Freda Warrington: Dracula Der Untote kehrt zurück; Verlag Kiepenheuer & Witsch Köln 1998; ISBN: 3-462-02680-1; 24,90 DM; 413 Seiten
"Sieben Jahre sind vergangen, seit van Helsing, Jonathan und Mina Harker und ihre Freunde dem nächtlichen Treiben des Grafen Dracula ein grausames Ende setzten. Doch der schöne Schein trügt. Zunächst wissen die Verbündeten von damals die Zeichen nicht zu deuten: Plötzlich spielt die ansonsten friedliche Katze der Harkers verrückt, die frommen Eheleute werden von wüsten, erregenden Träumen heimgesucht, und auch das bezaubernde Kindermädchen Elena benimmt sich mit einem Mal höchst seltsam. Bald können sich die Harkers und ihre Freunde der schrecklichen Erkenntnis nicht entziehen: Dracula ist zurück," berichtet die Inhaltsangabe auf dem hinteren, schwarzen Buchdeckel.
Der Kampf Gut gegen Böse geht also weiter. Graf Dracula steht von den Toten auf und strebt dabei die wahre Unsterblichkeit an. Mit der schönen Elena findet er ein williges Opfer, das ihm hilft, seine düsteren Ziele zu erreichen.
Und dennoch ist das vorliegende Buch so ganz anders als das literarische Original von Bram Stoker. Lord Goldaming scheidet schon früh aus eigenem Antrieb und auf Nimmerwiedersehen aus der Geschichte aus. Mit Beherit und Kovacs tauchen zwei weitere Vampire auf und nehmen auch aktiv am Geschehen teil. Der Kampf Gut gegen Böse wird hier um den Kampf Vampir gegen Hölle (oder wie auch immer man das nennen möchte) erweitert. Das Ende fällt dementsprechend spektakulär aus. In welchem anderen Roman öffnet sich die Hölle schon so drastisch? Das Nachwort von Quinces Harker scheint da fast schon darauf hinzudeuten, daß es eine weitere Geschichte um Graf Dracula geben wird. Ob Freda Warrington schon wieder am Schreiben ist?
Die Handlung beginnt in Transsylvanien, fährt dann in England fort und endet wieder in Transsylvanien, wobei der Berg, in dem die Schule der Scholomanten gelegen ist, auf keiner Landkarte enthalten ist. Ist er also ein Phantasieprodukt? Liest man das biblische Buch der Offenbarung, liest man dort vom endzeitlichen Kampf um die Welt. Auch wenn Warringtons Werk keine biblischen Ausmaße annimt, so bleibt doch die Frage, ob nicht biblisch-christlichens Gedankengut in die Geschichte einfließt. Kann man Dracula und Beherit als gefallene Engel ansehen? Trotz aller Bösartigkeit und Verschlagenheit denkt Dracula auch ansatzweise über sich selbst nach. Soweit ihm möglich empfindet er Gefühle wie Liebe, Einsamkeit und väterliche Sorge für Quincey als seinem möglichen Sohn.
Das Buch ist zwar formal in Tagebuchform gehalten, ist aber faktisch ein Roman. Er liefert eine dramatische und spannende Unterhaltung, die gut lesbar ist. Es ist aber sinnvoll, zuerst das literarische Original und dann den Nachfolgeroman zu lesen. Die Handlung bleibt ansonsten unverständlich; die Bezüge auf das Erstlingswerk sind doch zu viele. Man kann das Buch Warringtons zwar auch als eigenständiges Werk betrachten; ohne den Vorgänger ist es aber unverständlich. Es steht ganz in der Tradition der sanften Horrorliteratur, die eher andeutet als daß die abstoßende, widerliche oder ekelerregende Szenen beschreiben würde. Das Buch ist wirklich empfehlenswert.