Klappentext:
Nach dem berühmten Buch Schiller oder Die Erfindung des Deutschen Idealismus wendet sich Rüdiger Safranski der anderen großen Geistesströmung um 1800 zu: Der Romantik. Geschildert wird die Epoche der Schlegel, Tieck, Novalis, Fichte, Schelling, Eichendorff und E.T.A. Hoffmann. Eine Epoche der entfesselten Genies, die ins Grenzenlose und Geheimnisvolle aufbrechen, mit Sehnsucht und Ironie. Romantik war eine Fortsetzung der Religion mit ästhetischen Mitteln. Sie war der Versuch, "dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Endlichen einen unendlichen Schein zu geben." (Novalis) Die Romantik war eine Epoche, die ihr Ende fand. Das Romantische aber lebt fort - als Geisteshaltung in der Poesie, Musik, Philosophie, im Alltagsleben und nicht zuletzt auch in der Politik.
Und das ist die zweite Geschichte, die Safranski erzählt. Sie handelt von der Karriere des Romantischen bis in die Gegenwart. Sie führt über Heine, Richard Wagner, Nietzsche, Thomas Mann zu den Erregungen der 20er Jahre und umgeht auch nicht das Problem der Verwendung romantischer Motive im Nationalsozialismus. Das Buch endet beim Romantischen der 68er Bewegung und mit der Frage: Wieviel Romantik verträgt die Politik?
In einer Art "doppelten Buchführung" schreibt Safranski über Romantik und das Romantische, über eine deutsche Obesession, die in ganz Europa Schule gemacht hat.
Im ersten Buch "Romantik" bietet der Autor eine Fülle von Informationen und Wissenswertem über das Zeitalter am Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts. Er entfaltet die Gedanken von Philosophen wie Herder, Fichte, Schlegel, Kant, Schleiermacher, und zeigt auf, wie sich die belletristische Literatur von Novalis, Hölderlin, Hoffmann, Tieck, Kleist, Eichendorff u.a. daraus speiste. Dabei zitiert er oftmals aus deren theoretischen Schriften und weist auf die Verbindungen zu ihrer Dichtung hin, immer darauf bedacht, auch die Widersprüche oder Uneinigkeiten zwischen einzelnen Dichtern / Philosophen zu nennen.
Noch interessanter wirds im zweiten Buch "Das Romantische". Als literarische Epoche zwar beendet, lebte das Gedankengut der Romantiker weiter, entwickelte neue Ausprägungen bis in den Bereich der Politik: Marx' romantische Antwort auf den immer größer werdenden Materialismus, Richard Wagners mystisch-mythische Operninszenierungen, Nietzsches Zusammenbruch. Während auf der einen Seite schwärmerische Gruppierungen Zulauf bekamen, wurde auf der anderen Seite am Aufbau einer "stählernen Romantik" gearbeitet, der Militarisierung.
Doch auch nach dem Unheil des 2. Weltkriegs und dem Wirtschaftswunder-Jahrzehnt mit seiner materiellen Gier war das Romantische nicht tot, denn es lässt bis in die Illusionen und Gedanken der 70er Jahre verfolgen.
Was aber ist so deutsch an der Romantik? Frankreich war am Ende des 18. Jahrhunderts mit seiner Revolution beschäftigt, später schlug es sich mit Robbespierre und Napoleon herum; die Engländer reisten in die Kolonien und trieben den Welthandel voran. Deutschland war ein Kleinstaaten-Gemenge, das seinen Nachbarn wenig entgegenzusetzen hatte. Außer seinen Dichtern und Denkern. Denen es nicht nur um eine private Romantik ging, sondern auch um Einigkeit und Verständnis unter den Menschen, um transzendentale Erfahrungen und den Zusammenhalt im Vaterland - Sehnsüchte, die letztlich zur Blut-und-Boden-Ideologie der Nazis und zum Antisemitismus führten.
Ein großartiges Werk für jeden, der sich für deutsche Literatur, ihre herausragenden Vertreter, für Philosophie und Geschichte interessiert. Safranskis Sprache ist einfach, schnörkellos mit einem heiter-ironischen Unterton; man könnte das Buch zu den populärwissenschaftlichen rechnen. Dennoch braucht man Zeit, Ruhe, Konzentration und Geduld, denn es gilt, sich die einzelnen Philosophien und Literaturtheorien vertraut zu machen, weil eine mit der anderen verknüpft ist, bzw. auf ihr aufbaut. Ich hätte gern zwischendurch zur Entspannung ein leichtes Buch gelesen, aber ich befürchtete, den Faden zu verlieren.
Eine Frage sei erlaubt: Gab es zwischen 1780 und heute tatsächlich keine einzige Frau, die romantisches Gedankengut entwickelte oder erwähnenswerte romantische Literatur verfasste? Safranski zumindest scheint keine zu kennen.
Zum Autor:
Rüdiger Safranski ist ein deutscher Schriftsteller und Philosoph. Bekannt wurde er in letzter Zeit auch durch die Moderation der Sendung "Philosophisches Quartett" im ZDF.
Marie