H. P. Lovecraft - Die Katzen von Ulthar

  • H. P. Lovecraft: Die Katzen von Ulthar und andere Erzählungen; Suhrmann Verlag Frankfurt / Main; 202 Seiten; ISBN: 3518392557


    "Die Katzen von Ulthar", "Das weiße Schiff", "Celephais", "Die Traumsuche nach dem unbekannten Kadath", "Der Silberschlüssel" und "Durch die Tore des Silberschlüssels" heißen die Geschichten, die in diesem Taschenbuch enthalten sind.
    Man muß sich schon sehr für phantastische Literatur interessieren, um zu diesem Buch zu greifen. "In den phantastischen Erzählungen werden Welten, Zeiten und Mächte außerhalb des irdischen Bereichs einfallsreich ausgemalt," verspricht zwar die Werbung; letztendlich wird der Leser aber mit den Erzählungen alleingelassen. Die Geschichten erzählen von Orten, Personen und Ereignissen, die es nur in der Phantasie des Autoren gibt. Vordergründig wird dem Leser zwar klar, daß es hier um Traumwelten geht, also Welten, die nichts mit unserem täglichen, praktischen Leben zu tun haben. Dennoch wäre es aber an vielen Stellen nötig gewesen, Orte, Personen und ihre Bedeutung vorzustellen und sie so in den Zusammenhang der Handlung einzuordnen. Es bedarf leider sehr viel Konzentration seitens des Lesers, um die Geschichten zu lesen, ohne den sprichwörtlichen roten Faden zu verlieren.


    "Ein Gebräu an Philosophie


    Mit Ausnahme des Kurzromans „Traumsuche …“ und der Erzählung „Durch die Tore …“ finde ich die meisten dieser Geschichten ziemlich belanglos. Man könnte sie romantische Unterhaltungsliteratur mit viel Phantasie bezeichnen. „Die Katzen von Ulthar“ ist so etwas wie eine Legende („wie etwas zu lesen ist“) oder Sage, denn sie dient dazu, eine kulturelle Eigenheit der Stadt Ulthar zu erklären. Meine Meinung zu „Traumsuche“ habe ich bereits dargelegt.


    „Celephais“ und „Das Weiße Schiff“ sind so eine Art erträumtes Roadmovie, allerdings auf einem ebenfalls erträumten Kontinent. Die Karte zu diesen Ländern ist der Lovecraft-Biografie entnommen, die Lin Carter schrieb. Es gibt aber noch eine Karte, die viel detailreicher und schöner ist. Erhard Ringer hat sie für den Heyne-Verlag gezeichnet. Sie ist im Fantasy-Storyband „Ashtaru der Schreckliche“ (Heyne 06/3915) auf Seite 132/33 abgedruckt, um die Lovecraft-Story „Iranons Suche“ – ebenfalls ein Dunsany-Imitat – zu illustrieren. Leider konnte ich auch darauf „das unbekannte Kadath“ nicht finden.


    Weitaus interessanter sind daher die zwei zusammengehörigen Silberschlüssel-Erzählungen. In beiden ist Randolph Carter die Hauptfigur. Faszinierte verfolgte ich die zahlreichen Verwandlungen Carters: vom Träumer über den Materialisten, hin zum Okkultisten und wieder zurück zum Träumer. Weil er seine echten Träume nur in der Kindheit wiederfindet, kehrt er in seine angestammte Heimat
    zurück, wo er exakt 45 Jahre zuvor bereits einmal auf das Geheimnis der Höhle „Schlangengrube“ gestoßen war und fortan die Zukunft voraussah (warum wohl?!). Im Jahr 1928 geht er durch dieses Tor wieder hindurch, um dort zwei Jahre später (oder 47 Jahre früher?) wieder zurückzukehren.


    Die stufenweisen Verwandlungen Carters auf seinem Weg von der Erde zur Welt Yaddith folgen a) der modernen Quantenphysik,
    wie sie seit Einstein, Planck, Heisenberg bekannt war – die Geschichte wurde 1932 geschrieben und veröffentlicht. Daher ist auch schon die Entdeckung des Planeten Pluto, hier „Yuggoth“ genannt, im Jahr 1930 schon berücksichtigt. Und b) wird die Archentypentheorie des
    Psychoanalytikers Carl Gustav Jung berücksichtigt. Beide Einflüsse werden zusammengebracht und mit dem Cthulhu-Mythos kombiniert.


    Als Ergebnis sieht sich der Leser mit einem heftigen, aber interessanten Gebräu an Philosophie konfrontiert. Es dient dazu, die künftige Entwicklung des prototypischen Menschen Randolph Carter vorzuzeichnen. In England machte zur gleichen Zeot Olaf Stapledon das gleiche: In den zwei Science Fiction-Romanen „Der Sternenschöpfer“ und „Die letzten und ersten Menschen“ breitet er eine
    weitgespannte Vision von der Weiterentwicklung des Menschen aus, die Milliarden Jahre in die Zukunft reicht (zuletzt abgedruckt bei Heyne in der „Bibliothek der Science Fiction-Literatur“).


    Lovecraft und Price hingegen misslingt ihr Versuch, Carter als die Zukunft der Menschheit zur präsentieren, gründlich. Erstens haben sie nicht das philosophische Rüstzeug dafür, zweitens müssen sie an die Unterhaltung ihrer Leser denken und dafür immer darauf achten, irgendwelche Horroreffekte einzubauen. Dazu bedienen sie sich eine Sprache, die an den frühen HPL gemahnt: Alle Fremde ist entweder sinister, blasphemisch, ungeheuer, ominös, mysteriös oder gar „oblique“ (was im Grunde nur „schräg“ bedeutet). Der Übersetzer Michael Walter tut uns keinen großen Gefallen, dies alles so nah am Original zu belassen. Wie das Beispiel „oblique“ zeigt, kommt dabei manchmal Unsinn heraus.


    Ko(s)mischer Unsinn obendrein! Ein Zauberer, der aussieht wie ein Tapir – ist dies also die Behausung, die ein „edler Geist“ wie Carter verdient hat? Wohl kaum!- Und während der ganzen Geschichte tickt eine „sargförmige Standuhr mit vier Zeigern einen unirdischen Rhythmus“. Na, Prost Mahlzeit! Die Stunden des Lesens jedenfalls tickten nur zäh und ungemütlich vorüber.


    Für eingefleischte HPL-Fans hält dieser Band ein paar nette Erzählungen sowie den ungeschliffenen Roman „Traumsuche“ bereit. Doch den durchschnittlichen Phantastikleser dürften die Inhalte doch eher abschrecken. Für wirklich gute Unterhaltung ist hier nicht
    gesorgt," schreibt Michael Matzer in seiner durchaus lesenswerten Rezension auf Phantastik-Couch.de. Ich zitiere Matzer hier absichtlich. Bei Matzer merke ich, daß er ein Phantastik-Fan ist. Ich bin dagegen ein Anfänger, der aus Unwissenheit und Anfängertum zu einem ganz anderen Urteil gekommen bin. Der geneigte Leser kann sich so ein eigenes Urteil zu dem Klassiker der phantastischen Literatur, H. P. Lovecraft bilden.

  • Ein sehr interessanter Beitrag. Bemerkenswert ist die fundierte Kritik an Lovecraft, etwas, was man nur sehr selten liest. Vielleicht ist man manchma einfach zu sehr "Lovecraft-Fan" und übersieht dabei die Schwächen seiner literarischen Leistungen. Herzlichen Dank für diesen sehr lesenswerten Beitrag.

  • Durch meinen Reread abgewerteter Kurzgeschichtenband mit den Fantasy-Erzählungen Lovecrafts rund um das geheimnisvolle Traumland und Randolph Carters Traumreise – mit einigen Seitenverweisen auf den Cthulhu-Mythos. Die kurzen Geschichten sind ziemlich gut (die Titelgeschichte und "Das weiße Schiff" haben mindestens vier Sterne verdient). Die lange Novelle „Die Traumsuche nach dem unbekannten Kadath“, die fast das ganze Buch ausmacht, ist allerdings nur eine Aneinanderreihung bizarrer Szenerien, die ohne großes Interesse an mir vorbeigerauscht ist. Warum, auf welche Weise und wie intensiv die Hauptfigur nach ihrem Ziel sucht und Dinge erlebt, wurde mir nicht klar. Etliche Szenen ohne großen Erlebnischarakter, dafür mit verschwurbelten Adjektivketten langweilten mich sogar recht stark. Komme im Ganzen nurmehr auf drei so mittelgute :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: Sterne.

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "God's Country" (126/223)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 55 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Martinson "Schwärmer und Schnaken" (15.04.)

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „H. P. Lovecraft: Die Katzen von Ulthar“ zu „H. P. Lovecraft - Die Katzen von Ulthar“ geändert.