Inhalt:
Der Komponist Giuseppe Verdi leidet seit langem an einer Schaffenskrise; die begonnene Arbeit zu "König Lear" geht nicht voran. Im Jahr 1882 quartiert er sich anonym in Venedig ein, wo auch gerade sein großer Rivale Richard Wagner weilt. Während Wagner vor allem von jungen Leuten bejubelt und verehrt wird und sich selbst in Szene zu setzen weiß, empfindet sich Verdi als Vertreter einer alten musikalischen Tradition der großen italienischen Oper.
Einerseits beklagt Verdi seine Einsamkeit, andererseits stößt er alte Freunde vor den Kopf. Er ist unglücklich mit seinem Leben (seine Frau und seine beiden Kinder sind gestorben), seiner Musik, seinem Ruhm und verbringt seine Tage von Selbstzweifeln geplagt vor Notenblätter, die er später wieder vernichtet. Erst die Begegnung mit einem jungen, deutschen Musiker, talentiert, aber erfolglos, bringt die Wende und macht Verdi Mut, seinem Rivalen Wagner gegenübertreten zu können.
Verdis Venedigaufenthalt im Jahr 1882 ist eine reine Fiktion Franz Werfels.
Historisch ist: 1882 hatte Verdi das Komponieren eigentlich schon ad acta gelegt und lebte zurückgezogen auf seinem Landgut in Sant' Agatha. Erst durch das Eingreifen seines Verlegers nahm Verdi nochmal die Arbeit auf und komponierte die Oper "Othello", die 1887 uraufgeführt wurde. Andere Ereignisse aus Verdis Leben oder seinen musikalischen Werken, auf die Werfel Bezug nimmt, sind historisch gesichert, z.B. dass ihn der Stoff des König Lear zwar jahrelang beschäftigte, ohne dass er eine Oper daraus schuf.
Ich mag Verdi sehr. Und Werfel auch. Aber dieses Buch nicht.
1. Verdis Gedanken und Gefühle sind von einer übertriebenen Larmoyanz. Er zerfließt vor Mitleid mit sich und dem "Untergang" der Musik. 400 Seiten Weinerlichkeit auszuhalten ist ein hoher Anspruch.
2. Werfels Sprache, einfach im "Lied von Bernadette" oder kunstvoll in "Eine blassblaue Frauenschrift", ist pathetisch, voll mit geschraubten Wendungen, Worthülsen und überlastet mit Adjektiven.
3. In einigen Abschnitten taucht plötzlich ein kommentierender Erzähler auf, der sich überheblich herablässt, moralische Werturteile zu fällen, über die Jugend, den Staat, Richard Wagner, usw.
Dass Werfel Verdi den Vorzug vor Wagner gibt, ist sein persönlicher Geschmack, der mit meinem übereinstimmt, und dennoch frage ich mich: Hat Werfel eine Hommage an Verdi schreiben oder Wagner abwatschen wollen? Wager war ein genialer Musiker, und dem hätte Werfel Rechnung tragen müssen.
Marie