Richard Dawkins - Der Gotteswahn / The God Delusion

  • Eines vorweg: Ich schätze Richard Dawkins als Naturwissenschaftler sehr. Seine Werke zur Evolution sind informativ und gut.
    ABER: Mit seinem "Gotteswahn" schießt er nun wirklich weit übers Ziel hinaus. Naturwissenschaft als einzig wahre Wissenschaft zu verstehen und der Theologie jegliche Wissenschaftlichkeit abzusprechen, ist nun wirklich unredlich und schlichtweg falsch. In seinem ganzen Buch zeigt sich immer wieder, dass er selbst von einem derartigen Atheismuswahn gedrängt wird, so dass er nicht wirklich wissenschaftliche Thesen begründet, sondern weitgehend Propaganda betreibt. Das finde ich im höchsten Maße UNEHRLICH! Schade, Herr Dawkins, denn so unwissenschaftlich, wie Sie sich hier präsentieren, sind Sie ja sonst nun wirklich nicht.
    Dennoch habe ich mich durch die großangelegte Polemik gelesen. Gerne komme ich auch mit Atheisten ins Gespräch über Gott, Kirche, Glaube, Welt - mit aller Kritik. Aber nicht so, dass meine Meinung als Gläubiger schon von vornherein als dumm, unreif und gefährlich abgetan wird.

  • Eins vorweg: Lieber Thorlac, ich käme gern mit dir im Rahmen einer Konversation ins Gespräch. Auch, weil ich Deine Meinung zum Buch nicht teile. Ich finde z.B. überhaupt nciht, dass er über irgendein Ziel hinausschießt. Eher lässt er ein paar Ziele aus, denn er fokussiert sich m.E. zu sehr auf das Christentum (und auf das Judentum). Alle anderen Religionen bleiben seltsam blass.
    Und um Thorlac hier direkt auch noch einmal zu widersprechen: Wieso sollte man der Theologie eine Wissenschaftlichkeit zugestehen? Sicher kann man im Rahmen z.B. historischer Betrachtungen sich wisschenschaftlich mit Religionen befassen, aber mit Gott??
    Aber vielleicht noch mal von Anfang an: Ich habe das Buch mit großem Vergnügen gelesen. Dawkins nutzt eine Sprache, die recht unterhaltsam ist. Es ist auch eine gute Mischung, aus wissenschaftlicher Information und anekdotischen Einwürfen. Sein Ziel, den Atheismus wisschenschaftlich zu beweisen, hat er etwas zu hoch angesetzt. Trotzdem gibt er dem Atheisten eine ganze Menge an die Hand. Und ich denke und hoffe, dass man dieses Buch nicht aus der Hand legen kann, ohne über ein paar Dinge ganz neu nachgedacht zu haben .
    Als jemand, der als Kind und Jugendlicher die dunklen Seiten des katholischen Lebens sehr hautnah erleben musste, tut mir persönlich dieses Buch einfach gut. Mein schwerer Weg, all diesen Ballast wenigstens zum Teil los zu werden, war und ist nicht leicht. Da ist dieses Buch heilsam und wohltuend.
    Ganz nebenbei ist auch mein Wunschzettel für weitere Bücher durch den Gotteswahn deutlich gewachsen. (Demnächst eine kleine Besprechung des Evangeliums des Fliegenden Spaghettimonsters in diesem Theater).

  • Theologie - genau wie die Literaturwissenschaften - entsprechen nicht einem strengen Wissenschaftsbegriff, der auf Evidenz und experimenteller Wiederholbarkeit beruht, weil diese Lehren (was Logos ja in dieser Kombination bedeutet) präwissenschaftliche Begriffe sind, genauso, wie die Astrologie. Ich finde die Arbeit der Theologen aus einer historischen, philosophischen, soziologischen und anthropologischen Perspektive interessant und wichtig, aber das Nachdenken über auf Stecknadelköpfen tanzenden Engeln kann man nun wirklich nicht Wissenschaft nennen - genauso wenig wie Scientology trotz der anglisierten Logos-Endung eine solche darstellt.


    Dawkins trägt gelegentlich ein wenig dick auf, aber er ist Wissenschaftler - heute mehr denn - und wie der selige Terry Pratchett hat er sehr wenig Geduld mit unsauberem Denken (Zitat: "Es gibt kein Menschenrecht auf Dummheit."). Und das ist auch gut so. Sein Twitterkrieg gegen die Unvernunft ist immer wieder Futter für die Britische Presse und ich vefolge das mit Vergnügen.


    Hier noch eine Jubiläumsoriginalsprachenausgabe:

  • Was ich oben vergessen habe, ist dann doch noch ein Kritikpunkt: Adjektive und die auch noch im Superlativ, damit übertreibt er gewaltig und macht sich damit sogar sehr angreifbar. Da hätte er sehr viel sparsamer sein müssen, meine ich. "Der angesehenste", "das Lustigste", "das Beste", so etwas kommt viel zu häufig vor und gehört so nicht in eine wissenschaftliche Arbeit.


    Das ist schade.

  • Nachdenken über auf Stecknadelköpfen tanzenden Engeln kann man nun wirklich nicht Wissenschaft nennen

    Und damit ist man bei der NOMA-Diskussion, die Dawkins ja auch aufgreift. Über das "nicht-wissenschaftliche" Nachdenken über das Wesen von Göttern, herrscht ja wahrscheinlich irgendwie doch noch Einigkeit. Aber viele Gläubige denken eben, dass Religion eine eigene Daseinsberechtigung als "Nebenwissenschaft" oder was auch immer hat. Die hier immer wieder eingeforderte verstärkte Rücksichtnahme gehört ja zu den Dingen, die Religion gefährlcih machen kann.

  • Lieber Thorlac, ich käme gern mit dir im Rahmen einer Konversation ins Gespräch.

    dieser Wunsch wird Dir vermutlich nicht erfüllt, denn Thorlac war seit 2011 nicht mehr in diesem Forum aktiv.