Edward Morgan Forster - Maurice

  • Originaltitel: Maurice


    Vorgeschichte des Buches (hier kopiert):
    Geschrieben 1913–1914, hielt Forster seinen Roman mehr als ein halbes Jahrhundert vor der Öffentlichkeit geheim. Nur ihm sehr nahestehende Freunde durften das Manuskript lesen. Forster verfügte in seinem Testament, den Roman erst ein Jahr nach seinem Tode zu veröffentlichen. Es existieren zwei Fassungen des Romans. Auf das Deckblatt des ersten Manuskripts hatte Forster 1914 den Satz „Publishable – but worth it?“ („Zur Veröffentlichung - aber ist es das wert?“) geschrieben. Er widmete das Buch „einer glücklicheren Zeit“. 1960 erstellte Forster mit der Schreibmaschine ein weiteres Manuskript des Romans, das teilweise erheblich von der handschriftlichen Fassung abwich. Dieses zweite Manuskript wurde schließlich für die Veröffentlichung verwendet.
    1971, im Jahr nach Forsters Tod, wurde der Roman veröffentlicht und 1988 ins Deutsche übersetzt.


    Inhalt (bei Wikipedia kopiert, gekürzt):
    Der Roman beginnt vor dem 15. Geburtstag der Hauptperson. Der Leser verfolgt Maurice’ Leben durch Internat, die Universität Cambridge bis hin zur Maklerfirma seines verstorbenen Vaters.
    Maurice ist gut gewachsen, gesund, sportlich, am Beginn seiner beruflichen Karriere. Dies macht es ihm leicht, sich nach außen hin als „normaler“ (also heterosexueller) Mann auszugeben. Doch in seinen Träumen, in seinen zunächst nur halb begriffenen Wünschen fühlt er anders. Im gleichen Maß, wie sich sein äußerliches, bürgerliches Leben den gesellschaftlich vorgegebenen Strukturen einfügt und anpasst, wird Maurice sich seines innerlichen Andersseins, seiner Homosexualität bewusst.
    Als Student in Cambridge erlebt Maurice ein tiefgreifendes emotionales und sexuelles Erwachen. Seine erste homosexuelle – aber rein platonische – Beziehung zu seinem Mitstudenten Clive Durham scheitert, als dieser beschließt, sich zu verheiraten: Clive ergibt sich dem gesellschaftlichen Druck und verleugnet seine Veranlagung. Maurice versucht vergeblich, seine sexuellen Wünsche zu überwinden. Weder der väterliche Rat (oder eher: das väterliche Unverständnis) des Hausarztes, noch die Versuche eines Hypnotiseurs können ihm helfen: Maurice verliebt sich in Alec Scudder, den Wildhüter auf Clives Landsitz Penge.


    Der überwiegende Teil des Buches hält sich dicht an Maurice, an sein Denken, Fühlen und Handeln. Nur wenige Abschnitte gelten dem Innenleben anderer Personen (z.B. Clives Wandlung vom Homo- zum Heterosexuellen). Demzufolge wirken die meisten Nebenpersonen wie Statisten ohne eigenes Gesicht; sie haben nur die Aufgabe, zu Maurices Leben zu gehören, führen aber kein eigenes.
    Wie viele Bücher, deren einziger Inhalt das Drehen eines Protagonisten um sich selbst und seine Probleme ist, liest auch dieses sich nicht einfach und flüssig. Die einzelnen Phasen eines Gefühls, einer Entwicklung, werden detailliert und facettenreich geschildert und gehen einher mit Krankheiten, Schwächeanfällen und tiefer Erschöpfung.
    Das Buch trägt typische Merkmale eines viktorianischen Romans durch seinen Realismus, den Moralkodex, die Selbstverständlichkeit der Klassengesellschaft. Clive entstammt dem Landadel, Maurice der bürgerlichen Mittelschicht; hier scheinen die Grenzen schon verwischt. Dass aber Alec zur Dienerschaft von Clives Haushalt gehört, ist für Maurice ein Problem. Nicht nur, dass er sich durch eine Nacht mit einem Mann besudelt fühlt; dass dieser Mann zur Unterschicht gehört, macht die Sache für ihn zunächst noch schmutziger. (Die unteren Klassen gelten als charakterlos, verschlagen, gefühlsarm und uninteressiert an Bildung und Kultur.)


    Ich halte das Thema des Buches, die Selbstfindung eines Homosexuellen, nach wie vor für aktuell. Zwar sind homosexuelle Beziehungen in unserm Land offiziell vom gesellschaftlichen Tabu befreit; dennoch ist es immer noch für viele Homosexuelle ein Prozess und ein langer Weg, ihre Veranlagung zu erkennen, dazu zu stehen und die Ächtung zu ertragen, die ihnen vielerorts noch entgegengebracht wird.


    Forster Biographie (in Englisch)


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Danke für die Rezi, Marie!


    Da erkenne ich sofort die meines Erachtens gute Verfilmung von James Ivory wieder, der ja mehrere Forster Bücher verfimt hat, und zwar sehr gut! Sehr empfehlenswert!


    http://www.amazon.de/Maurice-J…dvd&qid=1217189877&sr=1-1

  • Hallo Marie,


    Es ist schon eine Zeit her, dass ich a room with a view und Howards End gelesen habe. Nach deiner aufschlussreichen Besprechung kommt Maurice auf die Wunschliste.


    herzlichst: Alixe

    [i][color=#000066][font='Verdana, Helvetica, sans-serif']Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand. [size=8](Erasmus von Rotterdam)

  • Meine Meinung:


    Das Buch ist schon gut, aber mich packte es nicht ganz so was wahrscheinlich daran lag das es zu einer anderen Zeit gespielt hat und der Autor auch die verschiedenen Schichten mit gewissen Intellekt in der Schreibweise darzustellen, was ihn auch gelungen ist, nun konnte er nicht wissen das ich dieses ältere Manuskript in 2014 lesen werde und ich deswegen das Buch etwas beschwerlicher gelesen habe als andere, obwohl ich Bücher mag die ein wenig fordernder sind, aber der Grat das es enervierend ist, ist auch schnell erreicht. Aber inhaltlich habe ich nicht viel auszusetzen. Es geht um ein Jungen der schwul ist und damit nicht klar kommt, weil es zur damaligen Zeit wesentlich schlimmer war, als heute. Man durchlebt also mit Maurice sein Denken und Fühlen und seine ersten Schritte in eine Welt die damals verpönt bis verboten war und deswegen leidet man, bzw. ich mit den Protagonisten mit, denn man wünscht ihm nur Gutes, aber wie oft in solch schwierigen Situationen läuft einiges schief. Er versucht natürlich auch diesen Gefühlen zu entfliehen und auch ein "normales" Leben zu führen. Also das Thema der Selbstfindung hat mir ganz gut gefallen, die Zeit in der es spielt eher weniger. Man kann früher und heute nicht vergleichen, aber in diesem Punkt der Selbstfindung gibt es auch zur heutigen Zeit Parallelen. Und meine Bewertung fällt mit 4 Sternen positiver aus, als ich es eigentlich vorgehabt hatte, aber zum Ende hin denke ich ist es durchaus gerechtfertigt.


    Fazit:


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study: Feuerkind (Stephen King) 34 / 542 Seiten

    :study: 111 Pflanzen die man kennen muss (Klaudia Blasl) 240 / 240 Seiten

    :study: Mit Nachsicht (Sina Haghiri) 0 / 268 Seiten



    SUB: 857

  • Wie viele Bücher, deren einziger Inhalt das Drehen eines Protagonisten um sich selbst und seine Probleme ist, liest auch dieses sich nicht einfach und flüssig.

    Ich habe soeben die englische TB-Ausgabe beendet und möchte @Marie weitestgehend zustimmen. Erstaunlicherweise konnte ich diesen Roman allerdings - entgegen meinen Erwartungen - größtenteils flüssig lesen, lediglich in den ersten Kapiteln erschienen mir die Konversationen an den Schulen von Maurice teilweise irgendwie "sinnfrei" und ich konnte ihren Bezug zur nachfolgenden Handlung nicht so ganz nachvollziehen.
    Ansonsten vermittelt das Buch einen guten Einblick in die englische (noch Vorkriegs-)Gesellschaft des frühen 20.Jahrhunderts mit ihrem Klassendenken einerseits und der Homophobie andererseits. Maurice hat mir sehr leid getan, weil er sich wegen seiner Veranlagung so quälen musste und - natürlich vergeblich - versucht hat, sich davon "heilen" zu lassen, ein aussichtloses Unterfangen, selbst wenn der zuerst von ihm aufgesuchte Arzt nicht so ein Ignorant gewesen wäre.
    Etwas seltsam und unglaubwürdig finde ich die "Konversion zur Normalität" bei Clive. Ich kann zwar noch nachvollziehen, dass er seiner Neigung nicht komplett nachgegeben, bzw. diese nur platonisch ausgelebt hat. Auch die Tatsache, dass er als Homosexueller geheiratet hat, ist noch halbwegs verständlich, da er dadurch quasi unauffällig (ungeoutet) blieb. Aber er scheint ja in der Ehe eine gewisse Zufriedenheit empfunden zu haben. Als Laie in diesem Thema frage ich mich, wie es ein Homosexueller, sofern er nicht bisexuell ist, zustandebringt, sexuelle Beziehungen zu einer Frau zu unterhalten. Dagegen müsste er doch eigentlich einen Widerwillen haben? :-k
    Es hat mich für Maurice gefreut, dass er im Gegensatz zu Clive mehr Rückgrat bewiesen und seinen Weg gefunden hat, auch wenn natürlich einige praktische Fragen offen bleiben.


    Auf jeden Fall habe ich dieses Buch, auch wenn es in gewissem Maße deprimierend ist, als bereichernde und länger in der Erinnerung nachhallende Leseerfahrung empfunden und empfehle es gern weiter. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:


    Die "Introduction" zur englischen Ausgabe gehört meiner Meinung nach in den Anhang. Ich habe diese Einführung erst im Anschluss an den Roman gelesen und das war auch gut so.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998