Romain Gary, Frühes Versprechen

  • Seitenzahl: 395


    Inhalt u. Meinung:


    Die alleinerziehende Mutter, Madame Kacew, liebt ihren Sohn wie alle Mütter dieser Welt und möchte für ihn nur das Beste. Vor allen Dingen will die ehemalige Schauspielerin aus Kursk aus ihm eine Persönlichkeit machen.
    Ihre Vorstellungen reichen vom Geigenvirtuosen, berühmten Maler oder Tänzer. Trotz eheblicher Entbehrungen versucht sie ihrem Sohn eine neue, bessere Welt zu öffnen. Fehlschläge hakt sie ohne zu jammern ab, sie weiß ihr Sohn hat besondere Talente. Man muß sie nur finden. Schriftsteller wie Hugo, Tolstoi, Goethe?
    Sie beschließt aus ihm einen "waschechten" Franzosen zu machen, Diplomat, Botschafter?
    Ihre Liebe ist unendlich, aber auch verrückt, anstrengend und führt häufig für Sohnemann zu peinlichen Situationen. Aber er beschließt schon in ganz jungen Jahren alle ihre Wünsche zu erfüllen, läßt nichts unversucht.


    Für Madame Kacew ist ihr Sohn alles, was auf dieser Welt zählt. Ihm gilt all ihre Fürsorge und Liebe. Um ihm den Erfolg zu sichern, arbeitet sie hart, denn die Lehrer für seine diversen Ausbildungen wollen bezahlt werden. Wer Zweifel anmeldet, wird rigoros beschimpft und bekommt auch schon mal ihren Stock zu spüren.
    Er zieht in den Krieg und sie "stärkt" ihn mit ihren Briefen. Somit ist sie auch hier allgegenwärtig.
    Eine äüßerst enge Mutter/Sohn Beziehung voller Humor und sehr heiter beschrieben. Doch sie zeigt auch die Schattenseiten, den Druck unter dem der Junge leidet, mit der Gewißheit etwas Besonderes zu sein.
    Dieser Teil des Buches gefällt mir am besten. Seine militärische Ausbildung, sein Werdegang, der nur noch briefliche Kontakt, seine Auffassung zu Krieg und Gewalt weniger.
    So ärgert er sich z.B., weil er als Bomber im Flugzeug den Abschuß einer italienischen Maschine verfehlt. Romain Gary entschuldigt sich sofort dafür. Eigentlich mag er die Italiener, aber hier zählt nur der "Erfolg", die Anzahl seiner Treffer. Auch das Werk seiner Mutter?
    Das Ende - ein wenig melancholisch, romantisch. Es hätte zum Bild dieser Frau gepaßt, aber der Autor gesteht - alles erfunden.
    Ein beeindruckendes Buch voller Ecken und Kanten, doch mit eben so viel Wärme und Zuversicht. Ich bewundere diese Frau, die den Verkupplungsversuchen ihres Sohnes (das Geld des reichen Mannes hätte für sie alles leichter werden lassen), ohne Zögern zur Seite wischt. Ihre Handlungen, ihre Forderungen, ihre Erwartungen sind überzogen, ihre Hingabe dafür jedoch ohne Kompromisse. Leider erlebt sie die Einlösung seiner Versprechen nicht.
    Romain Gary, ein schillernder Literarurstar, dem das Glück oft half, verkörpert den "Kerl" der damaligen Zeit. Eine neue, gute Übersetzung, aber das Bewußtsein von damals hat sich verändert.
    Der Anhang schildert sein abenteuerliches Leben mit Fotos, enthält eine Zeittafel und ein Werksverzeichnis.
    Interessant zu lesen!


    Autor:
    Romain Gary (1914-1980) wurde als Roman Kacew , geboren in Wilna, wuchs als Sohn der jüdisch-russischen Uhrmacherstochter Nina Kacew in Russland u. Polen auf. Als er 14 war, emigirierte seine Mutter mit ihm nach Nizza. Er wurde Pilot der Luftstreitkräfte unter de Gaulle, Romanautor, Konsul von Los Angeles, schrieb unter 5 versch. Pseudonymen, bekam daher zweimal den Prix Goncourt. Er war verheiratet mit der Filmschauspielerin Jean Seberg, die durch ihren Selbstmord zum Mythos geworden ist. Auch Gary wählte den Freitod.


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: Viola Roggenkamp, Familienleben

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Vielen Dank, Wirbelwind, für deine Vorstellung! :thumleft:
    Ich habe noch nie etwas von Romain Gary gehört, aber dieses Buch klingt sehr gut - ich habe es mal auf meine Wunschliste gesetzt.
    Das Cover ist allerdings etwas einfallslos - erinnerte mich sofort an Verlockung von János Székely. :wink:

  • Hallo Hermia,
    Elke Heidenreich hat das Buch in Lesen vorgestellt - ich habe es dann an Muttertag geschenkt bekommen. :)
    In der Tat das Cover hat starke Ähnlichkeit mit Verlockung - ist mir auch aufgefallen. Merkwürdig.


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


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  • Ich habe noch nie etwas von Romain Gary gehört, aber dieses Buch klingt sehr gut ...


    Hallo Hermia! Mag sein, dass Du von ihm unter einem anderen Pseudonym gehört hast? "Das Leben vor sich" ist relativ bekannt, es gab dazu hier: Romain Gary/Eric-Emmanuel Schmitt eine Diskussion, da das Buch durchaus als ausgezeichnete Vorlage für den Roman von Schmitt verstanden werden könnte. "La vie devant soi" hatte ich mit großer Freude gelesen.
    Nicht nur wegen seiner Schreibe, sondern wegen seines ganzen Lebens umgibt ihn in Frankreich eine legendäre Aura...

  • Hallo Tom,
    "Das Leben vor sich" ist mir auch gänzlich unbekannt. :uups: Den Monsieur Ibrahim habe ich mal gelesen...naja...das fand ich langweilig. :sleep: Ich habe zwar mal was von Plagiatsvorwürfen gehört, mich aber nicht weiter drum gekümmert. Wieder was gelernt!

  • Diese Buch trägt auf dem Umschlag die Gattungsbezeichnung "Roman". Wobei man teilweise auch von einer Autobiographie sprechen kann.


    Im Nachwort zu diesem Roman findet sich auch eine Deutung, daß dies eine Roman über die Mutter ist.


    Romain Gary hat seine Mutter Nina sehr geliebt - sie ihn ebenso. Sie sagt Ihm seinem schriftstellerischem Druchbruch, sowie eine Karriere als Botschafter Frankreichs voraus.
    Romain, in Wilna (Polen) aufgewachsen, bekommt von seiner, ihn heftigst liebende Mutter, immer wieder blumige Schilderungen Frankreichs dargeboten.


    Seine Mutter kann man mit Recht als Lebenskünstlerin bezeichnen, da sie alle möglichen Verdienstmöglichkeiten in Anspruch nimmt, damit es Romain an nichts mangelt. Sie arbeitet als Besitzerin eines Modegeschäfts, als Immobilienmaklerin, und als Miteigentümerin eines Taxis.


    Die Geschichte seiner Mutter, und natürlich auch seine, ist spannend erzählt. Er fügt immer wieder eine Art von inneren Monologen ein, wo er deutlich macht, wie es in ihm aussieht; welche idealistischen Vorstellungen er von der Welt hat - maßgeblich durch seine Mutter entstanden.


    All dies schön zu lesen, und einfach der übliche Lesestoff. Wer es mal eine andere Art von Roman lesen möchte, sollte es einfach versuchen.


    Grüsse
    Tirant :winken:

  • Hallo TirantLoBlanc,
    bitte immer erst im Index nachsehen. :!: Von "Frühes Versprechen" gibt es nämlich schon eine Rezi von mir. :wink: Und auch mal ein Rezimuster ansehen.


    Brigitte
    kannst du TirantLoBlancs Beitrag anhängen? Danke. :)


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: Kari Köster-Lösche, Das Grab im Deich

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









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