Irvin D. Yalom - Die Liebe und ihr Henker

  • Originaltitel: Love's Executioner


    Klappentext:
    Als Thelma, eine über siebzigjährige Frau, zum Therapeuten kommt und ihm gesteht, dass sie heillos verliebt sei, glaubt der zunächst an eine Marotte. Doch sehr rasch stellt sich heraus, dass Thelma extrem suizidgefährdet ist, ihre Verzweiflung ist echt und durchaus ernst zu nehmen - sie liebt ihren früheren Therapeuten bis zur Obsession. Der dramatische Verlauf von Thelmas Krankheit und Heilung steht im Mittelpunkt der ersten von zehn Geschichten. In seinen nur leicht verschlüsselten Fallstudien erzählt Yalom, wie es ihm gelingt, psychische Barrieren zu überwinden und zum Kern des seelischen Konflikts seiner Patienten vorzustoßen. Ein spannendes, einfühlsames, aber auch vergnügliches Buch.


    Angeregt durch diese Rezension wollte ich unbedingt etwas von Yalom lesen und griff in der Bücherei bei den Neuanschaffungen nach diesem Buch ohne den Klappentext zu lesen. Ein Fehler, denn es machte mir nicht viel Spaß, es zu lesen, und ich habe mehrmals überlegt abzubrechen.


    Eine Sammlung kurioser und kniffliger Fälle aus der Praxis des Psychotherapeuten Yalom; überwiegend in Dialogform mit dem Patienten stellt er dessen Leiden dar, und anschließend erfährt der Leser von den Gedanken, die Yalom sich über seine Vorgehensweise und seine eigenen Gefühle gegenüber Patient und Krankheit macht, und vom Verlauf der gesamten Therapie und der Heilung.
    Außer der verliebten 70jährigen lernt man einen Mann kennen, der sich wünscht, Vergewaltigung sollte legal sein, einen anderen, der sich nicht traut, wichtige Briefe zu öffnen, eine Frau von 250 Pfund bei einer Größe von 1,55, einen Mann, der Tabellen anfertigt über seine Erektionen und seine Migräneanfälle, usw.
    Ein Fall (von zehn) berührt: "Das falsche Kind ist gestorben" - eine Mutter, die vom Tod ihrer kleinen Tochter aus der Bahn geworfen wird.


    Auch wenn das Buch bei Amazon nur gelobt wird und man sich stellenweise das Schmunzeln nicht verkneifen kann, ist es mir zu voyeuristisch. Mir ist nicht klar, warum Yalom dieses Buch geschrieben hat. Um seine Qualitäten als Therapeut zu beweisen? Um Diagnosen und Therapieverläufe für breite Leserschichten durchsichtig zu machen?
    Wahrscheinlich muss man im Hinterkopf behalten, dass die Psychotherapie in Amerika einen anderen Stellenwert hat als bei uns, und dass man das Buch bei dieser Betrachtungsweise anders liest. Und Yalom hat das Buch ja nicht unbedingt für den deutschen Markt geschrieben.


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



    Einmal editiert, zuletzt von Marie ()

  • Marie,
    ich teile Deine Ansicht zu dem Buch. Es ist ein "amerikanisches" Buch. Natürlich gibt es auch bei uns Menschen, die psychische Probleme haben und auch Hilfe beim Psychiater finden, trotzdem sind wir bestimmt sehr viel weniger schnell bereit,uns in psychotherapeutische Behandlung zu begeben. Für die Amerikaner der Mittelklasse gehört es fast zum guten Ton auch einen Psychiater regelmäßig aufzusuchen. Ein Satz hat mich zum Nachdenken gebracht, der sinngemäß heißt, nur ein reflektiertes Leben ist wertvoll. Dem stimme ich zu, allerdings gebe ich für mich der Intuition und dem Instinkt sehr viel mehr Raum. Und ein allzu egozentrisches Leben ist auch nicht unbedingt gesund.

    Wie wenig du gelesen hast, wie wenig du kennst - aber vom Zufall des Gelesenen hängt es ab, was du bist. Elias Canetti