Rafik Schami - Erzähler der Nacht

  • Kurzmeinung

    volatile
    Tolles orientalisches Märchen, mit einer leichten und dennoch poetischen Sprache, die mich verzaubert hat.
  • Inhalt:
    Dieses Buch von Rafik Schami spielt in Damaskus und handelt von dem Kutscher und Geschichtenerzähler Salim, welcher eines Tages verstummt. Eine Fee aber berichtet ihm, dass er seine Stimme wiederbekommt, wenn er innerhalb von 3 Monaten sieben einzigartige Geschenke erhält.
    Für Salims sieben Freunde klingt das leicht, und sie versuchen es auch indem sie Salim sieben verschiedene Weine kosten lassen und an sieben verschiedenen Parfums riechen lassen. Doch all das zeigt keine Wirkung.
    Kurz vor Ende der Frist kommen die Freunde auf eine letzte rettende Idee: jeder der sieben muss Salim eine Geschichte vortragen. Jeden Abend treffen sich dann die 8 Freunde und jeden Abend erzählt ein anderer eine Geschichte. Doch der wortkarge Ali weigert sich von Anfang an auch seinen Beitrag zu leisten...


    Meinung:
    Dies war das erste Buch, dass ich von Schami gelesen habe, und es hat mich nicht enttäuscht. Die vielen Geschichten die in diesem Buch vereint sind, sowie die Art und Weise wie sie erzählt werden, macht Lust auf mehr. Jede Geschichte wird nicht nur einfach hinuntererzählt, sondern wird eingeleitet von Informationen über den der sie gerade erzählt. So erfährt man bei jeder Geschichte auch etwas über verschiedene Lebenswege und Schicksale - und es werden also Märchen und Wirklichkeit vereint.

    "Wie soll auch eine Generation von Männern, die hauptsächlich von Müttern, Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen umsorgt und erzogen wurde, Frauen glücklich machen?"
    (Generation Doof)

  • Ich habe das Buch vor einigen Wochen gelesen und fand es großartig, wie übrigens alles, was ich von Schami gelesen habe. Dann habe ich es gekauft, um es zu verschenken und habs behalten.


    Es gibt ein Problem, wenn man zuviele Schami-Bücher kurz hintereinander liest: Viele von ihnen enthalten das Motiv, dass eine Geschichte entwickelt wird, in der verschiedene Geschichten durch einen oder mehrere Protagonisten erzählt werden, die sich zum größten Teil um Personen / Familien / Ereignisse aus kleinen orientalischen Orten drehen. Diese Geschichten wirft man schnell im Kopf durcheinander, und man weiß bald nicht mehr, welche Geschichte zu welchem Buch gehört.


    Mich fasziniert an Schamis Erzählungen, dass sie so leicht und unbeschwert sind, dass sie sich gut lesen lassen und trotzdem nicht seicht oder oberflächlich sind.


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Das ist bislang das einzige Buch, was ich von Rafik Schami gelesen habe. Von der Sprache her hat es mir gut gefallen, inhaltlich nicht so sehr. Die Konzeption des Buches – eine Reihe von Geschichten, die in eine Rahmenhandlung eingebettet sind – ist ja nichts Neues. Diese Geschichten fand ich nun aber weder spannend noch interessant noch sonderlich tiefgründig, kurz gesagt, eigentlich ziemlich fade und nichts sagend. Was mich ins Grübeln gebracht hat, ist ein Zitat von Rafik Schami auf der Rückseite des Buches:


    Zitat

    Heute kann ich ein kleines Geheimnis verraten: Ich wollte einmal alle Möglichkeiten des Erzählens in einer Geschichte versammeln. Zunächst hielt ich das für unmöglich, aber nach vielen Versuchen ist es mir gelungen, alle auf der Erde bekannten Erzählkünste in diesem Buch zu verstecken. Nicht einmal die Art, wie das Feuer dem Holz erzählt, ist mir entkommen.« Rafik Schami


    Inwiefern hat er alle bekannten Erzählkünste in dem Buch versteckt? Es müsste dann doch ein sehr radikales, ungeheuer komplexes Buch sein. Die Geschichten werden aber doch auf mehr oder weniger traditionelle Weise erzählt. Oder sind diese sämtlichen Erzählkünste der Welt so gut versteckt, dass ich zumindest sie nicht entdecke?


    Gruß mofre

    :study: Olga Tokarczuk - Gesang der Fledermäuse

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  • Aber hallo! Da bin ich komplett anderer Meinung als Du, @ mofre. (Wo ist der Smiley, der zuschlägt??? :wink: )


    Schamis Kunst ist die Kunst des Einfachen, und das ist der ganze Zauber. "Alle bekannten Erzählkünste der Welt" - das ist nicht nur Goethe + Shakespeare + Eco + Joyce, sondern auch Grimm + Bibel + Tausendundeinenacht + Omas Einschlafgeschichten. Beschränke das Wort "Erzählkünste" nicht auf die Literaten, sondern auf alle Menschen, die Geschichten erfinden und erzählen.


    Es ist doch auch so: Wenn Du von einer anstrengenden Wanderung o.ä. erschöpft nach Hause kommst, ist Dir Mamas gute Suppe lieber als ein 5-Sterne-Menu. Und Mamas Suppe ist einfach, aber alles Gute ist drin, Fleisch, Gemüse, Gewürze (und obendrein noch mit Liebe gekocht).


    Marie

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  • Schamis Kunst ist die Kunst des Einfachen, und das ist der ganze Zauber.


    Marie, das will ich Dir gerne zugestehen, und ich habe auch beileibe nichts gegen die Kunst des Einfachen (auch wenn sie mir in diesem Buch nicht zusagt). Es geht mir auch nicht um literarische Wertungen, aber die Behauptung Schamis, dass es ihm gelungen sei, alle bekannten Erzählkünste der Welt in diesem Buch zu verstecken, verblüfft mich nach wie vor. Ich bin nämlich der Meinung, dass kein Erzähler – weder meine Oma noch Goethe – so etwas schafft, weil jeder auf seine besondere, ureigene Weise erzählt. Das Buch zeigt die Erzählkunst Schamis, aber bestimmt nicht alle bekannten Erzählkünste der Welt!


    Gruß mofre


    Es ist mir bis jetzt nicht gelungen, Joyce durchzulesen. Dir etwa?

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  • Fast jedes mal, wenn ich in der Buchhandlung meines Vertrauens nach neuer Literatur linse, hält man mir eines seiner Bücher unter die Nase. Ich bin bis dato resistent geblieben, erstens, weil mein SuB sowieso schon gewaltig genug ist, und zweitens, weil ich mit dem arabischen Kulturraum eh so meine Schwierigkeiten habe. Doch je mehr ich über Rafik Schami höre, nicht zuletzt eure Rezensionen und Berichte, werde ich wohl doch mal eines seiner Bücher versuchen müssen.

    Shalom, kfir


    :study: Joe Hill - Teufelszeug
    :thumleft: Farin Urlaub - Indien & Bhutan - Unterwegs 1 #2533 signiert


    "Scheiss' dir nix, dann feit dir nix!"

  • @ kfir, versuch es ruhig mal. Vielleicht kannst Du mir ja dann die Sache mit "alle auf der Welt bekannten Erzählkünste" erklären, die beschäftigt mich nämlich schon, seit ich das Buch gelesen habe, und das ist Jahre her. Ich habe mir jetzt "Die Sehnsucht der Schwalbe" auf den Wunschzettel gesetzt. Mal sehen, ob ich besser damit zurecht komme.


    Gruß mofre

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  • @ mofre, Die Sehnsucht der Schwalbe ist im Prinzip ähnlich aufgebaut: Es geht auch um Geschichten in der Geschichte, aber die Geschichten, die der Protagonist erzählt, spielen nicht, wie in Schamis anderen Büchern, ausschließlich an orientalischen Orten. Auch wenn ich Schamis Bücher generell sehr mag, ist "Die Sehnsucht der Schwalbe" mein Favorit. (Und auch gut zum Einsteigen, kfir.)


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Mir ergeht es ähnlich wie Marie:
    Ich habe mehrere Bücher von Schami gelesen, aber "Die Sehnsucht der Schwalbe" ist mein Einsteiger und immer noch mein Lieblingsbuch von Schami. :thumleft:
    Dabei stelle ich gerade fest, es ist schon einige Zeit her, das ich ein Buch von ihm gelesen habe...ich glaube, ich muss meine Wunschliste etwas "füttern"! :mrgreen:

  • Rafik Schami lässt in seinen Büchern die Erzählkunst des Orients wieder aufleben und oft spielt das Erzählen ansich eine Rolle in seinen Geschichten. So auch hier. Es geht um Salim, den besten Geschichtenerzähler der Stadt Damaskus, der im Jahr 1959 plötzlich verstummt. Und es geht darum, wie seine sieben Freunde ihn mit sieben Gaben erlösen. Sieben Gaben, die nichts anderes sind als Geschichten. Diese Rahmenhandlung bildet die Bühne für viele spannende, tiefgründige, manchmal augenzwinkernde Erzählungen. Dem Leser begegnen Könige, Händler und Bauern, schöne Frauen und schaurige Monster. Nicht selten entspinnt sich eine Geschichte innerhalb der Geschichte, wodurch es bisweilen etwas verworren zugeht. Am Ende sorgen solche Einschübe aber nur dafür, dass die Spannung noch weiter steigt und man - genau wie die Protagonisten - endlich erfahren möchte, wie es ausgeht.
    Mit einer einfachen und doch kunstvollen Sprache entführt Rafik Schami den Leser in das Damaskus der 50er/60er Jahre, und von da aus weiter in eine Welt, in der Wahrheit und Lüge, Fantasie und Wirklichkeit nicht immer klar zu trennen sind.
    Ich habe dieses Buch in sehr kurzer Zeit gelesen und mich gern verzaubern lassen.

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: