Flavian Kurth Glücksgeschwür

  • Hinweis: Womöglich Eigenvorstellung des Autors/Verlags!


    Die Hauptfigur des Romans „Glücksgeschwür“ von Flavian Kurth ist ein Liebling des Schicksals: Ob gutes Aussehen, Frauen oder Intellekt – Leander Kish musste sich nie für etwas anstrengen. Deshalb aber kennt er keine Ängste und kann kein Mitgefühl empfinden. Und so zieht Leander aus, um das Fürchten zu lernen - seine Heilungsversuche reichen vom Einüben der Ängste Anderer über das kompromisslose Ausleben seiner Triebe bis hin zum Äußersten, was ein Mensch tun kann, um seine Zerstörungswut auszuleben – einem Mord. „Glücksgeschwür“ ist eine intensive Studie über die Psychologie des Menschen, seine Abhängigkeit von der Natur und seine Verzweiflung über die Oberflächlichkeit der Gesellschaft. So erklärt Leander seinen Selbsthass an einer Stelle so: „Ich verabscheue diese Gesellschaft dafür, alles auf Form zu reduzieren, sich einer hohlen Illusion, einem substanzlosen Spektakel zu unterwerfen. Gleichzeitig weiß ich nur zu gut, dass mir diese Gesellschaft meiner oberflächlichen Vorzüge wegen so viel gegeben hat. Daraus resultiert eine komplizierte Art, mich selbst zu verachten“. Wie in Flavian Kurths erstem Roman „Hypercannibal“ befindet sich der Hauptcharakter in einer schweren Identitätskrise, ist auf der Suche nach etwas, mit dem er seine Leere füllen, sein Nichts „stopfen“ kann. Leander muss schreiben um den Verstand nicht zu verlieren – „Glücksgeschwür“ ist schon deshalb keine leichte Kost. Auch dauert es etwas, bis sich die Handlung, die aus Rückblenden auf frühere Episoden aus Leanders Leben und seinem inneren Monolog besteht, ganz entwickelt hat. Dann aber vereint „Glücksgeschwür“ Konsumkritik, psychologische Betrachtungen und aktuelle Themen zu einem intensiven Leseerlebnis, dem man seine ganze Aufmerksamkeit widmen sollte. Dafür wird der aufmerksame Leser mit Erkenntnissen über die modernen Menschen wie dieser belohnt: „All die geistigen Verstecke – Vernunft, Konsum, Technik, Fortschritt -, Gedankensysteme, an denen sie sich festhalten, Steine im Bachbett, auf denen sie hocken wie Affen. Steigt das Wasser, reißt es sie weg.“ Die bestimmenden Motive des Romans sind Lust, Natur und Fortpflanzung – und auf der anderen Seite Intellekt, Philosophie und Zerstörung. „In der Mitte der Gesellschaft herrscht ein großer Lärm um nichts“ und an ihrem Rand versucht Leander, Kraft seines Geistes aus dem sinnentleerten Kreislauf von Fortpflanzung und Tod auszubrechen. Der Leser darf gespannt sein, ob und wie ihm das gelingt.

  • Dafür wird der aufmerksame Leser mit Erkenntnissen über die modernen Menschen wie dieser belohnt: „All die geistigen Verstecke – Vernunft, Konsum, Technik, Fortschritt -, Gedankensysteme, an denen sie sich festhalten, Steine im Bachbett, auf denen sie hocken wie Affen. Steigt das Wasser, reißt es sie weg.“


    Um es mal bösartig zu formulieren: Allgemeinplätze wie diesen zu lesen ist für mich eher eine Bestrafung als eine Belohnung. :roll:


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


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  • Hallo Marie - das tut mir leid. Ich fand das Bild von den Affen, die auf Steinen im Fluss hocken, sehr nett. :cheers: