Karl-Heinz Ott - Ob wir wollen oder nicht

  • Klappentext:


    Was passiert, wenn man nichts getan hat und dadurch schuldig wird? Wenn
    man im Gefängnis sitzt und sich durch Schweigen schützt, obwohl man
    sich unschuldig fühlt?


    In einem mitreißenden inneren Monolog entfaltet Karl-Heinz Ott das
    Seelenpanorama einer Figur, die einmal aufgebrochen war, sich selbst
    und die ganze Welt zu verändern, um schließlich in jeder Hinsicht im
    Abseits zu landen.


    Die einzigen Menschen, auf die sich der Erzähler dieser Geschichte
    stützen könnte, sind auf der Flucht, während er an ihrer Stelle
    verhaftet wurde.


    Es sind seine Freundin Lisa und ein ehemaliger Pfarrer, der vor Jahren
    vom Vorwurf Kindesmissbrauchs freigesprochen wurde und seitdem am Rand
    eines verlorenen Dorfes als Eigenbrötler vor sich hin lebte.


    Jeden von ihnen holt der Alp seiner Vergangenheit ein, was Ott mit
    einer fulminanten Sprache erzählt, sodass Schrecken und Komik zuweilen
    kaum voneinander zu unterscheiden sind


    Der Autor:


    Karl-Heinz Ott wurde 1957 in Ehingen an der Donau geboren und studierte Philosophie, Germanistik und Musikwissenschaft.


    Anschließend arbeitete er als Dramaturg an den Theatern in Freiburg,
    Basel und Zürich. 1998 erschien sein Romandebüt "Ins Offene", das mit
    dem Friedrich-Hölderlin-Förderpreis sowie dem Thaddäus-Troll-Preis
    ausgezeichnet wurde.


    Für seinen zweiten Roman "Endlich Stille", der 2005 bei Hoffmann und
    Campe herauskam, erhielt er den Alemannischen Literaturpreis, den
    Candide-Preis sowie den Preis der LiteraTour Nord. 2007 erschien bei
    Hoffmann und Campe "Heimatkunde.Baden".


    Karl-Heinz Ott lebt in Freiburg.


    Meine Meinung:


    "Ob wir wollen oder nicht" ist ein Buch, das ich recht gerne gelesen habe.


    Der Protagonist führt einen Monolog, er lässt uns an seiner Gedankenwelt teilhaben.


    In ellenlangen Sätzen -etwas gewöhnungsbedürftig - wird nach und nach
    das Vergangene offenbart, wie sein Verhältnis zu seiner Freundin Lisa
    ist, über seinen Freund Johannes, sein Leben in dem Dorf.


    Der Monolog wird nur einmal - ungefähr bei der Hälfte des Buches - unterbrochen von dem Verhör beim Haftrichter.


    Seine Situation mutet ein wenig kafkaesk an -schließlich fühlt er sich
    unschuldig und steht vor dem Richter, auch muss er eine Nacht im
    Gefängnis verbringen.


    Der Schreibstil hat mir gut gefallen.

  • Juhu, ich bin dabei mir dieses Buch und somit auch die Gedankenwelt dieses Menschen zu erschließen. Bislang bin ich zwar erst bei Seite 16, doch das ändert sich schnell. :dance:

    Wenn du einen verhungernden Hund aufliest und machst ihn satt, dann wird er dich nicht beissen. Das ist der Grundunterschied zwischen Hund und Mensch.
    Zitat: Mark Twain

  • Die Lektüre dieses Buches habe ich sehr genossen!
    Ich finde mich im Klappentext (siehe oben) und Connors Bemerkungen wieder, und will einfach noch einiges hinzufügen, was mir auffiel.


    Langsam erfahren wir in diesem fast manischen (besonders im ersten Teil!) Monolog mehr und mehr Einzelheiten über das Vorgefallene. Nicht so einfach, und vielleicht gar nicht vorrangig, sich als Leser eine objektive Meinung über Schuld oder Unschuld zu bilden. Doch der Ich-Erzähler, dessen Namen wir erst sehr spät erfahren, redet wie im Rausch, will sich rechtfertigen und beteuert eine Unschuld (Zitat: „als sei man für das, was mit einem geschieht, nicht wirklich verantwortlich“).


    In dieser Art Rede spiegelt diese wie etwas von seinem Innenleben wieder: da verschachteln sich die Sätze (wie man es halt redend tut...), man nimmt zurück, schränkt ein, sieht voraus, dreht sich auf der Stelle, überstürzt sich... Wörter wie „obwohl, zumal, tatsächlich, allerdings, schließlich, ausgerechnet...“ tauchen häufig auf. Kein Wunder, dass diese teils sehr langen, verschachtelten Sätze etwas mühsam erscheinen können, kompliziert. Doch ich bevorzuge einen Ausdruck wie „umständlich“, und zwar im Sinne, dass dies das Innere des Erzählers spiegelt. (und dann das Bild einer Krähe, die – Zitat - „nicht einmal weiß, was sie will oder sich vor lauter Anflugzielen gar nicht für ein einzelnes entscheiden kann“). Dahinter verbirgt sich – in meinen Leseraugen – eine ausgefeilte Schreibe, die etwas Tolles, Überbordendes an sich hat, und eine ganz eigene Art Kunstfertigkeit besitzt.


    Ein angesprochenes Thema amüsiert und macht nachdenklich: die Reflexion eines circa 50ig Jährigen über die „wilden Jahre“ der 70iger, in denen das Rebellieren zur Mode gehörte. Er, der „anders“ sein wollte, findet sich dreißig Jahre später im Abseits wieder, in jeglicher Hinsicht. Eine Bilanz? (Zitat: „Tatsachen, die wir im Namen aller möglichen Befreiungen geschafft haben, von Befreiungen, die manchen von uns reichlich einsam gemacht haben“.)


    Ich war erfreut, diesen Autor in einem (für mich) zweiten Buch weiter kennenzulernen, und behalte ihn echt im Auge. Habe schon sein erstes Buch auf dem SUB liegen, und kann ihn hier nur ausdrücklich den üblichen Verdächtigen empfehlen!

  • und kann ihn hier nur ausdrücklich den üblichen Verdächtigen empfehlen!

    :mrgreen: unter diesen Umständen sollten wir alle mal die Augen offen halten, wenn uns dieses Buch begegnet...
    Am Sonntag ist ja wieder der Bücherbasar... :bounce:

    "Wie wenig du gelesen hast, wie wenig du kennst - aber vom Zufall des Gelesenen hängt es ab, was du bist." Elias Canetti

  • Schön, dass der Roman dir auch gefallen hat, tom fleo - und das du noch was dazu geschrieben hast :) - meine Rezension ist doch etwas kurz geraten.
    Auf meinem SUB liegt noch "Endlich Stille" - sollte ich wohl bald mal in Angriff nehmen.


    Liebe Grüße