Georges Rodenbach: Dichtungen

  • Georges Rodenbach: Dichtungen; 103 Seiten; 2000 erschienen im AutorenVerlag Matern, Duisburg; ISBN: 3-929899-32-9






    "Der Einstieg in eine Geschichte fällt mir oft sehr schwer. Daher
    schreibe ich ihn meistens am Ende," erzählte mal eine Kollegin. Sie
    selbst, eine gestandene Journalistin, war damals bei verschiedenen
    Zeitungen beschäftigt und berichtete über lokale Themen. So weit so
    gut. Ob sie jemals auch Literaturkritiken geschrieben hat, erzählte sie
    nicht.


    Ob sie wohl das Buch "Dichtungen" von Georges Rodenbach kennt? Keine
    Ahnung. Der Inhalt des Buches ist aber schnell beschrieben. Genau 15
    Gedichte, jeweils auf Deutsch und Französisch, sowie 2 weitere größere
    Prosatexte machen den Hauptteil des Buches aus. Doch nicht simple
    Liebesschwüre oder Humoresken machen die Texte aus. "Der flämische,
    französisch schreibende Symbolist wird erstmals mit einer größeren
    Auswahl seiner Dichtungen vorgestellt. Der Leser lernt seine
    Lebenswelt, gedankliche Unabhängigkeit und seine Offenheit für das
    Ewige kennen. Rodenbach ist ein Symbolist, den es erst noch zu
    entdecken gilt," wirbt Oskar Fahr, von dem Auswahl und die Übersetzung
    stammt. Hinzu kommt noch ein umfangreicher Teil mit Fußnoten. HIer gibt
    es Hinweise zu dem Autor und seine Texte, zur Übersetzung,
    Erläuterungen zu den Werken, ein paar einführende Worte zum Autoren
    sowie Literaturhinweise. Oskar Fahr ergänzt den literarischen Teil noch
    um ein eigenes Essay, das auf dem in dem Gedichtband enthaltenen Werk
    "Mentales Aquarium" basiert.


    Was wohl die eingangs erwähnte Kollegin über das Buch sagen würde? Gute
    Literatur wird hier geboten. "Rodenbach ist ein Meister der Tristesse
    und ein Forscher nach dem Ewigen." Was sich nach Werbespruch anhört,
    hat aber durchaus seine Berechtigung. "Man kommt noch voran. Es ist
    trüb; im Nordwind erscheint jedes Haus wie mit einem Toten dain. Ein
    Bahnwärter fern bläst Signal." Dies ist die 1. Strophe des Gedicht
    "Nachtzug". Sie ist ein gutes Beispiel für den Stil Rodenbachs. Es sind
    gut lesbare Texte, die aber auch ein Faible für eher schwermütige
    Stimmungen voraussetzen. Ob man dem Autoren wohl Unrecht tut, wenn man
    sagt, daß es Texte für lange Herbstabende sind, an denen der Regen an
    die Fensterscheiben prasselt und man sich als Leser gemütlich in den
    Sessel kuschelt? Lediglich das "Buch von Jesus", das lediglich auf
    Deutsch abgedruckt ist, macht einen wenig ausgereiften Eindruck. Zu
    viele Einschübe und Auslassungen stören den Lesefluß massiv.


    Auch das Essay ist nicht für Leute ohne literaturwissenschaftliche und
    / oder philosophische Vorbildung geeignet. Was eigentlich bedauerlich
    ist. Rodenbach ist in Deutschland unbekannt, wie Fahr immer wieder
    betont. Was wäre also naheliegender, als Rodenbach und seinen
    Stellenwert in der Literatur zu behandeln. Wer beeinflußte Rodenbach?
    Wie bekannt ist Rodenbach in seiner belgischen Heimat? Welchen Einfluß
    hatte er auf die dortige Literattur? Dies wären mögliche, spannende
    Themen für ein Essay gewesen. Hier verpaßt Fahr die Möglichkeit,
    Rodenbachs Persönlichkeit genauer vorzustellen.


    Georges Rodenbach (1855 - 1898): Seine Vorfahren stammen aus dem
    Rheinlad. In Tournai im Hennegau geboren, wuchs Rodenbach in Brügge
    auf. Er etablierte sich in Brügge als Rechtsanwalt und war dort bereits
    schriftstellerisch tätig. Ab 1887 lebte er als Schriftsteller in Paris,
    wo er auch an den Folgen einer Lungenentzündung starb.


    An dieser Stelle seien auch ein paar Worte zu Oskar Fahr erlaubt. 1932
    geboren, übersetzt er Autoren aus dem Französischen und
    Englischen. Er schreibt Erzählungen, die kontinuierlich in der
    Literaturzeitschrift "Der Mongole wartet" erscheinen, und Gedichte. Er
    ist Mitherausgeber der wissenschaftlichen Reihe "Strukturen der Macht.
    Studien zum politischen Denken Chinas". Er lebt und schreibt in
    Duisburg.