Tschingis Aitmatow - Der Schneeleopard

  • Inhalt


    Es ist die Geschichte des im kirgisischen Hochgebirge alternden Schneeleoparden Dschaa-Bars, der allein und verlassen sich an sein längst vergangenes Ansehen und seine verlorene Liebe wehmütig erinnert und es ist die Geschichte des Journalisten Arsen Samantschin, der einen schon vornherein verlorenen Kampf gegen die Oligarchen führt, seine geliebte Adriana an einen Medienmagnaten verliert und beschließt sich zu rächen.
    Er wird als Dolmetscher bei einer Jagd engagiert, wo er hofft sich die benötigte Waffe zu beschaffen und den Rivalen folglich töten zu können. Natürlich kommt alles anders, Samantschin wird von seinen früheren Schulfreunden gezwungen bei der Entführung, der an der Jagd mitwirkenden arabischen Prinzen teilzunehmen…




    Meine Meinung


    Der Roman beginnt mit dem erzählenden Schneeleoparden und eigentlich wollte ich nach ein paar Seiten das Buch weglegen, denn Geschichten mit vermenschlichten Tieren sind nicht gerade nach meinem Gusto … doch Aitmatows Sprache hat mich doch zum Weiterlesen verleitet.
    Neben der Naturverbundenheit Aitmatows, die hier immer wieder deutlich zum Vorschein kommt, ist vor allem Kritik am postsowjetischen Kirgisien und Russland die zentrale Aussage dieses Romans.
    Gegen diese Kritik, wo sie in meinen Augen mehr als berechtigt ist, ist eigentlich nichts einzuwenden, doch die permanente Wiederkehr der gleichen Argumente und Beispiele sind entweder Zeichen von mangelnder Bemühung oder Zeichen von mangelndem Vertrauen dem Leser gegenüber, auf Anhieb die Nachteile der Globalisierung begreifen zu können. Und je weiter ich las, umso vernachlässigter wirkte die Sprache,. Der Mythos der „ewigen Braut“, die dem Roman in der russischen Originalsprache den Titel gegeben hat, wird bis aufs Äußerste ausgereizt, so dass ich dieser fliegenden und heulenden Braut gerne einen Maulkorb verpasst hätte…


    Es wird nicht besser: Aitmatow will anscheinend nicht anecken, die arabischen Prinzen, die nach Kirgisien einfliegen, um sich an einer Jagd auf Schneeleoparden zu beteiligen sind „böse“ Jäger, ihr Reichtum ist ein Hohn gegenüber der armen Dorfbevölkerung Kirgisiens, doch Aitmatow muss betonen, wie nett und aufmerksam und intelligent diese Märchenprinzen sind. Die
    Globalisierungsgegner haben recht in ihrer Argumentation, indessen greifen sie zu terroristischen Methoden, die sie selbstverständlich im Nachhinein bereuen…
    mag sein, dass es hier um eine Parabel handeln soll, besser wird dadurch die Geschichte gewiss nicht.


    Das Ende abrupt, unausgereift und dann noch ein nichtssagender Anhang haben mich nicht geradepositiv gestimmt.
    Der Schneeleopard konnte der Sympathie, die ich für diesen kürzlich verstorbenen Kirgisen hege, trotzdem nichts anhaben.



    herzlichst: Alixe

    [i][color=#000066][font='Verdana, Helvetica, sans-serif']Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand. [size=8](Erasmus von Rotterdam)

    Einmal editiert, zuletzt von K.-G. Beck-Ewe ()

  • Das buch steht schon lange auf meiner Wunschliste. Nachdem ich deine
    Rezi gelesen habe, werd ich es jetzt wohl daraus entfernen müssen.

  • Hallo Magnolie,


    Aitmatow ist gewiss kein schlechter Schriftsteller und er hat eine außergewöhnlich schöne Sprache, die ich auch am Anfang sehr genossen habe. Der Schneeleopard hat auch viele positive Kritiken bekommen, vor allem von Lesern, die das Mystische gerne haben. Mir liegt das selten und das Ende gefiel mir dann überhaupt nicht. :roll:


    herzlichst: Alixe

    [i][color=#000066][font='Verdana, Helvetica, sans-serif']Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand. [size=8](Erasmus von Rotterdam)

  • Klappentext (Quelle: Verlag):


    Die Zeit scheint für beide abgelaufen. Der einst unbezwingbare Schneeleopard Dschaa-Bars fühlt seine Kräfte schwinden und will sich zum Sterben in ein unzugängliches Tal im kirgisischen Hochgebirge zurückziehen. Und Arsen Samantschin, der unabhängige Journalist, wird von der Welle des entfesselten Kommerzes in seiner Heimat überrollt. Die Medien kuschen, Oligarchen und Fanatiker drängen sich vor, und seine große Liebe, die Sopranistin Aidana, feiert als Popstar Triumphe.
    Das Schicksal führt Arsen und den Schneeleoparden in einer atemberaubenden Wendung zusammen: arabische Prinzen haben sich zu einer luxuriösen Jagdpartie angekündigt. Arsen soll sie als Tourmanager und Dolmetscher begleiten. Aber nicht alle im Dorf wollen es hinnehmen, dass es bei diesem Geschäft so wenige Gewinner und so viele Verlierer gibt.


    Mein Lese- und Höreindruck:

    Aitmatow besingt sein Heimatland Kirgisien und seine landschaftliche Schönheit, aber auch seine wirtschaftliche Misere in den Zeiten der Marktwirtschaft nach dem Ende des Sowjetkommunismus.


    Das Buch hat zwei Protagonisten:

    auf der einen Seite den Journalisten Arsen, der das mythologische Kulturgut seiner Heimat bewahren und eine Nationaloper um den Mythos der Ewigen Braut schreiben will und sich gegen Kommerzialisierung und Globalisierung wehrt – und auf der anderen Seite den alt gewordenen Schneeleopard, den Dschaa-Bars, dessen Kräfte schwinden und der sich auf sein Lebensende vorbereitet. Beide Protagonisten werden in parallelen Handlungssträngen vorgestellt und am Schluss auf eine fast bizarre und unglaubwürdige Weise miteinander verbunden, als Arsen mit seinem Alter Ego sterbend in einer Höhle zusammentrifft.


    Um beide „Helden“ herum schart der Autor eine bunte Mischung an Personal, vom kirgisischen Nomaden angefangen über den Sozialrevolutionär bis hin zu den gebildeten und sympathischen arabischen Ölprinzen. Dazu kommt eine große Vielfalt an Themen: der Afghanistan-Krieg, enttäuschte Liebe und neue große Liebe, der Spagat zwischen Tradition und Kommerz, die Zerstörung und der Ausverkauf der Natur, die Macht der Oligarchen, der Ausverkauf des mythologischen Reichtums Kirgisiens und so fort. Diese Vielzahl an Themen kann der Autor nur mit Mühe in seinem Buch unterbringen, und man fragt sich, wieso Aitmatow eigentlich alle diese Themen in nur einem Buch gleichzeitig bedienen will.

    Dazu kommt ein Pathos, das an die Grenze des Lächerlichen reicht. Der von Gott und der Welt enttäuschte Arsen trifft auf Eleesa und beide erleben den coup de foudre. Aber wie nun ihr Liebeserlebnis erzählt wird…Sie feiern sich und ihre Liebe in einem wildromantischen Tal, in dem der Fluss „sich in voller Ekstase mit dem Ufer vereint“, die Rede ist von Ewigkeit und Kosmos und Schicksal – und als Leser ahnt man schon, dass hier der Mythos der Ewigen Braut aufs Neue befeuert werden soll.

    Und so kommt es dann auch: Eleesa, die neue Ewige Braut, singt nun das Lied „Wo bist du, wo bist du…?“


    Fazit:

    ein Roman, der dem Leser das ferne Kirgisien näher bringt und ihm die wirtschaftliche Verelendung des Landes und die gesellschaftlichen Verwerfungen durch Gorbatschows Reformen vor Augen führt – aber zugleich ein Roman mit zuviel Themen, zuviel Personal und entschieden zuviel Pathos.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study: Joseph Roth, Hiob. MLR.

    :study: Vigdis Hjorth, Ein falsches Wort.

    :musik: Leonie Schöler, Beklaute Frauen.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).