Henning Mankell - Die italienischen Schuhe

  • Inhalt (von Amazon kopiert):
    Frederik Welin hat sich in die Einsamkeit geflüchtet. Nach der "Katastrophe", einem Kunstfehler, der dem Chirurgen unterlief, hat er sich auf eine abgelegene Schäreninsel zurückgezogen. Das ehemalige Haus der Großmutter ist zu seiner "Festung" geworden. Hier kann er, abgeschirmt von der Außenwelt, seine Rituale pflegen. Im tiefsten Winter, bei schneidendem Wind, hackt er jeden Morgen ein Loch ins Eis und springt hinein. Für ihn ist dies die einzige Möglichkeit, sich selbst zu spüren, zu merken, dass er noch lebt.
    Mankell erzählt die berührende Geschichte, wie der Einsiedler Frederik wieder ins Leben zurückfindet. Aus der freiwilligen Verbannung wird er von Harriet gerissen. Sie erinnert ihn an ein Versprechen, das er ihr vor 40 Jahren gegeben hat, damals, als beide noch ein Paar waren. Sie verbrachten einen verliebten Sommer in Stockholm - bis zum Verrat, als er, ohne sich auch nur zu verabschieden, mit einem Stipendium in die USA abreiste und sich nie wieder meldete. Nun ist Harriet sterbenskrank und verlangt, wie damals versprochen, mit ihm an einen Waldsee im Innersten Norrlands zu fahren. Dort wollten sie im Mondlicht schwimmen. Die Reise durch das winterliche Schweden wird für Frederik zu einer Reise ins Leben, für Harriet gibt es keine Rettung.
    Es sind die vielen Begegnungen mit ungewöhnlichen, teils skurrilen Menschen, die etwas in Frederik auslösen. Es sind Individualisten, Traumatisierte, lebenskluge Stadtflüchtlinge wie der steinalte Italiener Giaconelli, der Schuhmacher, der nur zwei Paare im Jahr fertigt, oder Agnes, die sich um schwer erziehbare Mädchen kümmert. Schritt für Schritt entdeckt Frederik die Schönheit und die Grausamkeit des Lebens wieder und spürt das Bedürfnis nach Nähe.


    Im Ich lese gerade-Forum sind schon einige Meinungen zu dem Buch vertreten. Aber ich denke, dass es unbedingt auch über den Rezensionsindex gefunden werden muss.


    Seit zwölf Jahren lebt Frederik, abgeschottet vom Rest der Welt und der Menschheit, auf seiner einsamen Insel, wo nur für wenige Wochen im Jahr Sommer herrscht. Die meiste Zeit ist er umgeben von Eis, Schnee und Nebel, Gesellschaft leisten ihm ein Hund und eine Katze. Er will es nicht anders, er scheint mit seinem Leben zu hadern, sein Denken kreist um den Kunstfehler, den er als Arzt begangen hat, und er hat keinerlei Interesse an irgendjemandem oder irgendetwas außerhalb seiner kleinen Insel. Sogar der Postbote, sein einziger Kontakt zur Außenwelt, der ein paar Mal in der Woche vorbeikommt, geht ihm auf die Nerven. Ab und zu füllt er seine Gefriertruhe, mehr braucht er zum Leben nicht. Ein typischer Fall von Selbstmitleid?
    Bis eines Tages Harriet vor ihm steht, seine große Liebe, die er vor 40 Jahren ohne Abschiedswort verließ. Damals hatte er ihr ein Versprechen gegeben, das sie jetzt, wo sie sterbenskrank ist, einfordert. Aber sie fordert noch mehr, und wenn Frederik auch anfangs annimmt, eine unbequeme Reise in die Vergangenheit zu starten, macht er in Wirklichkeit die ersten Schritte in seine verbliebene Zukunft.
    Harriet dagegen macht ihre letzten Schritte. Ihr Körper verfällt immer mehr, und ihr Todeskampf ist begleitet von schrecklichen Schmerzen und Ängsten, die nur Morphium und Alkohol lindern.


    Ja, ich weiß: Das Buch ist überladen mit Personen, die merkwürdige Dinge tun (z.B. unentwegt und ohne Erfolg Briefe an Poltiker zu schreiben, jährlich zwei Paar Schuhe anzufertigen, auf eine abstruse Weise Selbstmord zu begehen, usw.) Ich weiß auch, dass der Plot nicht immer stringent und folgerichtig ist. Und ich habe bemerkt, dass einige Handlungen eingebaut sind, die weder Sinn noch Zweck haben (Wirbelwind hat es im anderen Thread erwähnt) und die dem Leser nicht erklärt werden.
    Aber all das ist mir diesmal völlig egal. Ich bin hingerissen von diesem Buch. Frederiks Weg wird ohne Pathos erzählt, vieles geschieht ganz einfach, und er reagiert zunächst darauf, dann endlich fängt er an, selbst aktiv zu werden, indem er z.B. mit dem Opfer seines Arztfehlers Kontakt aufnimmt.
    Das Buch erzählt von der Hoffnung, dass es nie zu spät ist, etwas ganz anderes zu machen, und dass nichts, was geschieht (außer dem Tod) endgültig ist, und dass man nie sagen kann, in einer Sache sei das letzte Wort gesprochen.


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Vielen Dank für die Rezi, Marie ... :winken:


    Du hast recht, die hat wirklich gefehlt. Wie im "Ich lese gerade ..." Thread beschrieben, war ich von dem Buch total begeistert und empfehle es uneingeschränkt :thumleft:

    "Ein Leben ohne Hund ist möglich, aber sinnlos ..."

    (nach Loriot)

  • Hallo,


    ich kann eure Begeisterung leider nicht teilen, möget mir meinen Verriss verzeihen... :wink:


    Die Faszination, die dieser Schriftsteller vor nur einigen Jahren noch auf mich ausübte schwindet (fast) zu meinem eigenen Bedauern mit jeder Neuerscheinung.( der Chinese ist upper class!)
    Waren die „flüsternden Seelen“ einer der schwächsten Afrikaromane, „vor dem Frost“ der flachste Krimi, „Kennedys Hirn „ ein unglaubwürdiger und dazu „verschwörungstheoretischer“ Schwachsinn, so kann ich den Italienischen Schuhen auch nicht viel Positives abgewinnen.



    Der bedauernswerte Arzt kann diesen Fehler nicht überwinden und zieht sich auf eine nördliche Insel zurück, wo er allein mit Hund, Katze und einem Ameisenhaufen im Schlafzimmer dahinvegetiert und jeden Morgen ein Loch in die Eisschicht hackt und in das Wasser eintaucht (ich liiiebe Märtyrer).
    Nach zwölfjährigem Eremitendasein bekommt er Besuch, oh, welche Überraschung, von seiner ersten großen Liebe, die er aus unerklärlichen Gründen verlassen hat und so erfährt er, dass, erstens, er ihre einzige Liebe war und zweitens, dass sie an Krebs erkrankt ist. (doch, es kommt noch ärger!)


    Diese ist, selbstredend, eine starke Frau geworden, die sich um Flüchtlingsmädchen kümmert und hat ihm zweifelsohne den Missgriff verziehen.
    Und…nein, es entwickelt sich keine stürmische Leidenschaft zwischen den beiden, nur fast, er wollte schon, sie wollte nicht (ist schließlich eine GANZ charaktervolle Frau), doch die Kussversuche, nein, die kann sie ihm nicht verzeihen (was ist schon ein verlorener Arm gegen einen ungewollten Kuss)



    Und die italienischen Schuhe?
    Sie werden gebraucht um Zhuang Zi zitieren zu dürfen: Wenn der Schuh passt, denkt man nicht an den Fuß.
    Vielleicht der einzig kluge Satz in diesem Meer von Peinlichkeiten.


    herzlichst: Alixe

    [i][color=#000066][font='Verdana, Helvetica, sans-serif']Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand. [size=8](Erasmus von Rotterdam)

  • möget mir meinen Verriss verzeihen


    Kein Problem, bei jedem Verriss trifft es jemanden, dem das Buch gefällt. Ich habe eher ein Problem damit, dass Du den gesamten Inhalt, sogar Einzelheiten, verrätst, die mich beim Lesen überrascht haben. Wenn ich das Buch nicht bereits kennen würde, wäre ich jetzt verdammt ärgerlich. :twisted:


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ups, gut dass ich dieses Buch schon gelesen habe. Es hat mir im Gegensatz zu Alixe sehr gut gefallen. Wie wir aus verschiedenen Beiträgen in diesem Forum erfahren haben sind nun mal die "Geschmäcker" des Lesens sehr verschieden, ist sogar zu begrüssen ;)
    Allerdings muss ich mich der Meinung von Marie anschliessen, Alixes Inhaltsangaben sind etwas zu ausführlich, schade :-?
    LG
    Serjena

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Ich habe eher ein Problem damit, dass Du den gesamten Inhalt, sogar Einzelheiten, verrätst, die mich beim Lesen überrascht haben. Wenn ich das Buch nicht bereits kennen würde, wäre ich jetzt verdammt ärgerlich.


    Allerdings muss ich mich der Meinung von Marie anschliessen, Alixes Inhaltsangaben sind etwas zu ausführlich, schade


    Marie
    serjena


    Ist eine von euch beiden bitte so nett :pray: und gibt mir die entsprechenden Passagen durch (evtl. per PN) damit ich sie "spoilern" kann? Ich kenne das Buch leider noch nicht, und kann mir daher kein Urteil darüber bilden was "versteckt" werden muss... :-k


    Gruss Bonprix :wink:

  • Ups! Was habe ich denn hier verbrochen. :-?
    Ich werde in Zukunft acht geben, keine wichtigen Inhalte zu verraten. Mich stört das nämlich nicht, respektiere aber selbstverständlich eure Sicht.


    Entschuldigt bitte


    herzlichst: Alixe

    [i][color=#000066][font='Verdana, Helvetica, sans-serif']Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand. [size=8](Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo Ihr Lieben,
    ich habe das Buch gestern beendet und es klingt heute noch sehr nach. Das ist das beste Zeichen, das es, für meinen Geschmack, genial war. Warum, kann ich gar nicht mal erklären, es war keine Megastory und trotzdem oder vielleicht deshalb, hat sie mich sehr in ihren Bann gezogen. Trotz dass ständig etwas passierte, fand ich das Buch angenehm ruhig erzählt und es macht enormen Mut, endlich sein Leben doch so zu leben, wie man es gerne möchte. Manchmal braucht man für diese Erkenntnis Anstöße von außen. Auch die Protagonisten, durch die Bank weg, waren mir alle sehr sympathisch. Einerseits waren die Ereignisse schon an den Haaren herbeigezogen und doch hatte man das Gefühl "that's life!". Irgendwie sehr ambivalent, aber ich habe es sehr sehr genossen... :thumright:

  • Ich habe das Buch "nur" gehört, aber gelesen von Axel Milsberg, was absolut empfehlenswert ist. Mir hat die Geschichte sehr gefallen und kann mich Marie nur anschließen.
    Ich war hingerissen und kann es nur empfehlen, und wie gesagt, mit der Stimme von Axel Milberg besonders toll :)

    "Wenn es nicht geht wie es soll, dann soll es wie es geht!" Kluun

  • "Die italienischen Schuhe" war meine erste Begegnung mit Henning Mankell, und es macht Lust auf mehr! Ich mochte diese Geschichte sehr, habe die Personen in all ihren Eigenarten recht liebgewonnen und habe Frederik Welin sehr gerne auf seine Reise in die Vergangenheit, die gleichzeitig auch eine Reise in die Zukunft ist, begleitet. Manche Passagen schrammten zwar meiner Meinung nach sehr knapp an der Grenze zur Sentimentalität vorbei, das tat aber in diesem Fall dem Lesevergnügen keinen Abbruch! Schöne Story, schön zu lesen!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Vier Jahre nach dem Lesen habe ich das Buch nun gehört, und diese Fassung begeistert mich nicht so wie das Buch aus Papier.


    Axel Milberg liest gut. Er liest ohne die unnomale Verstellung der Stimme, wenn z.B. Frauen sprechen. Ein Pluspunkt für ihn.
    Allerdings: Es ist schwierig für mich, das reale Bild des Vorlesers aus dem Kopf zu scheuchen, wenn es sich um eine Ich-Erzählung handelt. Und so hatte ich leider ständig Klaus Borowski, den von Milberg verkörperten Tatort-Kommissar vor Augen, und zu dem passte diese Geschichte nicht.


    Auch die Kürzungen sind nicht gelungen; einige Passagen habe ich vermisst, die mir vom Buch her in Errinnerung waren.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • “Die italienischen Schuhe” erzählt voller Schwermut und Melancholie über das einsame Leben auf einer Schäreninsel.


    Ich finde, den Roman wegen einiger Abschiede und der Gesamtstimmung recht traurig, aber ohne dass ich nun näher auf den Inhalt eingehe hat die Geschichte viel zu bieten und regt zum Nachdenken über das eigene Leben an.


    Die Geschichte ist fast ein bisschen philosophisch erzählt, über Einsamkeit, geplatzte Träume, Verrat und Enttäuschung. Andererseits geht es aber auch um die Liebe, den Mut manches Schicksal zu akzeptieren, aber andererseits auch bereit zu sein, manche Dinge nach langer Zeit zu ändern; Abschied zu nehmen und sich für einen neuen Lebensabschnitt öffnen; Außerdem sich Fehler einzugestehen, um Verzeihung zu bitten und alte Versprechen einzulösen.


    Ein typischer Mankell – mit Tiefgang, teilweise etwas skurrilen Akteuren und der charakteristischen skandinavischen Schwermut. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Mit diesem Buch zeigt sich Henning Mankell inhaltlich und sprachlich von einer völlig neuen Seite. Nachdem nun auch der letzte Fan wohl akzeptiert hat, dass er seine Wallander-Serie nicht fortsetzen wird, auch nicht mit dessen Tochter Linda und ihrem Freund, ist es wohl an der Zeit, die anderen Bände Mankells mehr zu würdigen und endlich von den Vergleichen mit den alten Bänden Abstand zu nehmen. Sein Anfang 2007 veröffentlichter letzter Afrika-Roman "Die flüsternden Seelen" war im Original schon 1999 in Schweden aufgelegt worden , sodass es sinnvoll ist, das hier vorliegende Buch in der Abfolge der Romane "Tiefe" (2005) und "Kennedys Hirn" (2006) zu lesen. Hatten die beiden letzten Romane noch viel gezeigt vom zornigen Henning Mankell, der sich einfach nicht abfinden kann mit den zum Himmel schreienden Zuständen auf der Welt, schlägt er in "Die italienischen Schuhe" einen Ton an, der neu für ihn ist.
    Sicher - auch hier sind fast alle Protagonisten eher Außenseiter und Gestrandete einer immer schneller und menschenverachtender werdenden Gesellschaft, aber sie sehen sich nicht als Opfer, sondern versuchen aus ihrer Situation etwas mal mehr oder auch mal weniger Kreatives zu machen.


    Es ist ein Buch geworden der eher kleinen Töne, das sprachlich auf sanften Füßen daher kommt und den Leser mitnimmt auf eine Reise, bei der er es nicht verhindern kann, dass er sich betreffen lässt von der Thematik. Es geht um das Altwerden, um das Alleinsein im Alter. Es wird erzählt vom verpassten und verlorenen Leben, es handelt von der Frage, ob es so etwas wie Vergebung geben kann, die einem auch kurz vor dem Lebensende noch einmal neues Leben schenken kann. Es geht um die gewährte Gnade einer zweiten Chance nach großen und unwiderruflichen Lebensfehlern. Das Buch erinnert an den ebenfalls in der Hanser/Zsolnay Gruppe 2006 erschienenen Roman "Pferde stehlen" von Per Petterson. Ähnlich wie Petterson entführt auch Mankell seine Leser in äußere und innere Landschaften, die ihn, wenn er es zulässt, verändert zurückkehren lassen. Beide Bücher klingen lange nach, stoßen im Leser Biographisches an und fordern seine existentielle Aufmerksamkeit und Präsenz. Beides übrigens Kennzeichen wirklich guter Literatur.


    Fredrik Welin, mittlerweile 66 Jahre alt, war lange Jahrzehnte ein erfolgreicher Chirurg, bevor etwas, was er zunächst nur die Katastrophe" nennt, seiner beruflichen Karriere ein selbst gewähltes Ende setzt. Er hat bei der Amputation des Armes einer jungen und sehr erfolgreichen Schwimmerin den falschen entfernt. Voller Schuldgefühle zieht er sich auf eine Insel in den Schären zurück, wo er mit seinen Großeltern schon Teile seiner Kindheit verbrachte. Er lebt dort einfach, hat nur Kontakt mit dem Postzusteller Jansson, den er auch immer wieder einmal als Arzt behandelt. Er erwartet nichts mehr, dennoch quält ihn die Schuld von damals, als eines Tages um die Wintersonnenwende eine alte Frau mit einem Rollator vor seinem Haus steht. Es ist Harriet, die einzige große Liebe seines Lebens, die er vor fast 40 Jahren unter ziemlich schändlichen Umständen verlassen hat. Harriet ist todkrank, ein unheilbarer Krebs zerfrisst sie von innen.


    Neben einer Antwort auf ihre nach wie vor wütende Frage, warum er sie damals verlassen hat, verlangt sie von ihm die Einlösung eines damals gegebenen Versprechens: er soll mit ihr an einen einsamen Waldsee in Nordschweden fahren, wo er selbst in seiner Kindheit mit seinem Vater war. Sie brechen mitten im Winter dorthin auf und erleben unterwegs eine Menge von Begegnungen. Unter anderen lernt er den über 90-jährigen italienischen Schuhmacher Giancionelli kennen, der jedes Jahr nur zwei Paar Schuhe herstellt und Fredrik ein Paar verspricht, die er ganz Ende auch erhält. Fredrik erfährt, dass er eine Tochter hat, die in einem Wohnwagen wohnt und seit Jahren Briefe an die Staats- und Regierungschefs der Welt schreibt und sie auf Missstände hinweist.


    Fredrik Welin begreift das Geschenk und die Gnade dieser zweiten Chance in seinem Leben, und bleibt nach seiner Rückkehr auf seine Insel sowohl mit Harriet als auch mit seiner Tochter Louise in Kontakt. Und er nimmt Kontakt auf zu Agnes, der Frau, an deren Arm er vor Jahren den verhängnisvollen Fehler beging, der seiner beruflichen Tätigkeit ein Ende setzte.
    Er trifft sie und lernt eine Frau kennen, die ihr Lebensschicksal auf bewundernswerte Weise gemeistert hat, und die sich Mädchen angenommen hat, die jeder andere schon abgeschrieben hat.


    Fredrik Welin, der die ganze, sich von einer Wintersonnenwende zur nächsten über ein Jahr hinziehende Geschichte selbst erzählt, stellt sich seiner Schuld und seiner Lebenslüge und am Ende kann er, eine Notiz seiner mittlerweile verstorbenen Harriet aufgreifend, in sein Logbuch notieren:
    "Bis hierher sind wir gekommen. Nicht weiter. Aber bis hierher."


    Henning Mankell hat ein stilles, aber nicht minder
    engagiertes und bewegendes Buch geschrieben über Erfahrungen und Auseinandersetzungen des letzten Lebensabschnittes. Ob junge Menschen, die von seinen Wallander- Romanen begeistert waren, die neue Stimme Mankells hören wollen, oder überhaupt können, sei dahin gestellt.
    Aber wer bereit ist, sich ernste Fragen nach Schuld und Vergebung, Alter und Einsamkeit zu stellen, wird von diesem Roman außerordentlich für sich selbst profitieren.