Michael Winterhoff - Warum unsere Kinder Tyrannen werden

  • Oder: Die Abschaffung der Kindheit


    Inhalt (von amazon):
    Kleinkinder außer Rand und Band, Zehnjärige, für die Respekt vor Eltern und Lehrern ein Fremdwort ist, 17-jährige, die nicht mehr arbeitsfähig sind - Kinder an die Macht?
    Gesellschaftliche Fehlentwicklungen und eigene Probleme von Erwachsenen verhindern, sich abgegrenzt und strukturierend gegenüber dem Kind zu verhalten und diesem dadurch eine normale Entwicklung seiner Psyche zu ermöglichen. Stattdessen wird es zunächst partnerschaftlich, dann symbiotisch vereinnahmt und kann niemals eine eigene Persönlichkeit entwickeln.


    Der Autor:
    Dr. med. M. Winterhoff, geb. 1955, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er studierte Humanmedizin in Bonn und ist als Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie seit 1988 in eigener Praxis niedergelassen. Er befasst sich schwerpunktmäßig mit dem aktuellen Störungsbild der psychischen Entwicklungsstörungen im Kindes- und Jugendalter aus tiefenpsychologischer Sicht. Winterhoff analysiert Familiensysteme auch auf dem Boden gesellschaftlicher Veränderungen. Als Sozialpsychiater hat er sich darüber hinaus im Bereich der Jugendhilfe einen Namen gemacht.


    Mein Eindruck:
    Meine Tante gab mir das Buch mit den Worten: "Ich bin nun seit 24 Jahren Lehrerin; doch nach dieser Lektüre habe sogar ich noch etwas dazugelernt."
    Mit dementsprechend hohen Erwartungen ging auch ich an das Buch heran.


    Vorweg muss ich erwähnen, dass ich eher abgeneigt gegenüber Erziehungsratgebern bin. Im Nachhinein habe ich festgestellt; dass das vorliegende Buch keineswegs unter diese Kategorie fällt, was meiner Abneigung aber keinen Abbruch tut.


    Die Kernaussage des Buches ist, dass man Kinder wieder Kinder sein lassen soll. Viel zu oft werden sie wie kleine Erwachsene behandelt; in diverse Entscheidungsprozesse miteinbezogen, was zu einer Überforderung der Kinder führt. Vielmehr sind klare Strukturen, Abgrenzungen, Regeln gespickt mit Zuwendung bedeutend wertvoller.
    Der die letzen Jahre "vorherrschende" Antiautoritäre Erziehungsstil führt laut Winterhoff dazu, dass diese Kinder als Erwachsene beziehungs- und arbeitsunfähig werden und sich nicht in die Gesellschaft eingliedern können.
    Ist das wirklich die große Neuigkeit?


    Das Buch hat einen eher negativen Beigeschmack; zeigt uns die schlimmsten Szenarien und Folgen.
    Einige Fallbeispiele aus seiner Praxis sind im Buch enthalten; jedoch zeigt uns der Autor keine Lösungsansätze. Diese Tatsache hat mich bis zum Schluss geärgert; doch im letzen Satz weist Winterhoff explizit darauf hin.


    Am interessantesten waren die letzten beiden Kapiteln. Hier hat der Autor das Thema in sehr verständlicher Weise zusammengefasst und meiner Meinung nach würde es genügen, diese zu lesen.

    Jede Minute, die man lacht, verlängert das Leben um eine Stunde. (Chinesisches Sprichwort)

    Wer Bücher kauft, kauft Wertpapiere. (Erich Kästner)

  • @ Christinale. Nachdem Nina 552, die zwar über das Buch diskutieren, aber offenbar keine Rezi dazu schreiben wollte, sang- und klanglos verschwunden ist, ist es schön, dass Du das übernommen hast. Aber wie Du schon schreibst, scheint das Buch nichts Neues zu bringen. Ich bin auch kein Freund von Erziehungsratgebern und sowieso der Meinung von Thomas Mann, dass Erziehung in erster Linie Atmosphäre (im Elternhaus) ist. Danke aber für die informative Vorstellung!


    Gruß mofre

    :study: Olga Tokarczuk - Gesang der Fledermäuse

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















  • Ich bin auch kein Freund von Erziehungsratgebern und sowieso der Meinung von Thomas Mann, dass Erziehung in erster Linie Atmosphäre (im Elternhaus) ist.


    Nicht ausschließlich, aber doch zu einem großen Teil. :thumright:

    Jede Minute, die man lacht, verlängert das Leben um eine Stunde. (Chinesisches Sprichwort)

    Wer Bücher kauft, kauft Wertpapiere. (Erich Kästner)

  • Das Buch steht leider nicht in meinem Bücherregal, da ich es nur ausgeliehen hatte.
    @ Christinale: Ok, ich schreib trotzdem mal was dazu.
    Du hast recht, es sind nicht wirklich Neuigkeiten, die in diesem Buch stehen. Und die Beispiele sind wirklich krass! :pale:
    Mir hat das Buch gefallen, weil ich mich dadurch bestätigt gefühlt habe. So in etwa versuche ich meine Kinder zu erziehen.
    Die Beispiele waren heftig, aber mir war wirklich nicht klar, was schlimmstenfalls daraus werden könnte, wenn die Kinder nicht mehr Kinder sein dürfen! :shock:

    Ich :study: gerade:
    "Das Lied von Eis und Feuer 4 - Die Saat des goldenen Löwen" von George R.R. Martin (Kindle)




  • Das Buch steht leider nicht in meinem Bücherregal, da ich es nur ausgeliehen hatte.


    Meines war auch nur ausgeliehen.
    Danke für deinen Kommentar.


    Die Kernaussage "Kinder sollen Kinder sein dürfen" unterstütze ich ja voll und ganz. Bei gewissen Sachen im Buch kam mir aber sprichwörtlich die Galle hoch. Etwa als es darum ging, dass Winterhoff schreibt, Kinder hätten zu warten, wenn Erwachsene miteinander reden. Wie kommen Kinder dazu, die Erwachsenen zu unterbrechen. :puker:
    Es gab noch mehr solcher Beispiele. Leider ist es schon eine Weile her, dass ich das Buch gelesen haben und Gott sei Dank habe ich vieles wieder vergessen. 8)

    Jede Minute, die man lacht, verlängert das Leben um eine Stunde. (Chinesisches Sprichwort)

    Wer Bücher kauft, kauft Wertpapiere. (Erich Kästner)

  • Bei gewissen Sachen im Buch kam mir aber sprichwörtlich die Galle hoch. Etwa als es darum ging, dass Winterhoff schreibt, Kinder hätten zu warten, wenn Erwachsene miteinander reden. Wie kommen Kinder dazu, die Erwachsenen zu unterbrechen. :puker:

    Auf der anderen Seite finde ich es aber heutzutage auch übertrieben, wenn immer sofort auf das Kind reagiert werden muß. Er hat ja dann auch erklärt, daß das Kind dann nicht lernen kann, daß es nicht der Mittelpunkt der Welt ist! Ich möchte nicht immer sofort mein Gespräch unterbrechen, wenn mein Kind etwas von mir will. Und je älter das Kind, desto häufiger kann es auch mal ein bischen warten. Erwachsene müssen das schließlich auch, oder?

    Ich :study: gerade:
    "Das Lied von Eis und Feuer 4 - Die Saat des goldenen Löwen" von George R.R. Martin (Kindle)




  • Mir gefällt nicht, wie Winterhoff dies rüberbringt. "Du bist das Kind, ich der Erwachsene, also hast du zu warten."
    Ich denke dann immer an solche Horrorsätze, wie " Sei jetzt leise, wenn Erwachsene miteinander reden."


    Ist schon richtig, dass auch wir Erwachsene warten "müssen". Aber wir tun dies aus einer gewissen Höflichkeit heraus und nicht, weil wir jetzt "weniger wert sind" (ich kann es nicht anders ausdrücken, hoffe du weißt, was ich meine).

    Jede Minute, die man lacht, verlängert das Leben um eine Stunde. (Chinesisches Sprichwort)

    Wer Bücher kauft, kauft Wertpapiere. (Erich Kästner)

  • Obwohl ich das Buch nicht gelesen habe, finde ich die Kernaussage "Kinder sind keine kleine Erwachsenen" schon mal echt wichtig! :!: Ich habe so oft mit verzogenen Bamsen zu tun, dass ich total verblüfft bin, wenn mir mal ein braves Kind über den Weg läuft. :lol: Ich kenne Fälle, wo Kinder achtlos alles kaputtmachen und die Eltern so tun, als gehöre der Wüterich nicht zu ihnen, oder der "bösen Tante" (ich!) den schwarzen Peter in die Schuhe schieben ("Gleich wird die Tante böse!"). Wenn ich dann tatsächlich reagiere und das Kind sachlich ermahne, ernte ich häufig irritierte Blicke der Eltern. Manche sind dann sogar richtig sauer, dass ich es gewagt habe, das Wort an ihren Goldschatz zu richten.
    Ich mag Kinder im allgemeinen, aber sie sollten ihre Grenzen aufgezeigt bekommen, und wenn es anders nicht geht, auch mal mit einem leichten Klaps auf den Po statt einem verzweifelten Lachen (das das Kind zu weiteren Schandtaten ermutigt). Nicht dass ihr mich falsch versteht, aber das Thema Erziehung ist heuer sehr heikel. Und wenn ich mich so umschaue, wird mir manchmal doch bang, dass gewaltbereite, respektlose, egoistische Kinder/Jugendliche unsere Zukunft sind ...

  • Ist schon richtig, dass auch wir Erwachsene warten "müssen". Aber wir tun dies aus einer gewissen Höflichkeit heraus und nicht, weil wir jetzt "weniger wert sind" (ich kann es nicht anders ausdrücken, hoffe du weißt, was ich meine).

    Aber die Kinder müssen diese Höflichkeit doch lernen. Wenn sie erst erwachsen sind, bis sie es tun müssen, dann wird es schwierig!
    Daß die Kinder weniger wert sind, so habe ich das Buch nicht verstanden... [-(

    Ich :study: gerade:
    "Das Lied von Eis und Feuer 4 - Die Saat des goldenen Löwen" von George R.R. Martin (Kindle)




  • Die Diskussion hier ist ziemlich interessant. Zum Beispiel das Stichwort "Kinder sind keine kleinen Erwachsenen" oder "Kinder hätten zu warten, wenn Erwachsene miteinander reden".
    Ich stelle gleich (hoffentlich schläft meine Tochter noch so lange) meine Rezension zum Buch "Sehnsucht nach Bullerbü - Gebt euren Kindern die Kindheit zurück" ein. Darin werden obige Themen teilweise erläutert. Zum Beispiel die Sache mit den kleinen Erwachsenen. Wir machen sie ja regelrecht dazu - man denke an die 1:1 Kleidung im Vergleich zu uns Erwachsenen. Und was das Thema "Kinder haben zu warten, wenn Erwachsene reden" angeht könnte man doch auch sagen: Muß es dann umgekehrt sein, wenn Kinder in der Wohnung herumbrüllen und zwei Erwachsene keine vernünftige Unterhaltung führen können, daß die Erwachsenen jedes Gespräch unterbrechen, wenn eines der Kinder angelaufen kommt? usw.

  • Daß die Kinder weniger wert sind, so habe ich das Buch nicht verstanden... [-(


    Ich habe das ganze Buch auch nicht so verstanden. Bei dieser einen Stelle hatte ich schon dieses Gefühl und deshalb ist sie mir so gut im Gedächtnis geblieben.


    Aber die Kinder müssen diese Höflichkeit doch lernen. Wenn sie erst erwachsen sind, bis sie es tun müssen, dann wird es schwierig!


    Für mich war es als Erwachsene nicht schwierig. :wink:


    Ich denke, wir geben doch unser Bestes für unsere Kinder. Erziehung ist keine leichte Sache; für mich jeden Tag eine neue Herausforderung und des Öfteren habe ich mich auch schon richtig hilflos gefühlt.
    Wie alt sind denn deine Kinder, Frauke74? Mein Sohn ist jetzt fünf.


    frl_smilla: Ich habe deine Rezi gelesen und werde dort auch etwas dazuschreiben. :winken:

    Jede Minute, die man lacht, verlängert das Leben um eine Stunde. (Chinesisches Sprichwort)

    Wer Bücher kauft, kauft Wertpapiere. (Erich Kästner)

  • Ich denke, wir geben doch unser Bestes für unsere Kinder. Erziehung ist keine leichte Sache; für mich jeden Tag eine neue Herausforderung und des Öfteren habe ich mich auch schon richtig hilflos gefühlt.
    Wie alt sind denn deine Kinder, Frauke74? Mein Sohn ist jetzt fünf.

    So sehe ich das auch!
    Meine Tochter (siehe Avatar) ist jetzt fünf und mein Sohn drei. :love:
    Sie dürfen mich schon unterbrechen, wenn es wichtig ist, aber manchmal müssen auch sie warten! :wink:

    Ich :study: gerade:
    "Das Lied von Eis und Feuer 4 - Die Saat des goldenen Löwen" von George R.R. Martin (Kindle)




  • Jede Minute, die man lacht, verlängert das Leben um eine Stunde. (Chinesisches Sprichwort)

    Wer Bücher kauft, kauft Wertpapiere. (Erich Kästner)

  • Dann bin ich auf deine Meinung gespannt, Frauke74.
    Ich habe das Buch heute zufällig bei amazon entdeckt, werde es aber nicht lesen. :wink:

    Jede Minute, die man lacht, verlängert das Leben um eine Stunde. (Chinesisches Sprichwort)

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  • Ich lehne mich jetzt mal ein wenig aus dem Fenster. Mir hat das Buch nicht gefallen. Zwar habe ich keine eigenen Kinder, aber als ich 10 Jahre alt war (also vor 12 Jahren) wurde ich von meinen Eltern zu Dr. Winterhoff geschleppt. Ob seine Erziehungsmethoden nun gut oder schlecht sind, wage ich nicht zu beurteilen. Aber in jedem Fall sind sie sehr speziell und nicht jedermanns Sache. So wie auch in seinen Büchern, gibt er viele wertvolle Tipps, die er aber meiner Meinung nach in einer herabwürdigen Art und Weise rüberbringt. Verständlich, dass ich mit 10 Jahren unreflektiert auf diese Methoden reagiert habe, aber auch heute finde ich einige Erziehungsmaßnahmen sehr denkwürdig, da meiner Meinung nach zu wenig mit Motivation, und zu viel mit Strafen gearbeitet wird.


    Grundsätzlich muss glaub ich jeder für sich selbst entscheiden, was er für richtig hält. Das Meine ist es nicht.

    "Liebe die Kunst in dir und nicht dich in der Kunst" - Stanislawski


    :study: J.K. Rowling - Harry Potter und die Heiligtümer des Todes

  • Dies ist, das muss ich gestehen, mein erster "Erziehungsratgeber" den ich lese. Ich hab noch keine Kinder und deshalb war dieses Thema bis vor kurzem noch nicht wirklich aktuell. Da für mich jedoch seit einer Weile die Frage im Raum steht, ob ich selbst mal Kinder haben möchte, mache ich mir auch immer mehr Gedanken über unsere Welt und die heutigen Kinder. Es erschreckt mich doch sehr, wie sehr sich die Kinder im Gegensatz zu "meiner Kindheit" verändert haben. Für mich war bis zu diesem Buch nicht klar, was der Grund für die Veränderung sein könnte.


    Nach dem lesen sind mir nun doch so einige Lämpchen aufgegangen und möchte behaupten, dass Michael Winterhoff wohl das Kernproblem entdeckt hat. Ich bin sehr froh, dieses Buch gelesen zu haben bevor ich die selben Fehler wie tausend andere Eltern begehen werde.


    Sehr positiv ist mir auch der doch recht einfache Schreibstil aufgefallen. Man liesst das Buch dadurch recht zügig durch und muss nicht bei jedem 2. Satz überlegen, wie das den nun gemeint sein könnte. In meinen Augen genau das richtige, damit möglichst viele Menschen damit angesprochen werden. Und somit auch vielen Kindern geholfen werden kann.

    Auch das schlechteste Buch hat seine gute Seite: die letzte
    :P
    John Osborne


  • Ich hab das Buch in der Bücherei ausgeliehen und nun bekommen und gelesen. Hmm, vielleicht bin ich wieder mal mit falschen Vorstellungen ins Lesen gegangen, denn es ist jedenfalls kein Ratgeber sondern halt nur ein Informationsbuch.


    Im wesentlichen werden teilweise Extrembeispiele gezeigt, was passiert oder passieren kann, wenn man Kinder nicht KIND sein läßt.


    Die Bespiele find ich allerdings schon sehr streng oder weithergeholt. Ganz arg zB beim Thema fehlende Mobilität und fehlende Motorik der Kinder: Kiddy-Boards findet er "pervers" (SEINE Worte, nicht meine). Oder ein Fall, in dem die Mutter das Kind immer gefragt hat, wann es aus dem Kindergarten abgeholt werden will - das ging dann in Richtung "Das Kind bestimmt über die Eltern" - und das darf nicht sein. Oder das Kind wirft sich mit einem Wutanfall auf den Boden und die Mutter hilft ihm dann auf - soll auch nicht sein, denn es hat sich ja alleine runtergeworfen usw.


    Überhaupt hatte ich den Eindruck, der Autor leidet am "Wo sind die guten alten Zeiten"-Syndrom. Früher sagte man "das geht dich nichts an" und Ende. Heute diskutiert man mit 7jährigen berufliche Probleme. Das stimmt allerdings, aber ich glaube, daß ich als Kind auch keine Ruhe gelassen hab, wenn jemand zu mir sagte "Das ist ein Erwachsenenthema" :wink:

    Tipps, Fehler zu vermeiden oder wie man an manche Dinge rangehen soll, zeigt der Autor nicht. Wahrscheinlich erhofft er sich so, daß mehr Leute in seine Praxis kommen
    :roll: Viel kann ich daher nicht aus dem Buch "mitnehmen".

    Auch würde mich die Meinung anderer Psychologen zum Buch interessieren, ob die diese Dinge, die er aufzeigt auch so sehen zB Das Kind ist KEIN Teil von mir. Oder der Punkt, in welchem er aufzeigt, daß die heute gängigen Kindergärten nach dem partnerschaftlichen Konzept geführt werden, was er auch nicht für richtig hält.


    Das Buch ist zwar recht informativ und großteils klar geschrieben. Trotzdem oder dennoch vergebe ich "nur" :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: (weil es eben nur Theorie ist).



    Eines muß ich aber schon auch sagen: dieser große Ehrgeiz der Eltern, der immer an den Tag gelegt wird ("Mein Kind ist ja so selbständig/willensstark/usw"), wird immer beängstigender. Darüber hab ich heute nachgedacht, als ich im KURIER den Artikel über das 13jährige Mädchen gelesen habe, das alleine in einem Boot die Welt umsegeln wollte. Oder eine 7jährige, die als erstes Kind Amerika überfliegen wollte (und dann bei einem Crash starb). DAS sind sicher keine Wünsche und Ideen der Kinder!

  • Hallo,
    ich habe das Buch von einer Freundin geliehen bekommen und bin froh, wenn ich es wieder zurückgeben kann.


    Zum einen ist es ja wirklich nicht neu, was Herr Winterhoff da schreibt, dass die antiautoritäre Erziehung langfristig nicht das Gelbe vom Ei ist, dürfte mittlerweile ja allgemein anerkannt sein. Auch dass man seine Kinder nicht als kleine Erwachsene behandeln und um Rat fragen soll etc, wurde ja bereits ausführlich in TV und Medien thematisiert. Aber gut, er fasst es halt nochmal zusammen.


    Was mich besonders stört ist nicht nur der krampfhaft wissenschaftliche Schreibstil, sondern auch das unkommentierte Aneinanderreihen besonders extremer Situationen aus seiner Praxis, ohne dass er auf diese näher eingeht. Klar, er will kein Ratgeber sein - aber was bringt es mir dann als Leser, diese Rückblicke zu lesen??


    Außerdem scheint Herr Winterhoff längere Zeit keinen Babys begegnet zu sein, da er schreibt:

    Zitat

    "So wird ein Neugeborenes im Allgemeinen, wenn es Hunger hat, nicht schreien, da es noch gar nicht sehen kann, ob [...] Mutterbrust oder Flasche in der Nähe sind. [...] Das typische Baby-Schreien setzt erst nach vier bis sechs Wochen ein [...] dann [...] ist das Schreien ein Ausdruck der Wut."


    Ich beschränke mich mal darauf zu schreiben, dass ich NICHT mit diesem Zitat konform gehe.


    LG schnakchen

  • So, heute zur Abwechslung einmal eine etwas andere Rezension und eine Lanze, die ich für Winterhoff breche. 8)

    Einige Fallbeispiele aus seiner Praxis sind im Buch enthalten; jedoch zeigt uns der Autor keine Lösungsansätze. Diese Tatsache hat mich bis zum Schluss geärgert; doch im letzen Satz weist Winterhoff explizit darauf hin.

    Winterhoff zeigt in seinem Buch sehr wohl Lösungsansätze auf. Natürlich schildert er in erster Linie Situationen und beschreibt, das Verhalten der Eltern, dass zum unmöglichen Verhalten der Kinder führt. Der aufmerksame Leser sollte jedoch selbst seine Rückschlüsse ziehen können, was da anders laufen muss. Das ist nämlich genau das Problem, das Winterhoff anprangert. Man hat selbst keine Vorstellung, wie es sein soll, also diagnostiziert man und schiebt die Kleinen zu den Psychologen/Erziehern/Lehrern ab, die es dann richten sollen. Am liebsten wäre manchen Eltern wohl eine Art Gebrauchsanweisung für das Kind, die beschreibt, was wann am besten zu tun ist (und auch das erwähnt Winterhoff indirekt in seinem Buch).


    Bei gewissen Sachen im Buch kam mir aber sprichwörtlich die Galle hoch. Etwa als es darum ging, dass Winterhoff schreibt, Kinder hätten zu warten, wenn Erwachsene miteinander reden. Wie kommen Kinder dazu, die Erwachsenen zu unterbrechen. :puker:

    Natürlich. So etwas nennt sich Anstand, den man den Kindern in jungen Jahren auch erst beibringen muss. Dazu gehört eben nicht nur, dass es lernt DANKE und BITTE zu sagen, sondern auch andere Regeln des Zusammenlebens. Das Kind steht eben NICHT immer und überall im Mittelpunkt, sondern muss auch einmal lernen warten zu können, bis es an der Reihe ist.


    Man stellt sich gar nicht vor, welche Defizite nicht wenige Kinder und Jugendliche hier aufweisen. Ich erlebe das in der Schule jeden Tag. Kinder sind eben keine gleichberechtigten Partner neben den Erwachsenen in allen Bereichen, sondern müssen auch lernen, wo ihr Platz ist, was sich gehört und was nicht. Man nennt das Erziehung.



    Mir gefällt nicht, wie Winterhoff dies rüberbringt. "Du bist das Kind, ich der Erwachsene, also hast du zu warten."
    Ich denke dann immer an solche Horrorsätze, wie " Sei jetzt leise, wenn Erwachsene miteinander reden."

    Genau so sollte es sein. Wenn der Kuchen spricht, dann haben die Krümel Pause. Kinder sind Kinder und Erwachsene sind Erwachsene. Sie auf die gleiche Ebene mit den Erwachsenen zu stellen ist genau das Problem, das Winterhoff sieht. Es geht sicherlich nicht darum, die Kinder böse abzuweisen, aber es sollten klare Grenzen aufgezeigt werden, damit sich die Psyche des Kindes entsprechend entwickeln kann.



    Ist schon richtig, dass auch wir Erwachsene warten "müssen". Aber wir tun dies aus einer gewissen Höflichkeit heraus und nicht, weil wir jetzt "weniger wert sind" (ich kann es nicht anders ausdrücken, hoffe du weißt, was ich meine).

    Das hat Winterhoff auch nicht gemeint. Von "weniger wert" ist in dem ganzen Buch nichts zu finden. Sicher warten die Erwachsenen aus Höflichkeit heraus, weil sie es nämlich in ihrer Kindheit von ihren Eltern auch so gelernt haben, was höflich ist und was nicht (s. o. mehr als DANKE und BITTE). Manche Erwachsene können das jedoch auch heute noch nicht. ich zum Beispiel kann es gar nicht ab, dass jemand einfach hineinplatzt, wenn ich mich mit jemand anderem unterhalte. das gehört sich einfach nicht. Wenn man schon dringend stören muss, dann kann man wenigstens vorher kurz "Entschuldigung" sagen.
    Aber woher soll ein Kind solche Dinge denn wissen, wenn man es ihm nicht sagt und beibringt? Wenn man ihm nicht klare Regeln vorschreibt und Grenzen zieht? Von selbst wird es im alter von 3-5 Jahren sicher nicht drauf kommen zu wissen was höflich ist und was nicht. Ist ja auch normal. ES SIND KINDER.


    Dem Kind Regeln aufzuzeigen hat bestimmt nichts mit "weniger wert" zu tun. Umgekehrt ist es genau DAS große Problem. Das Kind soll in seiner Entwicklung nicht gleichwertig wie ein Erwachsener gesehen werden. Es soll Kind bleiben können und die Dinge von den Erwachsenen lernen, die ihm als Erwachsener später nützen.



    Ich mag Kinder im allgemeinen, aber sie sollten ihre Grenzen aufgezeigt bekommen, und wenn es anders nicht geht, auch mal mit einem leichten Klaps auf den Po statt einem verzweifelten Lachen (das das Kind zu weiteren Schandtaten ermutigt). Nicht dass ihr mich falsch versteht, aber das Thema Erziehung ist heuer sehr heikel. Und wenn ich mich so umschaue, wird mir manchmal doch bang, dass gewaltbereite, respektlose, egoistische Kinder/Jugendliche unsere Zukunft sind ...

    Jeden Tag habe ich die in der Schule, in jeder Klasse, in jeder Unterrichtsstunde. Zwar nicht die Masse der Schüler, aber doch auch nicht wenige. Das geht bis in die höheren Klassen (9./10.) hinauf, in denen man eigentlich vermuten sollte, dass die Jugendlichen eine bestimmte geistige Reife mitbringen. :-k


    Verständlich, dass ich mit 10 Jahren unreflektiert auf diese Methoden reagiert habe, aber auch heute finde ich einige Erziehungsmaßnahmen sehr denkwürdig, da meiner Meinung nach zu wenig mit Motivation, und zu viel mit Strafen gearbeitet wird.

    Ich denke, dass beides seine Berechtigung hat. Sowohl die Motivation, als auch (angemessene) Sanktionen. Es ist schon erschreckend, was manche Eltern ihren Kindern heutzutage alles durchgehen lassen. Das schlimme dabei ist noch, dass diese Eltern es als ganz normal betrachten, wie ihre Kinder sich verhalten und keinen Bedarf darin sehen überhaupt etwas zu ändern. Diese Eltern hätten mit Winterhoffs Buch sicherlich so ihre Probleme: "Wie kann man nur den armen Kleinen etwas vorschreiben...?"



    Tipps, Fehler zu vermeiden oder wie man an manche Dinge rangehen soll, zeigt der Autor nicht. Wahrscheinlich erhofft er sich so, daß mehr Leute in seine Praxis kommen :roll: Viel kann ich daher nicht aus dem Buch "mitnehmen".

    Google am besten mal nach "Gebrauchsanweisung für Kinder". Vielleicht findest Du dann was passendes. :wink:
    Im Ernst. Es gibt sicher nicht die ultimative Lösung für alle möglichen Alltagssituationen mit Kindern, genausowenig, wie es hierfür Gebrauchsanweisungen gibt (obgleich Erziehungsberater reißenden Absatz finden).
    Es würde jedoch schon helfen, wenn man versucht seine eigenen Schlüsse aus dem Buch zu ziehen und umzusetzen. Wenn Winterhoff zum Beispiel das Problem des "Bekletterns" beschreibt, das Erwachsene einfach ignorieren, weil sie das Kind als (Körper-)Teil von sich betrachten (-> Symbiotische Eltern-Kind-Beziehung), wie könnte man da wohl als Erwachsener reagieren? Ich denke die Lösung hierfür sollte man recht einfach selbst finden können...



    Auch würde mich die Meinung anderer Psychologen zum Buch interessieren, ob die diese Dinge, die er aufzeigt auch so sehen zB Das Kind ist KEIN Teil von mir. Oder der Punkt, in welchem er aufzeigt, daß die heute gängigen Kindergärten nach dem partnerschaftlichen Konzept geführt werden, was er auch nicht für richtig hält.

    Unserem Lehramtsseminar (angehende Studienräte) wurde dieses Buch (und auch die anderen Bücher von Winterhoff) im Rahmen der psychologischen Ausbildung von der Schulpsychologin als Lektüre nahegelegt. Das Buch ist sehr gut und beschreibt anhand von vielen Beispielen die Problematik. Dabei gibt es auch Hinweise, wie Probleme gelöst werden können, allerdings keine explizite Gebrauchsanweisung, die sich viele Eltern wahrscheinlich wünschen würden. Aber das wäre sicher auch nicht möglich, weil es hier um Menschen geht und die sind nunmal sehr verschieden.


    Was mich besonders stört ist nicht nur der krampfhaft wissenschaftliche Schreibstil, sondern auch das unkommentierte Aneinanderreihen besonders extremer Situationen aus seiner Praxis, ohne dass er auf diese näher eingeht.

    Der Schreibstil ist alles, nur nicht krampfhaft wissenschaftlich. Er ist, im Gegenteil, sehr einfach gehalten und klar verständlich. Winterhoff reiht auch nicht einfach Dinge unkommentiert aneinander, sondern die Beispiele stehen im Zusammenhang mit seinen Erläuterungen der Problematik in den Kapiteln davor und danach. Es stimmt, dass er nicht auf alle Situationen näher eingeht. Da man diese jedoch als Beispiele für seine Ausführungen zu sehen sind, ist das auch nicht immer nötig. Es sind einfach nur begleitende Beispiele.


    Mein Fazit:
    Die im Buch beschriebenen Probleme und die damit verbundene Thematik scheint zwar nichts Neues zu sein, dennoch bringt Winterhoff sie auf den Punkt und legt die psychologischen Hintergründe für delinquentes Verhalten bei Kindern/Jugendlichen dar. Das Buch ist leicht verständlich geschrieben, enthält eine Vielzahl von Beispielen aus Winterhoffs beruflicher Praxis, bietet dem Leser/der Leserin jedoch keine vorgefertigten Lösungsansätze. Letztere sind jedoch auch kaum möglich, da die Situationen im Alltag und die Beteiligten Personen viel zu verschieden sind, als dass man ein allgemeingültiges Rezept zur Problembewältigung geben könnte. Das Buch ist ein guter Ratgeber und ich kann es jedem empfehlen, der privat und/oder beruflich mit der Erziehung von Kindern zu tun hat.


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