Jakob Hein - Vor mir den Tag und hinter mir die Nacht

  • Die Idee mit der Agentur für verworfene Ideen von Boris finde ich sehr gut. Auch an den drei Geschichten, die Jakob Hein in seinem Buch untergebracht hat, habe ich nichts auszusetzen. Aber dennoch ist es nicht gelungen, die drei Handlungsstränge miteinander zu verknüpfen. Vieles bleibt sehr oberflächlich und wird nur kurz angedeutet.
    Die Charaktere sind zwar alle gut gelungen, aber ich hätte zum Beispiel über Boris und Rebecca gerne noch mehr erfahren. Positiv ist mir außerdem Heins Sprache aufgefallen, die Methapern und Vergleiche haben mir sehr gut gefallen.
    Die Grundidee ist meiner Meinung nach also gut, allerdings hätten der Menge an Inhalt ein paar mehr Seiten nicht geschadet. Sonst ein ganz nettes Buch für einen Abend, aber nichts besonderes,

    "Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz."
    Cornelia Funke "Tintenherz"


    :study: Henning Mankell - The man from Beijing

  • Es fällt mir schwer, "Vor mir den Tag und hinter mir die Nacht" zu bewerten. Auf der einen Seite hat der Schreibstil mir gut gefallen und die einzelnen Ansätze der verschiedenen Handlungsstränge konnten mich weitgehend überzeugen. Auf der anderen Seite fand ich, dass das Buch irgendwie unfertig wirkte; es werden zwar ganz bewusst die Anfänge von mehreren Geschichten erzählt, die alle ineinander verschachtelt sind, doch ich hätte gerne mehr erfahren und die einzelnen Enden waren für mich irgendwie unbefriedigend. Vermutlich lag dies daran, dass ich andere Erwartungen an das Buch hatte.


    Aus dem Klappentext geht zwar hervor, dass es um eine Geschichte in einer Geschichte in einer Geschichte gehen wird, doch die Inhaltsangabe auf dem Buchrücken verrät nur, dass Boris Rebecca einen Romananfang erzählt und deshalb war ich bei der Lektüre überrascht. Vielleicht hätte ich die offenen 'Enden' besser gefunden, wenn ich schon damit gerechnet hätte. Es ist auf jeden Fall eine interessante Idee, einfach dort aufzuhören, wo viele Bücher erst richtig beginnen würden, und dies gleich mehrere Male. Dennoch hat mir ein wenig der inhaltliche Zusammenhang gefehlt, auch wenn das Buch zum Nachdenken anregt.


    Trotz der Kürze der einzelnen Erzählungen hat der Autor die verschiedenen Charaktere recht gut ausgearbeitet und ich hatte definitiv Interesse daran, mehr über sie zu erfahren, weshalb ich es schade fand, dass es keine weiteren Informationen gab. Die Figuren sind teilweise sehr ungewöhnlich und ihr Zusammenspiel untereinander hat durchaus funktioniert, was es auch musste, da die Handlungsstränge hauptsächlich dadurch getragen wurden. Allerdings gab es ein paar Personen, die mir etwas zu blass geblieben sind, was sich wohl durch die Länge des Buches und den ausschnitthaften Einblick in das Leben der Charaktere erklären lässt. Tatsächlich muss ich sagen, dass ich die Figuren, die man zu Beginn kennen lernt, am interessantesten fand und ich gerne mehr über Boris und Rebecca gelesen hätte.


    Wie bereits erwähnt vermute ich, dass das Buch mir besser gefallen hätte, wenn ich gewusst hätte, dass der Autor hier mehrere Geschichten in einer erzählen würde. So konnte ich mich leider nicht vollständig auf "Vor mir den Tag und hinter mir die Nacht" einlassen, obwohl ich das Konzept an sich ziemlich interessant finde. Da ich dennoch eine angenehme Lektüre hatte, habe ich :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: vergeben.

    Carpe Diem.
    :study: Yrsa Sigurðardóttir - Gespenstisches Island

    2024 gelesen: 13 Bücher | gehört: 4 Bücher

  • Es ist schon ewig her, dass ich das Buch gelesen habe und ich kann mich nur noch an ein angenehmes Lesegefühl erinnern ... aber ich habe tatsächlich noch meine Meinung von damals wiedergefunden:


    Boris hat ein ganz besonderes Geschäft gegründet: eine Agentur für verworfene Ideen. Dort sammelt er alle möglichen Ideen, die nie über das bloße Gedachtwerden hinausgekommen sind, in der Hoffnung, irgendwann einmal etwas daraus machen zu können.


    Eines Tages sucht ihn dort die hübsche Rebecca auf, seine Traumfrau, und überredet ihn, ihr etwas zu erzählen, was er vorher noch niemand gezeigt oder erzählt hat: einen verworfenen Romananfang.


    Damit beginnt dieses schmale Büchlein, und wie beim Öffnen einer russischen Matrioschka-Puppe entdeckt man eine Geschichte in der Geschichte in der Geschichte ... und verfolgt den Faden wieder zurück.


    Sprachlich sind diese ineinandergeschachtelten Geschichten wunderschön ausgearbeitet und inhaltlich ziemlich originell, sie greifen Themen auf wie den Wunsch nach Ruhe und Stille und die Suche nach einem Menschen, mit dem man sein Leben teilen möchte.


    Schade, dass das Buch so kurz ist - in den Stil und die Ideen von Jakob Hein hätte ich mich gerne noch länger versenkt.