Charles Bukowski - Der Mann mit der Ledertasche/ Post Office

  • Über den Autor:
    Bukowski wurde 1920 als Sohn eines Amerikaners polnischer Abstammung und einer Deutschen in Andernach geboren. Als Charles zwei Jahre alt war, zog die Familie nach LA, wo das Kind in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs. Sein Vater war zudem ein gewalttätiger Trinker.


    Bukowski begann nach der Schule ein Journalistik-Studium, das er abbrach. Seine weiteren Lebensjahre waren durch ständige Umzüge, wechselnde Jobs, Gefängnis - und Psychiatrieaufenthalte geprägt.
    1947 zog Bukowski zurück nach LA.
    In den Jahren 1952 bis 1969 arbeitete der Schriftsteller mit Unterbrechungen elf Jahre bei der LA Post als Briefzusteller. Die Erinnerungen hieran verarbeitete er in der o.a. Erzählung.
    Ab 1962 gelang es Bukowski einige Gedichte und wöchentliche Kolumnen zu veröffentlichen, doch erst ab 1968 (bezeichnenderweise) gelang ihm der literarische Durchbruch.


    Charles Bukowski starb 1984 an Krebs und hinterließ eine uneheliche Tochter und seine (zweite) Ehefrau.


    Über das Buch:
    In "Der Mann mit der Ledertasche" bereitet Bukowski mit Hilfe seines alter egos Hank Chinaski sein Leben in und um LA in den Jahren 1947 bis 1969 auf.


    Nicht nur wegen hohen Alkoholkonsums, der Sucht nach Pferdewetten und einer promisken Lebensweise fällt Chinaski sein Job bei der LA Post als Briefzusteller schwer.
    In diesen Jahren ist die amerikanische Post ein Machtapparat, bei dem der einfache Arbeitnehmer nichts zu lachen hat. Druck wird nach unten abgegeben, die schwere körperliche, aber dennoch eintönige Fließband-Arbeit zermürbt die Angestellten.
    Die Gewerkschaft ist genauso unflexibel wie die Behörde.
    Also zieht Chinaski selbst in den Kampf gegen die Obrigkeit, indem er nach seinen eigenen anarchischen Vorschriften lebt und arbeitet.
    Trotz aller dunklen Punkte in seinem Alltag verliert Chinaski nicht vollständig seine Würde und Emotionen. So geht ihm der Tod seiner ersten Freundin ebenso nahe wie die Geburt seiner Tochter oder der Zusammenbruch seines Arbeitskollegen G.G..


    Meine Meinung:


    Ich bin mit gewissen Vorurteilen an das Buch heran gegangen, da die Schlagworte, die ich bisher über Bukowski gehört habe, in etwa "vulgär", "frauenfeindlich", "roh" lauteten.
    Daher konnte ich nur positiv überrascht werden und das wurde ich auch.
    Natürlich handelt es sich nicht um einen Hanni-und-Nanni-Roman, aber ich habe schon bei weitem vulgäreres gelesen. Aber wie anders sollte man auch ein derartiges Leben schildern?
    Es mag vielleicht etwas schräg anmuten, dass die Hauptfigur, so verlottert und versoffen sie daher kommt, stets ein williges Weibchen vorfindet, aber ich denke nicht, dass Bukowskis Schilderungen frauenfeindlich sind.
    Die Erzählung ist ein Sittenbild der 60er Jahre und eben deshalb reiht sich Bukowski ohne Probleme in eine Reihe mit Bourroughs oder Thompson ein.


    Bukowskis Sprache ist schnörkellos. Man hat den Eindruck, er schreibt wie ihm der Schnabel gewachsen ist.
    Trotzdem wohnt den Segmenten dieser Geschichte eine eigene leise Poesie inne, gemischt mit Ironie.
    So zB wenn der Autor über seinen Kollegen berichtet, der am Ende eines langen Arbeitslebens auf dramatische Weise an einem unsortierten Stapel Werbebroschüren scheitert: "G.G. sah ich nie wieder. Und niemand erwähnte jemals seinen Namen. Der"gute Kerl". Der "hingebungsvolle Mann" - er war über eine Handvoll Rundschreiben von einem Gemüseladen gestolpert mit dem Angebot des Tages: Eine Gratispackung Markenseife (..)".


    Wer einen Einstieg in Bukowskis Werk sucht, dem sei das Buch ans Herz gelegt.

  • Herzlichen Dank für diese interessante Vorstellung, eines mir bis dahin unbekannten Autors. Es ist immer wieder schön wenn man Neues entdecken kann.
    Habe noch die ISBN einfügt ;)

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Denke, ich dürfte so ziemlich jedes Buch von Charles Bukowski gelesen haben! Wird wohl nicht für jeden und vor allem für jede Leserin das Richtige sein.


    Das kann man, unter anderem, auf Wikipedia über ihn lesen:


    "Bukowski schreibt in einer harten, direkten Sprache, und er spart in seinen Geschichten die schmuddeligen Aspekte des menschlichen Lebens keineswegs aus. Insbesondere seine Dialoge sind exzellent beobachtet und auf höchstem Niveau geschrieben, vereinzelt auch bis zur Drastik eines Edward Albee oder Arthur Miller. Kritiker nannten ihn auch den „Schreibweltmeister im Schwergewicht“. In seinem erzählenden Werk ist er zugleich meist komisch, erstaunlich absurd (mit Ausnahme einiger Short Stories), angereichert mit Selbstironie und überwiegend positiv. Der „in den USA vielleicht nicht berühmteste, doch in den Buchläden meistgeklaute Autor“ [ Bukowski gilt vielen als Mythos und Kult und war insbesondere in Europa sehr erfolgreich. Allein in Deutschland verkaufte er mehr als 4 Millionen Bücher. Bukowski selbst hat das Bild vom saufenden und krakeelenden Genie nach Kräften gefördert. Legendär ist die Lesung in der Hamburger Markthalle am 18. Mai 1978, bei der ein Kühlschrank auf der Bühne stehen musste, damit der Alkoholnachschub nicht abriss. Im späteren Leben hatte er den Alkoholismus anscheinend im Griff und soll um einiges ruhiger und sensibler gewesen sein als sein Image besagte. "


    Würde mich freuen, wenn der eine oder andere auch zu einem seiner Bücher greifen würde! :)

  • Ich habe durch meinen Partner einige Bücher von Bukowski in unserem Regal und mich nie rangetraut sie zu lesen, da ich genau dieselben Vorurteile habe/ hatte wie Ihr sie hier beschrieben habt.
    Aber das nenne ich jetzt mal eine klasse Rezension von SiriNYC; Du hast es geschafft meine Interesse an Bukowski zu wecken! Danke schön!


    LG,Annett.

  • Charles Bukowski, für mich einer der grössten Literaten des letzten Jahrhunderts. Direkt, nicht zu verbiegen, versoffen und ein genialer Autor von Short Stories. Sicher ist er nicht jedermanns Sache aber ausprobieren sollte man ihn schon. "Der Mann mit der Ledertasche" ist ein wunderbares, ein sehr ehrliches und auch ein sehr hartes Buch; ein Buch das man mehr als nur einmal lesen kann.


    Herzlichen Dank für diese Buchvorstellung.


    Übrigens, Carles Bukowski starb am 9. März 1994 in San Pedro/Kalifornien und nicht 1984. :D

  • Danke serjena für die Ergänzung der ISBN und Dr. Watson für die Korrektur.


    Anett: Ich hatte das Buch zu Weihnachten geschenkt bekommen und tatsächlich schon überlegt, es bei Buchticket einzustellen, da ich mir sicher war, dass es mir zu "primitiv" wäre. Nach der Lektüre habe ich allerdings bemerkt, dass man Bukowski nicht einfach aufgrund seines Lebenswandels in eine bestimmte Schublade stecken sollte.


    Ich denke, dass seine Kindheit und Jugend einiges von dem erklärt, was später aus ihm geworden ist (auch wenn das wie ein Klischee klingt).
    Aus wikipedia: "Bukowskis Vater wurde nach dem Wehrdienst Milchlieferant, und die Familie lebte zeitweise in ärmlichen Verhältnissen. Regelmäßig betrog der Vater die Mutter mit anderen Frauen, betrank sich und misshandelte seinen Sohn körperlich. In die Pubertät gekommen, litt Bukowski zudem an starker Akne und hatte am ganzen Körper Pusteln, weshalb er ein ganzes Jahr nicht die Schule besuchen konnte (dargestellt in Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend)."


    Das im Zitat erwähnte Buch habe ich auf meiner Wunschliste ergänzt.

  • Charles Bukowski ist nicht nur für Dr. Watson einer der größten Literaten des letzten Jahrhunderts, wobei das "nur" in diesem Satz nicht falsch verstanden werden sollte, denn ich habe schon mitbekommen - in diesem Forum muss man teilweise höllisch aupassen und vorsichtig mit seinen Worten umgehen, was ich eigentlich sehr schade finde. ;) Mag sein, viele werden nach dem Lesen von einigen Gedichten oder Kurzgeschichten meinen - hm, primitiv - wenn sich diese Leser aber ein zweites mal über seine Zeilen trauen und gerade zwischen diesen lesen, denke ich, werden wohl nur wenige weiterhin von einer primitiven Literatur sprechen. Hier zwei Links zum herumstöbern! http://bukowski.nethttp://www.bukowski-gesellschaft.de/home.htm