Stefan Merrill Block - Wie ich mich einmal in alles verliebte / The Story of Forgetting

  • Klappentext (Innenteil und Rückseite)
    Seth ist 16 und hat reichlich Probleme: Akne, die falschen Hobbys, keine Chance bei den Mädchen - und dann auch noch eine Mutter, die jeden Tag merkwürdiger wird. Irgendwann steht es fest: Seine kaum 35jährige Mom hat Alzheimer. Seth reagiert auf seine Weise - er beschließt, ein berühmter Wissenschaftler zu werden und das Heilmittel für diese Krankheit zu finden. Er knackt die Datenbank eines Alzheimer-Spezialisten und beginnt, auf eigene Faust Feldforschung zu betreiben ...
    Irgenwo in Texas. Abel sitzt auf seiner heruntergekommenen Farm und wartet. Darauf, dass die von den Nachbarn schon bestellte Planierraupe ihn von seinem Land vertreibt. Vielleicht auch auf den Tod. Vor allem aber auf seine Tochter, die vor Jahren spurlos verschwand. Nur ihretwegen harrt Abel so störrisch aus, denn er will die Hoffnung nicht aufgeben, dass Jamie eines Tages nach Hause kommt ... Abel und Seth trennen nicht nur über 50 Jahre Altersunterscheid und Hunderte von Meilen - sie haben auch noch nie voneinander gehört. Aber sie beide kennen dieselbe Legende: die Geschichte von Isidora, dem sagenumwobenen golden Land, in dem es keine Erinnerung gibt ...


    (Rückseite) Hätte Robert Mapplethorpe IV. nicht so verdammt gut ausgesehen, dann gäbe es diese wilde Geschichte nicht. Immer wieder geht es um die Liebe - meistens ist sie verboten. Ein Kind verschwindet spurlos. Eine Frau versucht, mit einem Koffer voller Wurst zu verreisen. Was all das verbindet? Ein defektes Gen, das über Generationen hinweg Unheil anrichtet. Und ein Junge auf der Suche nach seiner Vergangenheit.


    Stefan Merrill Blocks Debüt ist faszinierend vielschichtig. Es ist die Geschichte einer ganz großen Liebe, das Porträt einer schrecklichen Erkrankung und ein grandioser Familienroman. Leichthändig erzählt, ideenreich und tragikomisch, ist Stefan Merrill Block nicht weniger als ein Meisterwerk geglückt.


    Über den Autor
    Stefan Merrill Block wurde 1982 geboren und wuchs in Texas auf. Er studierte an der Washington University in Saint Louis/Missouri und lebt heute in Brookly. "Wie ich mich einamal in alles verliebte" ist sein erster Romand.


    Der Übersetzer: Marcus Ingendaay übertrug u.a. Werke von Truman Capote, William Gaddis und David Foster Wallace ins Deutsche. Für seine Übersetzungen wurde er mit dem Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis ausgezeichnet.


    Meine Meinung
    Die Geschichte hat zwei Handlungsstränge, der eine handelt von Seth, dem 16jährigen Jungen. Er wächst wie ein normaler Junge auf, Akne, Liebeskummer, die Mädchen auf seiner Schule wollen von ihm nichts wissen, dem Freak, der seine Nase den ganzen Tag in Bücher steckt, sich zurückzieht, sich im Nichts verstecken möchte. Ein Versuch, sein Traummädchen auf ein Date einzuladen, geht komplett in die Hose, er wird verspottet. Später ergibt sich noch die Gelegenheit, sich seinem Traummädchen zu nähern, sie benötigt Hilfe bei Bio-Hausaufgaben und spricht ihn an ... Seth weiß nichts von der genetischen Veranlagung seiner Mutter, von EOA-23, einer heimtückischen Alzheimer-Frühform, die von Generation zu Generation seit dem Beginn im Jahre 1826 von Robert Mapplethorpe IV weitergegeben wird. Als bei seiner Mutter die ersten Symptome auftreten und es schnell immer schlimmer wird, fängt er an zu lesen, zu forschen, will wissen, was seine Mutter in das "Wartezimmer" bringt (das Pflegeheim). Er nimmt sich vor, die Krankheit zu erforschen und möchte später ein berühmter Neurologe werden. Er "besorgt" sich Unterlagen eines Forschers, und fängt an, die dort aufgelisteten Personen zu besuchen, ihre Geschichte zu ergründen. Er findet immer mehr raus, wer er ist, was aus ihm werden könnte und ist mit seiner Angst komplett allein. Sein Vater zieht sich in seiner Angst völlig zurück, trinkt und beachtet Seth nicht. Seth verliert nicht nur seine Mutter, auch seinen Vater ... Mehr verrate ich hier nicht.
    Der andere Teil der Geschichte handelt von Abel Haggard. Er lebt in seiner alten Farm vor sich hin, alles verrottet, sein einziger Freund ist sein altes Pferd Iona. Abels Leben ist auf Geheimnissen gegründet, niemand weiß, wer seine Tochter ist. Jamie ist eigentlich die Tochter von Mae (seiner Schwägerin) und Paul, seinem Bruder. Als Paul im Krieg war, hatte Abel ein Affäre mit Mae. Mae wird schwanger, Paul kehrt zurück ... und glaubt, dass er der Vater der Tochter ist. Abel bleibt bei der Familie und ist der liebe Onkel ... Auch die Haggards sind mit dem Fluch von EOA-23 belegt. Die Mutter, der Großvater, alle sind an der Alzheimer-Frühform gestorben. Abel bleibt gesund, Paul wird krank ... die Krankheit nimmt ein tragisches Ende, das ich hier aber nicht verraten möchte.
    Seth und Abel kennen sich nicht. Beiden gemeinsam ist nur die Geschichte von Isidora, der goldenen Stadt, die von Generation zu Generation weiter erzählt wird. Genau, wie die Krankheit weiter vererbt wird ...
    Puh, ich schreibe und schreibe und hoffe, nicht schon zu viel zu verraten. Aber das Buch hat mich gefesselt, begeistert, berührt. Die Gefühle des heranwachsenden Seth und des einsamen Abel sind so wundervoll beschrieben, machen einen betroffen. Man hofft und bangt mit den Beiden. Wie wird die Geschichte enden?
    Für mich eines der Lese-Highlights in 2008 ... :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:


    Der Klappentext auf der Rückseite ist meiner Meinung nach total nichtssagend und verhindert sicher den einen oder anderen Leser. Was wirklich komplett daneben ist, ist das Cover. Wer ist denn dafür verantworlich? Boah, wie hässlich. Hätte Elke Heidenreich das Buch nicht in der TV-Sendung zur Buchmesse vorgestellt, ich wäre glatt dran vorbei gegangen. :thumbdown:


    Wer dieses Buch gelesen hat: Eine Sache hat mich gestört ... im Klappentext heißt es, dass Seth 16 ist und seine kaum 35jährige Mutter hätte Alzheimer. Da stimmt etwas nicht ... Jamie geht mit 18 Jahren von zuhause weg, am Ende des Buches sind 21 Jahre und 3 Monate vergangen. Sie wäre somit mindestens 39 Jahre alt (35 -16 ergibt 19, sie bekommt Seth aber erst mit frühestens 21). Vielleicht habe ich ein Detail übersehen, aber während der gesamten Lektüre hat mich dieser Zeitfehler gestört :scratch:


    Mein Fazit: Ich wünsche diesem Buch viele, viele Leser :applause: ... und vielleicht eine Überarbeitung des Covers und des Klappentextes :roll:

    "Ein Leben ohne Hund ist möglich, aber sinnlos ..."

    (nach Loriot)

  • Hallo!
    Danke für die schöne Rezension, das klingt nach einem Buch, das mir gefallen könnte. Es wandert auf jeden Fall in meine Wunschliste!
    Liebe Grüße
    Moonlight

    "You may, however, rest assured there are no ghosts in this world. Save those we make for ourselves."
    Sherlock (BBC) - The Abominable Bride


    "Please don't put a label on me - don't make me a category before you get to know me!"
    John Irving - In One Person

  • Sehr ansprechende Rezension, Steffi! Danke! Das Buch wandert auf jeden Fall auf meine Wunschliste, wird mir bestimmt gefallen.

    2024: Bücher: 73/Seiten: 32 187

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Mein Blog: Zauberwelt des Lesens
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    Dalai Lama

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    Lese gerade:

    Lapuente, Sofía/Shusterman, Jarrod - RETRO - Geh nicht online

  • Ich lese das Buch gerade, finde es ganz toll, hatte aber schon Schwierigkeiten, mich am Anfang auf beide Figuren einzulassen. Schrecklich finde ich die "medizinisch-historischen" Abrisse, die ins Buch eingestreut sind, bei ca. Seite 110 der zweite, da musste ich das Buch jetzt gerade mal zur Seite legen :(

  • Abel ist in die Frau seines Bruders verliebt. Er kann einfach nicht anders, alles, was Mae sagt, tut und ist, erscheint ihm äußerst liebenswert, er beobachtet sie heimlich und träumt von ihr. Und er weiß, dass er möglicherweise selbst nie eine Frau abbekommen wird, denn im Gegensatz zu seinem Zwillingsbruder Paul hat er eine missgebildete Schulter und dadurch einen Buckel.


    Seth ist fünfzehn, menschenscheu und in sich gekehrt, er mag es nicht besonders, mit anderen Leuten zu sprechen oder ihnen in die Augen zu sehen. Doch auch sein Zuhause ist kein ruhiger Rückzugsort. Das Familienleben ist zunehmend geprägt von der schweren Demenz seiner Mutter, einer früh einsetzenden Alzheimervariante. Machtlos muss er mit ansehen, wie die noch junge Frau immer fester in den Fängen der Krankheit steckt, und er schwört sich, so viel über dieses Leiden herauszufinden, wie er nur kann, und dabei auch endlich das Geheimnis um die Herkunft seiner Eltern zu lüften.


    Schon bald wird klar, was die zunächst scheinbar unbeteiligt nebeneinander verlaufenden Handlungsstränge um Abel in den 60er Jahren und Seth in der Gegenwart verbindet: Auch in Abels Familie gab es Fälle von Demenz, die Krankheit war eine regelrechte Familiengeißel, die in jeder Generation mindestens ein Familienmitglied heimgesucht hat. Es tut weh zu lesen, wie sich geliebte, nahestehende Menschen durch die Erkrankung in unberechenbare Fremde verwandeln, die ihre Lieben nicht mehr erkennen und unverständliche Dinge tun, man gerät unwillkürlich ins Nachdenken über die Bedeutung des Gedächtnisses und des Bewusstseins der eigenen Geschichte.


    Da ist es durchaus wohltuend, dass der Autor zwischen den Kapiteln, die sich mit seinen beiden Hauptpersonen beschäftigen, sachlichere Einschübe bringt, in denen die Historie der (fiktiven) Alzheimervariante, die im Buch vorkommt, und wissenschaftlich-medizinische Hintergründe beschrieben werden. Leser ohne Affinität zu Naturwissenschaften mögen diese Passagen langweilen, ich habe sie jedoch als gute Ergänzung zum Thema empfunden.


    Es gelingt Block zum Glück auch, kein kitschiges Rührstück aus der Geschichte zu machen, auch wenn sie zum Ende hin ein wenig vorhersehbar wird. Sowohl Abel als auch Seth erzählen frei Schnauze und ungeschminkt, was sie tun und empfinden, in diesem typischen unsentimental-direkten Tonfall vieler amerikanischer Romane übers Erwachsenwerden, das bildet ein angenehmes Gegengewicht zu den harten Fakten und den zutiefst deprimierenden Auswirkungen der Krankheit.


    Mir hat dieses Romandebüt gut gefallen, auch wenn der Stoff nicht gerade aufmunternd ist und ich irgendwann froh war, mich mit dem Thema vorerst nicht mehr im Detail beschäftigen zu müssen. Das möchte ich aber in keinster Weise dem Autoren anlasten.


  • Der Klappentext auf der Rückseite ist meiner Meinung nach total nichtssagend und verhindert sicher den einen oder anderen Leser. Was wirklich komplett daneben ist, ist das Cover. Wer ist denn dafür verantworlich? Boah, wie hässlich. Hätte Elke Heidenreich das Buch nicht in der TV-Sendung zur Buchmesse vorgestellt, ich wäre glatt dran vorbei gegangen. :thumbdown:


    Das Cover ist furchtbar lieblos und nichtssagend.


    Zitat

    Wer dieses Buch gelesen hat: Eine Sache hat mich gestört ... im Klappentext heißt es, dass Seth 16 ist und seine kaum 35jährige Mutter hätte Alzheimer. Da stimmt etwas nicht ... Jamie geht mit 18 Jahren von zuhause weg, am Ende des Buches sind 21 Jahre und 3 Monate vergangen. Sie wäre somit mindestens 39 Jahre alt (35 -16 ergibt 19, sie bekommt Seth aber erst mit frühestens 21). Vielleicht habe ich ein Detail übersehen, aber während der gesamten Lektüre hat mich dieser Zeitfehler gestört :scratch:


    Das ist mir nicht aufgefallen bzw. ich habe nicht nachgerechnet, aber der Klappentext ist generell Schmarrn. Da wird auch behauptet, dass Mae spurlos verschwindet, was überhaupt nicht stimmt.