Originaltitel: The Color of Water
Klappentext:
Ruth McBride, die 1921 in Polen als Tochter eines orthodoxen Rabbiners geboren wurde, hat es schwer im Amerika der 40er und 50er Jahre. In den Augen vieler Nachbarn ist sie entweder die "Christusmörderin" oder die "Niggerschlampe". Sie entscheidet sich für ein Leben unter Farbigen, denn "die paar Probleme, die ich mit den Schwarzen hatte, waren nichts im Vergleich zu dem Elend, das ich mit den Weißen erlebte". Meist weicht Ruth Fragen ihrer Kinderschar nach Vergangenheit und Identität der Familie aus, doch als ihr Sohn James fragt, welche Hautfarbe Gott habe, antwortet sie: "Die Farbe von Wasser. Wasser hat keine Farbe."James benötigt 14 Jahre seines Erwachsenenlebens, um die Biographie seiner Mutter zu enthüllen und aufzuschreiben: seine eigenen Erinnerungen an die Kindheit sind in einem "orchestrierten Chaos" mit den eigenwilligen humorvollen Schilderungen und Anekdoten seiner Mutter verwoben. Die Farbe von Wasser ist eine verblüffende Familiengeschichte, doch zugleich liest sich das Buch wie ein Roman mit einer Heldin, die wie selbstverständlich über Rassenkonflikte, Identitätsverlust und persönliche Entbehrungen triumphiert.
Ruth wurde als Rachel Shilsky geboren; diesen Namen legte sie mit 19 ab, als sie mit ihren Eltern und ihrer Vergangenheit brach. Sie war zweimal verheiratet, beide Ehemänner waren Farbige - ein Skandal in jenen Jahrzehnten - und hatte insgesamt 12 Kinder. Als ihren größten Erfolg wertete sie, dass sie, obwohl immer am Existenzminimum lebend, jedem Kind eine Hochschulausbildung ermöglichte, so dass diese gutbezahlte, angesehene Berufe ergreifen konnten. Ihr größtes Glück nannte sie ihre Konvertierung zum Christentum.
Kapitelweise abwechselnd erzählt der Sohn James, das 8. Kind, dessen leiblicher Vater kurz vor seiner Geburt gestorben war, die Autobiographie seiner Mutter und seine eigene, kenntlich am normalen, bzw. kursiven Druck. Da beides in der Ich-Form geschrieben ist, fällt es beim Lesen schwer, den Schalter im Hirn jeweils umzudrehen von Mutter zu Sohn und umgekehrt, vor allem, weil die meisten angesprochenen Probleme, Rassismus, Geldmangel, Religion in beiden Strängen die gleichen sind. Man muss ständig den inneren Standpunkt wechseln und sich bewußt machen, dass zwischen der einen und der anderen Handlung 20 Jahre liegen. Es hätte dem Buch gedient, wenn der Autor bei einem der Stränge eine andere Erzählperspektive gewählt oder beide Geschichten miteinander verwoben hätte.
Ruth ist eine außergewöhnliche Frau, die sich um keine Meinung und keinen Tratsch schert. Anders hätte sie es nicht geschafft zu überleben. Sie ist eine Geächtete, Ausgestoßene. Als Jüdin hätte sie nach dem Willen ihrer Familie einen weißen Juden heiraten müssen, als weiße Frau wird sie von den Farbigen, in deren Stadtteilen sie lebt, nicht als eine der ihren anerkannt, und als Mutter von 12 gemischtrassigen Kindern gehört sie nicht mehr zu den Weißen. Man muss sich vergegenwärtigen, dass sie in der Zeit lebte, als Weiße und Farbige verschiedene Schulen besuchen oder andere Busse / Geschäfte/ Parks benutzen mussten. Ihre Kinder erzieht sie mit eiserner Disziplin auf der einen und einem liebevollen Laissez-faire auf der anderen Seite.
Leider fehlt dem Buch die Eindringlichkeit. James McBride erzählt - nicht immer chronologisch - Begebenheiten, Anekdoten, Ereignisse aus Ruths und seinem eigenen Leben. Ob es sich um den sexuellen Missbrauch handelt, den Ruth durch ihren Vater erlebt hat, ihre Ohnmacht gegenüber Geschwätz oder Behörden, ihre tägliche Existenzangst - der Leser erfährt davon, aber er wird nicht mit hineingenommen in die Emotionen. Man kann es sich vorstellen, aber nicht miterleben.
Trotzdem: Meine Bewunderung für diese Frau. Ich konnte nicht herausfinden, ob sie noch lebt, aber ich wünsche ihr, dass sie mitbekommen hat, dass ein Schwarzer Präsident der USA geworden ist.
Marie