Ludwig Renn - Krieg

  • Inhalt:
    Die Geschichte wird erzählt vom kleinen Soldaten Ludwig Renn (dessen Namen der Autor Arnold Vieth von Golßenau später auch als Pseudonym annahm), der mit seiner Truppe an der Westfront des Ersten Weltkrieges steht. Thema ist die unglaubliche Monotonie des Stellungskrieges; es passiert nicht viel an echter Handlung, es geht immer nur vor und zurück durch die Schützengräben. Renn erlebt den Tod vieler Kameraden, das Grauen des Krieges und kurze Urlaube und Aufenthalte im Lazarett.


    Meine Meinung:
    Wenn man vor der Lektüre dieses Buchs nicht weiß, dass Ludwig Renn in Wahrheit Arnold Vieth von Golßenau hieß, aus adligen Verhältnissen stammte und im Krieg nicht etwa kleiner Soldat, sondern Offizier war, könnte man annehmen, dieser Text sei autobiografisch. Die Sprache ist die eines nicht sehr gebildeten Mannes und kommt dem Leser fast schon "drehbuchähnlich" vor, denn nicht nur ist die Erzählweise sehr nüchtern und völlig wertfrei, sondern es werden auch immer wieder lautmalerische Elemente eingefügt, um das Kriegsgeschehen zu versinnbildlichen. Man erfährt so gut wie gar nichts über den Protagonisten, es wird wirklich nur der Ablauf des Soldatenlebens erzählt. Ich fand das sehr angenehm, dass man sich durch die wertfreie, emotionslose, reportagenhafte Erzählweise sehr gut in die Hauptperson hineinversetzen und sich seine eigenen Gedanken zum Geschehen machen konnte. Es wird einem nicht ständig ein "Oh mein Gott, es war alles so schrecklich" vorgesetzt, wie z.B. in Remarques "Im Westen nichts Neues" - ich meine, dass alles schrecklich war, kann man sich doch denken, wozu das auch noch dauernd erwähnen? -, sondern man bekommt die blanken Fakten eines Soldatendaseins erzählt und durch diese Nüchternheit ist man viel näher am Geschehen dran, als wenn man sich auch noch mit den Gedanken und Wertungen der Hauptperson auseinandersetzen müsste. Für mich war das sehr erfrischend und ich würde dieses Buch jedem empfehlen, der sich mit dem Ersten Weltkrieg beschäftigen möchte. Man sieht sehr deutlich, dass Renn wirklich Ahnung von dem hatte, was er schrieb und wirklich die blanke Wahrheit zu Papier brachte, im Gegensatz zu Autoren wie Remarque, bei denen deutlich wird, dass sie zum Teil reißerische Elemente in ihr Buch einbauen, um die Spannung zu steigern, was mich sehr gestört hat.

  • Dieses Buch musste ich in meiner Schulzeit lesen. Dabei ist ist musste das falsche Wort, es sollte eher durfte heißen. Ich habe es in richtig guter Erinnerung. Deine Rezi, JuleBule, nehme ich zum Anlass, dieses Buch aus der Versenkung zu holen und noch einmal zu lesen. Ich bin gespannt, ob es mir nach 30 Jahren immer noch gefallen wird. Mein Lieblings-Jugendbuch war übrigens "Trini", auch von Ludwig Renn.

  • Ich finde es recht schön zu sehen, mit welchen unterschiedlichen Mitteln die Schriftsteller in den 1920er Jahren den Ersten Weltkrig darstellen und verarbeiten.
    Einerseits beispielsweise Remarque mit seiner sehr persönlichen und emotionalen Sichtweise, die kaum jemanden unberührt lässt. Auf der anderen Seite hier Renn, den man mit diesem Buch wohl als Verrtreter der "Neuen Sachlichkeit" einordnen kann.
    Egal, ob nun das grosse Sterben mit all seinen Schrecken und Erlebnissen geschildert wird oder das pure, abgestumpfte Funktionieren des Soldaten im Schützengraben, eindrücklich sind beide Vertreter auf ihre Weise. Und dass dieser Krieg für die Soldaten am Ende nichts Heldenhaftes bereit hält, das kommt in beiden Werken eindrücklich zum Tragen. Und ab 1933 wurden dann die Werke beider Autoren verboten und verbrannt. Erstaunlich finde ich, dass Remarque mir in meiner schulischen und bibliophilen Laufbahn schon sehr früh begegnete, während Renn hier in Bayern nur eine Randnote blieb. Wohl leider bedingt durch den Kalten krieg und die Tatsache, dass Renn Kommunist und Mitglied der SED war.
    Lesenswert, jedes auf seine Weise, finde ich die Bücher beider Schriftsteller.

    Shalom, kfir


    :study: Joe Hill - Teufelszeug
    :thumleft: Farin Urlaub - Indien & Bhutan - Unterwegs 1 #2533 signiert


    "Scheiss' dir nix, dann feit dir nix!"

  • Eigentlich sehr schade, dass man auch Ludwig Renn in die Gruppe der "vergessenen Schriftsteller" packen muss. Genaugenommen auch er ein Opfer des Kalten Krieges; dabei waren seine Bücher nie ideologisch zugekleistert. In jedem Falle werde ich dieses Buch in nächster Zeit einfach mal wieder aus dem Bücherschrank holen.

  • In diesem Zusammenhang würde es mich schon interessieren wie viele Ost-Autoren nur deshalb nicht von Westverlagen verlegt wurden, weil sie auf der falschen Seite des Eisernen Vorhanges lebten und/oder eine zu linke Ausrichtung (Mitgliedschaft in der Partei) hatten und wieviele Bücher aus Ostverlagen nicht in westdeutschen Buchhandlungen landeten. Und ob nicht auch der westliche Staat da irgendwie Einfluss drauf nahm. Wäre nett, Infos zu bekommen, wenn sich jemand damit auskennt. Gerne auch in einem gesonderten Thread, damit wir hier nicht zu Off-Topic werden.

    Shalom, kfir


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