Immer wieder wurde dieses Buch zur Hand genommen, immer
wieder wurde es zugunsten eines anderen Buches zur Seite gelegt. Wie sich jetzt
nach der Lektüre herausstellte, wurde diesem Buch mit dem oftmaligen
Zurücksetzen ziemlich Unrecht getan. Denn dieses Buch ist wirklich lesenswert.
Erstmals erschien dieses Buch im Jahre 1921 und seine Handlung spielt auch zu
dieser Zeit.
Plötzlich und völlig erwartet verliert die
zweiundzwanzigjährige Lucy ihren Vater. Noch ehe sie den Verlust überhaupt
realisieren kann trifft sie auf den gut zwanzig Jahre älteren Everard Wemyss.
Schnell schafft er es dem Mädchen die Geborgenheit zu geben, die sie vor dem
immer vom Vater bekommen hatte. Aber langsam wird aus der Geborgenheit
Bevormundung und weder das junge Mädchen noch die Tante, bei der Lucy nach dem
Tode des Vaters Unterschlupf gefunden hat, können dem Wemyss Entscheidendes
entgegensetzen. Und so kommt wie es kommen muss, Everard Wemyss heiratet Lucy
und macht sich quasi zum absoluten Herrscher über das junge Mädchen. Bei der
Titelheldin dieses Buches handelt es sich um die Ex-Frau des Wemyss, die
vierzehn Tage vor seinem Kennenlernen mit Lucy einem tödlichen Unfall zum Opfer
fiel. Ihr Schatten ist allgegenwärtig, als Lucy zum ersten Mal den Landsitz
ihres Gatten besucht.
Die Charakterisierung des Everard Wemyss ist
Elizabeth von Arnim meisterhaft gelungen. Er ist der Prototyp des
selbstgerechten Egoisten, der genaugenommen nur für sich Interesse hat und der
seiner jungen Frau nicht den Hauch einer eigenen Meinung zugesteht.
Die
Autorin hat ein sehr anregendes Buch geschrieben. Sehr angenehm zu lesen und
offenbar so etwas wie ein Spiegel der damaligen Zeit. Frauen sind mehr oder
weniger rechtlos und werden von ihren Ehemännern ganz offen unterdrückt. Die
Autorin schildert unaufgeregt aber durchaus engagiert die Rolle der Frau im
England der Zwanzigerjahre des vorigen Jahrhunderts. Auch Lucy muss erfahren,
dass sie aus der Sorglosigkeit und aus dem liberalen Elternhaus in einen golden
Käfig gewechselt ist. Gewohnt an lebhafte Diskussionen mit dem Vater muss sie
sich nun in allen Dingen völlig zurücknehmen.
Das Buch ist auch Plädoyer
für die Gleichberechtigung der Frauen und eine Anklage gegen den „Absolutismus“
der Ehemann. Sehr lesenswert.