Endlich ein neuer Roman von Barbara Vine (Ruth Rendell)! Nachdem er Monate lang auf meinem Wunschzettel stand, hatte ich diese Woche endlich die Zeit ihn zu lesen. Noch ist er nicht in Deutschland erschienen, aber in der Verlagsbibliographie bei Diogenes steht, dass eine Übersetzung in Vorbereitung ist - Angaben zu Titel und Erscheinungsdatum stehen jedoch noch nicht fest.
Inhalt:
London in den frühen 90ern. Der konservative MP (Parlamentsabgeordnete) Ivor Tesham steht am Anfang einer vielversprechenden Karriere als er die verheiratete Hebe Furnal kennenlernt. Die beiden stürzen sich in eine leidenschaftliche Affäre, in der beide ihre Fantasien ausleben können. Zu Hebes Geburtstag plant Ivor eine ungewöhnliche Überraschung:
er bezahlt den Schauspieler und Taxifahrer Lloyd Freeman und seinen Automechaniker Dermot Lynch, damit sie Hebe kidnappen und zu ihm im Haus seiner Schwester bringen. Dieses wohlorganisierte Verkleidungsszenario soll nur das Vorspiel zu einer Nacht voller Leidenschaft sein. Doch ein Fahrfehler von Dermot führt zu einem schicksalsträchtigen Unfall, der Lloyd und Hebe tötet und ihn in ein lebensbedrohliches Koma versetzt.
Am nächsten Morgen sind die Zeitungen voller Nachrichten über diesen tödlichen Entführungsfall und für Ivor setzt eine Zeit der Unruhe ein: gibt es eine Verbindung zu ihm? Soll er seine Karriere aufs Spiel setzen und alles aufklären oder die Zeit die Erinnerung verwischen lassen? Wird Dermot aus seinem Koma erwachen?
Die Recherchen der Journalisten spielen ihm schon bald in die Hände und verbreiten die Nachricht, dass es wahrscheinlich eine Verwechslung bei der Auswahl der Opfer gegeben haben müsse - nicht Hebe Furnal sollte entführt werden sondern die Millionärsgattin Kelly Mason. Ivor entschließt sich zu schweigen...
Meine Meinung:
Barbara Vine spinnt hier eine Geschichte um Leidenschaft, Politik, Ehrgeiz und Eitelkeiten, der den Leser langsam in Ivor Teshams Welt zieht und allmählich an Fahrt aufnimmt, als sie Hebes Alibifreundin Jane Atherton zu Wort kommen lässt. Letztere ist eine Frau, die sich vom Leben betrogen fühlt und in der Folge des Unfalls eine Möglichkeit sieht, mehr aus ihrem Schicksal zu machen als sie je erwartet hätte...
Die Erzählperspektive wechselt zwischen den Ausführungen von Ivors Schwager und Jane Athertons Tagebuch, so dass man einerseits miterlebt, wie Ivor und sein Umfeld die Geschehnisse erleben und andererseits Janes anfangs distanzierten, später zunehmend bessessenen Gedanken folgt. Mich hat dieser Roman endlich mal wieder an die früheren Werke von Barbara Vine erinnert, nachdem ich mit "Aus der Welt" und "Der Blutdoktor" nicht ganz so zufrieden war wie ich es mir gewünscht hätte. Der letzte "Wow-Effekt" hat mir zwar gefehlt, aber dennoch hat sich die Lektüre für mich gelohnt! Die elegante Art der Erzählung entspricht der Handlung, was das Lesen flüssig gestaltete.
Es handelt sich um keinen klassischen Krimi, da kein Mord geschieht und dementsprechend die Ermittlungsarbeiten eher nebensächlich abgehandelt werden. Wer sich jedoch für Nervenkitzel auf der psychologischen Ebene der Betroffenen interessiert, der wird in diesem Roman sicher fündig werden.
Edit: Ein Mord geschieht dann doch... weshalb ich es gerechtfertigt finde, den Thread in dieser Kategorie einzustellen.