Hatice Akyün - Einmal Hans mit scharfer Soße

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    Zuschauer der NDR 3-Talkshow erlebten eine Kostprobe ihres Temperaments. Die quirlige junge Frau berichtete von ihrer Leidenschaft, dem Sammeln und Tragen hochhackiger Schuhe und demonstrierte sogleich vor versammelter Runde, wie es sich besonders sexy in ihnen geht. Die Journalistin Hatice Akyün, 1972 mit ihren türkischen Eltern nach Duisburg übergesiedelt, bezeichnet sich inmitten verhärteter Kulturfronten, Kopftuchdiskussionen und bärtig-grimmiger Koranlehrer, ironisch als „Paradebeispiel einer gelungenen Integration“. Wie gelungen, das treibt selbst ihren liberal gesonnenen islamischen Eltern den Schweiß auf die Stirn, wie wir noch erleben werden.


    Es ist eine helle Freude, dieser selbstironischen Frau zu begegnen, die islamischen Konventionen den Garaus macht, Miniröcke trägt, sich ihres üppigen Dekolletés erfreut -- und dennoch ihre türkischen Wurzeln liebt. Ach ja, der merkwürdige Titel: „Hans und Helga“ gelten bei Türken als eine Art deutscher Prototyp. Hans, käsig, klemmig, ein „Brötchenholer“ mit Fahrradhelm. Helga trägt praktisches, flaches Schuhwerk und weiß nichts vom „perfekten Bogen einer gezupften Augenbraue“ (für jede türkische Frau eine Selbstverständlichkeit). Hans und Helga sind politisch korrekt -- aber garantiert feuerfrei. Was Hatice nicht daran hindert, einen blonden Hans zu suchen. Allerdings einen, gewürzt mit der scharfen Soße ihrer Heimat!


    Flott und scharfzüngig werden wir durchs deutsch-türkische Kulturgestrüpp geleitet. Wir erleben eine vielköpfige Patchwork-Familie von beneidenswertem Wir-Gefühl. Zusammengehalten von einem Vater, dessen größte Sorge es ist, seine 35-jährige Tochter endlich unter die Haube zu bringen. Einer Kopftuch tragenden Mutter konservativen Zuschnitts, eine Art Supernanny, die riesige Mahlzeiten zubereitet und ihr Regiment mit eiserner Hand führt. Mit frivolem Ton gibt uns Hatice Kostproben der erotischen Anmachtechnik zweier Nationalitäten. Ihre Schilderung der Vertreibung eines arglosen Heiratskandidaten, den ihr die Eltern während eines Heimaturlaubs in der Türkei präsentierten, gerät zur regelrechten Klamotte. Prekäre Themen wie Islamismus und Zwangsheirat werden nur gestreift. Der Ton bleibt leicht. Hatice Akyün sucht das Verbindende -- vielleicht besser so!


    Ach ja, ein Hans findet sich auch noch ein. Dass der allerdings als Erstes eine Beschneidung über sich ergehen lassen muss, befremdet schon ein wenig. --Ravi Unger


    Kurzbeschreibung
    1001 Geschichten aus einem Leben zwischen Berlin und dem Bosporus: Amüsant und pointiert rückt Hatice Akyün den Eigenarten von Türken und Deutschen zu Leibe.


    "Hans und Helga heißen alle Deutschen bei uns Türken", schreibt Hatice Akyün, "und jedes Mal, wenn ich in die Türkei fahre, heißt es: 'Hast du jetzt endlich einen Hans gefunden?' Natürlich habe ich ihn noch nicht gefunden. Ein Hans, der galant genug wäre, mir beim ersten Date - wie in der Türkei üblich - die Autotür aufzuhalten, ist mir noch nicht begegnet. Und türkische Männer trauen sich nicht mehr in meine Nähe. Seither bin ich das Sorgenkind meiner Familie. Sie kennen meine Familie noch nicht? Dann kommen Sie her, und setzen Sie sich, und vergessen Sie nicht, etwas zu essen mitzubringen, denn das macht man so bei uns. Ich entführe Sie in ein Deutschland, das Sie unter Garantie noch nicht kennen. Geschichten aus 1001 Nächten im Ruhrpott, nachdem mein Vater nach Deutschland gekommen ist, um hier zu arbeiten. Stellen Sie sich auf eine längere Reise ein, denn es geht um so etwas wie den Eintritt in ein anderes Universum."


    Ein Beitrag zu einem hochaktuellen Thema, über das so frech, humorvoll und witzig noch nie geschrieben wurde.


    Meine Meinung:
    Zuallerst muss ich erklären, wie ich zu diesem Buch kam. Ich war vor kurzem bei einer sehr lieben türkischen Freundin eingeladen, die das Buch "Ali zum Dessert" geschenkt bekommen hat. Daraufhin kamen sehr witzige Geschichten über den ersten Teil "Einmal Hans mit scharfer Soße" auf den Tisch, jede der anwesenden hatte ihre Lieblingsszene aus diesem Buch und ich habe mich da schon königlich amüsiert. Natürlich wurde ich neugierig und bekam den ersten Teil ausgeliehen.
    Ich habe dieses Buch dauerschmunzelnd verschlungen, es ist eine locker, kurzweilige Geschichte. Die Erzählerin Hatice Akyün erzählt aus ihrem Leben, aus ihrer Parallelwelt. In Deutschland ist sie die "Türkin" in der Türkei die "Deutsche". In ihrer Brust schlagen zwei Herzen. Viele viele Klischees, die sich doch desöfteren bewahrheiten. Wer über sich und seine Mentalitätsmacken lachen kann, der kann dieses Buch mit einem Augenzwinkern genießen. Und obwohl ich schon recht lange mich mit dem Thema beschäftige, auch im Austausch mit türkischen Freunden, hat mir dieses Buch ihre Mentalität noch näher gebracht... Also nicht so ernst nehmen und endlich mal kein Buch über "Zwangsverheiratung" usw. Ich habe es genossen!

  • Als Duisburger musste ich mir das Buch irgendwann einmal zu gemüte führen, besonders, nachdem die Autorin den Integrationspreis gewonnen hatte. Danach war ich schon ein wenig irritiert. Im Bereich Erzählung würde ich das Buch eher nicht sehen - eher schon bei Humor/satire, denn Einiges in dem Buch ist in sich schon nicht unbedingt schlüssig. Es ist amüsant, aber die Ich-Erzählerin zeigt allerlei Widersprüche, die eigentlich so vor allen Dingen nicht unbedingt auf ihren Dual-Background zurück zu führen sein müssen. Mir kam es eigentlich eher vor wie eine Ally-McBeal-Variante. Aber es gab schon ein paar Dinge zum Schmunzeln - und die Sache mit dem Autofahrten in die Türkei fand ich schon sehr erhellend. außerdem bin ich darüber entsetzt festzustellen, was für Bauerntrampel viele meiner Geschlechtsgenossen mit dem deutschen Pass zu sein scheinen (wie, Ihr haltet einer Dame nicht die Türen auf, zahlt nicht selbstverständlich beim ersten Date im Restaurant und macht ihr regelmäßig Komplimente? Helft Ihr ihr etwa auch nicht in und aus dem Mantel? Oder der Jacke? Oh, Mann, Leute.) :roll:

  • Ich habe es gerade beendet und sehe genauso wie @K.-G. Beck-Ewe das Buch von Hatice Akyün mehr in der Kategorie „Humor“ als in der Kategorie „Romane/Erzählungen“. Hatice Akyün schreibt zwar über Erlebtes und wie sie selbst in Interviews sagt, ist auch an den Handlungen nichts dazugedichtet, aber die Art, wie sie über ihre Erfahrungen schreibt und auch wie sie mit Überspitzung und Klischees arbeitet, lassen das Buch fast schon kabarettistisch wirken. Das soll jetzt nicht negativ klingen, denn ich fand ihre humorvolle und selbstbewusste Art sehr erfrischend, musste doch gelegentlich laut Auflachen und in vielem habe ich mich auch selbst wiedergefunden.
    Die Themen „Leben in zwei Welten/Kulturen“, „Zugehörigkeit“ und „Identitätsfindung“ greift sie wirklich schön auf. Ich fand es nur schade, dass sie mit den Überspitzungen nicht etwas mehr gegeizt hat. Mir ist schon bewusst, dass sie es humorvoll halten wollte, sie selbst ist ja auch eine sehr witzige und intelligente Frau, aber irgendwann war mir das „der Deutsche fühlt auf die Art“ und „der Türke verhält sich auf die Art“ einfach zu viel und was mir auch gefehlt hat, war das Eingehen auf die Schwierigkeiten oder Hindernissen in ihrer Situation. Zum Beispiel wird, relativ zu Beginn des Buches, nur kurz erwähnt, dass sie auch einen Kontaktabbruch zu ihren Eltern hatte, weil sie sich für ein selbstbestimmtes Leben entschied. Aber das wurde dann eher nur in ein, zwei Zeilen nebenbei erwähnt.


    Fazit: Ein kurzes Buch, welches sich mit einem humorvollen Ansatz über das Aufwachsen in und das Zugehörigkeitsgefühl zu zwei verschiedenen Welten befasst, ohne aber dabei auf Schwierigkeiten oder Probleme näher einzugehen. Wenn man das Buch als kabarettistisches Werk mit biografischem Hintergrund ansieht, ist es durchaus empfehlenswert und bekommt von mir auch als solches :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: Sterne!

    "Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste."
    Heinrich Heine


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