Guillermo Martìnez - Roderers Eröffnung

  • „Steckt kein Wille dahinter, kommt die Intelligenz nicht sehr weit“.
    Mit dem Ich-Erzähler und seinem neuen, gleichaltrigen Mitschüler Roderer treffen zwei sehr unterschiedliche Typen aufeinander, die eines verbindet: überdurchschnittlich hohe Intelligenz. Während der Protagonist diese in seiner Schullaufbahn durch Strebertum und herausragende Noten für sich nutzen kann, ist Roderer ein Sonderling, planlos und lebensuntüchtig, der Schulangelegenheiten links liegen lässt, keinerlei Ehrgeiz zeigt und selbst blind für die ihn anhimmelnden Mädchen ist. Im Zuge eines Schachspiels lässt Roderer sein Gegenüber ganz klar erkennen, wo dessen Grenzen sind. Der Erzähler sieht sich zum ersten Mal mit einem ernstzunehmenden Gegner konfrontiert, dessen Überlegenheit an ihm nagt und ihn in den nächsten Jahren nicht zur Ruhe kommen lässt. Die Jahre ziehen ins Land, während der Ehrgeizige erfolgreich Mathematik studiert, lebt Roderer völlig zurückgezogen in seinem Zimmer, umgeben von Stapeln von philosphischen Büchern auf der Suche nach dem Wesen des absoluten Wissens.


    Auf nur wenigen Seiten zeichnet Guillermo Martinez zwei sehr unterschiedliche Charaktere, die nicht von einander lassen können und durch eine Art Hass-Liebe miteinander verbunden sind. Zum Einen der streberhafte Ich-Erzähler, der steil die Bildungsleiter emporklimmt, erfolgreich und ehrgeizig ist, zum Anderen Roderer, der an seiner Intelligenz scheitert und andere Menschen in seinem Umfeld mit sich zieht. Obwohl ich das Ende etwas einfallslos fand, kann ich dieses Büchlein jedem an psychologischen Charakterstudien interessierten Leser empfehlen.


    Guillermo Martinez, geb. 1962 in Bahia Blanca, Argentinien, schrieb diesen Roman, der nun auf Deutsch erschien, bereits 1992. Im Jahr 2003 wurde der Schriftsteller durch seinen Roman „Die Pythagoras-Morde“ auch hierzulande bekannt. Martinez studierte Mathematik in England und lebt seit 1985 in Buenos Aires.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Das hört sich für mich sehr interessant an - danke für den Tipp!


    Damit könnte ich mich vielleicht ein wenig mit der südamerikanischen Literatur versöhnen?!

  • Als typisch "südamerikanisch" würde ich das Buch nicht bezeichnen ... weit entfernt von Magie und Märchenhaftem. Mit Garcia Marquez o.ä. kann man Martínez' Stil meiner Meinung nach nicht vergleichen, was in meinem Fall auch gut so ist 8)


    Ich kann mir schon vorstellen, dass Dir das Buch gefällt, tom!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Als typisch "südamerikanisch" würde ich das Buch nicht bezeichnen ... weit entfernt von Magie und Märchenhaftem. Mit Garcia Marquez o.ä. kann man Martínez' Stil meiner Meinung nach nicht vergleichen, was in meinem Fall auch gut so ist 8)


    ...und in meinem Falle ebenso, denn mit der "magisch-realistischen Seite" vieler Romane aus Südamerika komme ich nicht so zurecht.
    Das Buch ist mal auf meine Wunschliste gewandert! Danke, Rosalita!

  • Was lange währt...


    Nun habe ich endlich diesen eigentlich so kleinen, aber feinen Roman gelesen, der manch andere hier interessieren könnte. Die fünfzehn relativ kurzen Kapitel machen das Lesen überschaulich. Ja, stimmt: es erinnert nicht zunächst an jenen typischen südamerikanischen magischen Realismus, und mir persönlich sagte es zu.


    Den Worten von Rosalita zum komplexen Freund-Konkurrent-Verhältnis, als auch der Erwähnung einer psychologischen Charakterstudie, würde ich noch hinzufügen, dass einige durchaus hier den Willen des eigenbrödlerischen Roderer betonen würden, ein, DAS Denksystem universaler Spannbreite zu finden. Da ist ein Hartnäckigr auf der Suche nach der ganzen philosophischen Erleuchtung, dem Durchblick. Das hört sich später dann etwas verworren an, aber der ein oder die andere könnte durchaus fasziniert sein von diesen Gedanken. Allerdings scheinen sie in eine Art Wahnsinn zu führen. Ich musste assoziationsmäßig öfter an Nietzsche denken, der auch hier erwähnt wird...


    Vielleicht kommen noch einige Reaktionen hier hinzu?