Upton Sinclair - Der Dschungel / The Jungle

  • Der litauische Einwanderer Jurgis Rudkus kommt mit seiner Braut Ona samt einer im Grunde bäuerlichen Familie um 1900 nach Chicago. Alle finden Arbeit in den Schlachthäusern, aber die hygienischen und Sicherheitsstandards sind so niedrig, die Anforderungen so hoch, die Bedingungen so inhuman, die Bezahlung so erbärmlich, dass die gutwilligen, aber vertrauensseligen Immigranten keine Chance haben. Jurgis' Vater stirbt, er selbst verliert durch einen Unfall seine Arbeit, später auch seine Frau, die von einem Vorarbeiter vergewaltigt wurde. Ihr Kind stirbt, aus dem Haus, dessen Abzahlung von vornherein kaum möglich war, wird die Familie exmittiert. Auf illegalen Wegen ist er gezwungen, Geld zu verdienen. Als er sich sogar als Streikbrecher prostituiert hat, erkennt er die Notwendigkeit, systematisch für Reformen zu arbeiten und engagiert sich fortan für die Sache des Sozialismus.


    Das Buch beginnt beim Lebenshöhepunkt; beim gemeinsamen Glück von Jurgis und Ona - bei ihrer Heirat. Vorweg wird die Geschichte erzählt wie sie in die USA kamen, wie sie um ihr erspartes Geld betrogen wurden, wie sie aber in der Hoffnung leben, dass sie sich ne ordentliche Existenz aufbauen können. Jurgis wiederholt da seinen Satz, noch ist er jung und stark und unverbraucht, recht häufig: "Ich werde mehr arbeiten." Doch das erweist sich als Illusion. Er verliert aufgrund eines Arbeitsunfalls seinen Arbeitsplatz und ist für Monate arbeitsunfähig. Von da ab ist er verbraucht. Immer wieder sucht er Arbeit, immer wie der fällt es ihm schwer im "Dschungel" Chicago Arbeit zu finden. Seine Frau stirbt, weil sie seit ihrem ersten (und einzigen lebendem) Kind nie Zeit hatte sich von den Strapazen der Geburt zu erholen, weil sie aus dem Haus geworfen wurde während Jurgis im Gefängnis war. Sein einziger Sohn stirbt, weil er vor dem Haus spielen wollte und vom Holzplanken-"Bürgersteig" eineinhalb Meter hinabstürzt und ertrinkt. Und den Rest lässt Jurgis alleine, er streunt umher um sein Leben zu verbringen. Er arbeitet und verliert Arbeit, er hat eine Unterkunft und wird obdachlos, er betätigt sich im Untergrund und muss ihn wegen einer Streiterei verlassen, er bettelt und stiehlt. Hoffnung gibt ihm ein sozialistischer Redner, den er zufällig - auf der Suche nach Wärme - hört.
    Bisweilen wirft man Sinclair ja vor, dass er nur Dreck aufwühlt (so Präs. Roosvelt) - eine Tradition auf die sich ja auch ein Michael Moore beruft. Doch die Realität stellt er trotzdem dar. Und sie sieht eben im Chicago um 1900 recht trostlos aus - jedenfalls wenn man Arbeiter ist. Keine Unfallversicherung, Akkordarbeit, keine Aufstiegsmöglichkeiten, keine Sicherheiten, willkürliche Entlassungen bei schlechter Auftragslage, Prostitution um überleben zu können, Kinderarbeit - Armut allerorten. Auch wenns hierzulande momentan (noch) nicht so ist - so rührt das doch. Am Zweifeln bin ich, ob die Darstellung der Charaktere überzeugt. In gewisser Weise tut sie es nicht, wenn man eine charakterliche Tiefe erwartet oder moralische Zwiespälte, Zweifel über Zweifel etc. Das Alles ist nicht im entsprechenden Maße vorhanden, das lässt die Geschichte mitunter auch etwas befremdlich wirken. Glaubwürdig ist es dennoch - schließlich ist ihnen auch Schmerz schon Luxus - was soll sich Einer, der ums Überleben kämpft, denn auch groß für Gedanken machen? Die Authenzität ist vorhanden und das macht das Buch so interessant.

    Warum ich Welt und Menschheit nicht verfluche?
    - Weil ich den Menschen spüre, den ich suche.

    - Erich Mühsam

  • Das Buch hatte ich für die Klassikerchallenge 2022 gelesen.


    Hier mein Eindruck, aus dem o.a. Thread kopiert:


    Empfehlenswert für alle, die an den Themen Schlachthöfe/Lebensmittel/Arbeitsbedingungen/Tierschutz interessiert sind.

    Der Autor recherchierte hierzu um 1905 in den berüchtigten Schlachthöfen von Chicago und baute die Erkenntnisse in die fiktive Geschichte einer ukrainischen Auswandererfamilie ein.


    Wirklich unglaublich, welche Zustände in diesen Fabriken herrschten, egal ob Schlachtung oder Weiterverarbeitung, Konservenfabrik oder - ganz schlimm - Düngerherstellung!

    Das Fleisch kann noch so verdorben sein, es wird derart mit chemischen Zusätzen verarbeitet, dass es noch als Lebensmittel verkauft werden kann.

    Massen von Tieren und Massen von Menschen wurden in dieser Maschinerie gandenlos zugrunde gerichtet.


    Der zweite Teil des Buches besteht aus der politischen „Erweckung“ der Hauptfigur hin zum Sozialismus, wirkt eher fragmentarisch und belehrend, weshalb der Gesamteindruck auf 3,5 Sterne hinauslief.

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Upton Sinclair - Der Dschungel“ zu „Upton Sinclair - Der Dschungel / The Jungle“ geändert.