalt

    Ein Baby stirbt in seinem Kinderwagen. Die Gänsehaut, die sich bereits auf der ersten Seite mit dieser Szene ausbreitet, wird den Leser nicht mehr verlassen, während er Jonas Bengtsson auf den Spuren Nicks und seines ältern Bruders folgt. Nick hat eine Gefängnisstrafe für das brutale Zusammenschlagen eines Mannes abgesessen. Er hält seine Tat, an die er sich angeblich nicht mehr erinnern kann, für ein "gutes, anständiges Verbrechen". Der noch nicht einmal Dreißigjährige wohnt nach seiner Haftentlassung in einer billigen Pension, trainiert regelmäßig in Kamals Fitness-Center. "Ich wohne schon so lange hier, dass ich keinen Schatten werfe", sagt Nick. Kamals Kunden, Gewichtheber, die ihren Körper mit Steroiden ruiniert haben, und die Jugendlichen von der Straße achten Nick wegen seiner Gefängnisstrafe. An die Gefängnisroutine hat sich Nick als ehemaliges Heimkind angepasst, vermutlich nicht so problemlos, wie er vorgibt; denn er wurde mehrmals zu verschärften Haftbedingungen verurteilt. "Meine Sachen werden nicht besser, wenn man darüber redet," stellt Nick lapidar fest. Diese Sachen, über die Nick nicht redet, sind aggressive, Menschen verachtende Gedanken in seinem Kopf. Für Nick ist das brutale Zusammenschlagen anderer die Normalität. Seine Wut auf alle und jeden tickt in Nick wie eine Zeitbombe. Er hält sich nur mühsam unter Kontrolle. Nicks aggressives Training im Fitness-Studio, bei dem er nicht davor zurück schreckt, sich selbst zu verletzen, mag ihm helfen, seine Aggressionen zu zügeln. Vor seiner Haft lebte Nick mit Ana zusammen, die mit ihrem Bruder Ivan und ihrer Mutter als Kriegsflüchtling aus Ex-Jugoslawien nach Dänemark gekommen war. Neben seinen öden Wegen zwischen Wohnheim, Waschsalon und Training kümmert der Ex-Häftling sich nun um Ivan; und er tut das auf seine spezielle Art, die einen beim Lesen zunehmend frösteln lässt.


    Seit Nicks Bruder Frau und Kind hat, war Nicks Kontakt zu dem drogenabhängigen Paar abgerissen. Nach dem Tod seiner Frau ist Nicks Bruder allein erziehender Vater des fünfjährigen Martin. Der Ex-Junkie fixt längst wieder und setzt alles daran, die äußere Fassade zu wahren, damit er das Sorgerecht für sein Kind behalten kann. Der Ich-Erzähler dieses Kapitels scheint alles für sein Kind zu tun und dennoch wirkt er so, als spiele er nur eine Rolle. Eltern sagen Schatz zu ihrem Kind und so nennt auch er seinen Jungen Schatz. Er weiß, was Erzieherinnen und Psychologen von einem Vater erwarten. Die Anforderungen der modernen Gesellschaft an Elternliebe erfüllt der junge Vater rein formal, wirkt dabei beziehungslos. Allein Bengtssons Leser fürchten um den kleinen Jungen und bezweifeln, ob ein Junkie in der Lage ist, sein Kind zu versorgen.


    Die Brüder haben sich zum letzten Mal zur Beerdigung ihrer Mutter getroffen. Die Erinnerungen von Nicks Bruder wandern zurück zu der Szene, als eine fremde Frau ihn aus dem Heim holte und behauptete, seine Mutter zu sein. Von einem Tag auf den anderen hatte er einen Bruder, der größer und stärker war und ihn brutal unterwarf. Das Abgleiten des Mannes in die Beschaffungskriminalität und seine Kindheits-Erinnerungen ziehen uns in eine deprimierende Spirale aus Gewalt, Vernachlässigung und Sprachlosigkeit. Beide Männer kümmern sich um einen Jungen, jemanden, für den sie sich verantwortlich fühlen. Nick um Ivan, sein Bruder um den kleinen Martin. Für beide ist diese Aufgabe offenbar der einzige Halt in einem sinn- und ziellosen Leben. Jeder der Brüder passt sich auf seine Art Regeln an, deren Sinn ihm völlig fremd ist. Die beiden Männer könnten ebenso gut Einwanderer aus einem fremden Land sein, die sich nur mühsam in Dänemark zurecht finden. Erst auf den letzten Seiten des Buches lassen sich endlich die einzelnen Fäden der Handlung verknüpfen, erst jetzt bekommen die Szene mit dem toten Baby und der bewachte Ausgang eines Gefangenen im ersten Kapitel einen Sinn. Nun erschließt sich auch die Wahl des Buchtitels: Submarino ist eine Foltermethode, ein Ausdruck aus dem Krieg und aus dem Knast.


    Fazit

    Bengtssons knallharte, extrem knappe Sätze könnten nicht besser zu seinen Figuren und ihrer Existenz am Rande der Gesellschaft passen. Ein brutales Buch, mit dem der Autor an Tabus rührt, um diesen Menschen ein Gesicht zu geben.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:


    (23.8.2009)

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Toibin - Long Island

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow