Alaa Al Aswani - Der Jakubijan - Bau

  • Sie leben zusammen in diesem alten Gebäude im Herzen Kairos und doch scheinen sie sonst keine Gemeinsamkeiten zu haben. Der aristokratische Nostalgiker Zaki, der junge Pförtnersohn Taha, dessen größter Wunsch es ist Polizist zu werden, der homosexuelle Journalist Hatem, der seine Sexualität heimlich und von Ängsten verfolgt auslebt, die schöne und stolze Boussaïna, der die Naivität zum Verhängnis wird und Azzam, ein zwielichtiger und skrupelloser Geschäftsmann.
    Al Aswani zeichnet anhand der Lebensgeschichten seiner Protagonisten das heutige Ägypten mit all seinen Sonnen- und Schattenseiten. Die unkontrollierbare Korruption, die Unterdrückung und Ächtung der Frauen, die Untersagung und das Verpönen der Homosexualität, die Tendenz zum religiösen Fanatismus, die soziale Armut und die aus all diesen Phänomenen resultierende Dekadenz.
    Al Aswani zeichnet zugleich die Pracht der Liebe, die Tiefe der Verzweiflung, die Fülle der Gedanken, Nöte und Hoffnungen mit erfrischendem Humor und tiefem Respekt.
    Wiederholt fühlt sich der Leser in die Welt der Tausendundeinen Nacht versetzt, um eine Seite später in die nüchterne Realität zurückgeworfen zu werden. Ob angehende Terroristen, bestechliche Politiker, missbrauchte Prostituierte oder sehnsuchtsvoll Liebende, Al Aswani porträtiert ohne zu beurteilen, ohne zu verurteilen in einer bildreichen Sprache, die den Vergleich mit Gabriel Garcia Marquez oder Nagib Machfus nicht zu scheuen braucht.


    herzlichst: alixe

    [i][color=#000066][font='Verdana, Helvetica, sans-serif']Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand. [size=8](Erasmus von Rotterdam)

  • Nach der Rezi von Alixe habe ich mir hinter diesem Buch meines SUBs ein Ausrufezeichen gemacht, und dennoch hat es lange gedauert! Aber was lange dauert erweist sich ja oft als gut, und so fand ich die Lektüre dieses Buches sehr interessant.


    Es taucht uns in ein Land und gibt uns so einige Einblicke über Vorgänge, Themen, Probleme in Ägypten, und vielleicht auch darüber hinaus, manch andere islamische Gesellschaften?!
    Man befindet sich so z.B. zwischen dem Wettstreit mit dem Okzident und dessen Ablehnung, zwischen Laizismus und religiösem Extremismus, dem Wunsch, aus dem Sumpf zu kommen und gleichzeitig sich zu kompromittieren.
    Natürlich kann man mit der uns eigenen Prise Selbstgerechtigkeit vom Kulturschock reden, denn die beschrieben Verhältnisse in uns auslösen: die Allgegenwart der Korruption, die Oberflächlichkeit mancher formelhafter Religiösität (in unseren Augen) oder gar deren gewaltsame Instrumentalisierung, die Unterdrückung der Frau.


    Ohne nun dem einfach zu widersprechen, will ich herausstellen, was mich in diesen Themenbereichen besonders berührt hat, oder wie ich gelesen habe:


    Mir schien, dass man verschiedene Personen schnell in die „Opfer- oder Täterrolle“ schieben kann. Was mir auffiel war, dass fast alle Hauptpersonen des Buches auf die eine oder andere Weise früher oder später gedemütigt worden sind, zutiefst Scham erfahren haben infolge von Ungerechtigkeit etc. Ist uns bewusst – fragte ich mich – inwieweit manche Gewalt oder auch "Dummheit" (?) dann aus solchem erlittenen Leid entstanden ist? Gilt dies nicht – um aus dem engen Rahmen eines Hauses von Kairo hinauszugehen – auch für ein gewisses Lebensgefühl in manchen Ländern dieser Zonen (und im weiteren Sinne oft auch für uns selbst)?


    So wird der anfangs eher gerechte Taha durch Unrecht langsam dem Extremismus näher gebracht..., erfährt in der islamischen Parallelgesellschaft eine größere Gerechtigkeit, Gemeinschaft als in der säkularen.


    Auch in anderen Personen des Romans kann man ähnliche Reaktionen, Entwicklungen unterscheiden...


    Meine Anfrage oder auch mein Kritikpunkt am Buche wäre wohl, dass sich auch ein Land wie Ägypten nicht in diesen manchmal schematischen Darstellungen reduzieren lässt. Zumindest glaube ich fest daran, dass es (natürlich!) auch in diesem Land noch andere Charaktere und Lebenserfahrungen gibt – es wäre zu hoffen!


    Lesenswert!

  • Anfangs hat mich die Personenfülle verwirrt und den Einstieg nur schwer finden lassen, aber nach ca. 60 Seiten verflochten sich erste Stränge zu einem größeren Bild und danach hat's mich erwischt und ich konnte dieses beeindruckende Werk nicht mehr aus der Hand legen. Passend zur jeweiligen Thematik klingt abwechselnd ein lockerer humorvoller Ton, Mitgefühl, Heimatliebe oder Sarkasmus durch, die die Lektüre zu einer bunt gemischten Erfahrung macht. Mal fliegt man hoch, um dann ebenso wie die Charaktere in die Tiefe zu stürzen. Realistisch, glaubwürdig und fehlbar wie das Leben schreibt Aswani seine Hommage an Kairo und die Vielfalt der ägyptischen Gesellschaft.


    Ohne dass offen System- der Religionskritik ausgeübt wird, wird man zum Nachdenken angeregt und angeleitet, Moralvorstellungen zu hinterfragen. Gerade die angesprochenen Frauenschicksale haben mich beschäftigt, aber auch das Abdriften einer Hauptfigur von träumerischen, zielstrebigen Jugendlichen in den Fundamentalismus. Egal welcher Klasse oder welchem Geschlecht angehörend, ist jeder Charakter Glied in einer enggestrickten Kette. Einzelne Ereignisse bringen Wellen zum Schwingen und verändern Schicksale.


    Nach dem Auslesen habe ich wie immer etwas gegoogelt und dabei festgestellt, dass es eine Verfilmung gibt. Der Trailer sieht vielversprechend aus (leider nur auf arabisch mit englischen Untertiteln vorhanden):

    Trailer - Yacoubian Building

    She wanted to talk, but there seemed to be an embargo on every subject.
    - Jane Austen "Pride and prejudice" - +