Daniel Pennac - Paradies der Ungeheuer

  • Die Originalausgabe erschien 1985 unter dem Titel „Au bonheur des ogres“ bei Éditions Gallimard



    Daniel Pennac ist genau wie Fred Vargas ein Kultautor in Frankreich und genau wie sie schreibt er eigenwillige, leicht surrealistisch angehauchte Kriminalromane. Aber damit ist die Ähnlichkeit zwischen den beiden auch schon vorbei. Denn im Gegensatz zu Vargas leisen, poetischen Geschichten geht es bei Pennac bunt, laut und chaotisch zu. Exzentrische Typen, groteske Situationen und bizarre Mordfälle bestimmen das turbulente Geschehen in diesem ersten von sechs Romanen um die ebenso liebenswerte wie verrückte Familie Malaussène und ihrer nicht minder spleenigen Freunde: dem schwulen Theo, der sich rührend um einsame alte Männer und um Transvestiten kümmert, der attraktiven, leider zu Ladendiebstahl neigenden Journalistin Tante Julia und nicht zuletzt Hund Julius, der zwar etwas streng riecht, es an Sensivität aber mit jedem Medium aufnehmen kann. Die Malaussènes wohnen in einem ehemaligen Laden in dem heruntergekommenen Pariser Stadtviertel Belleville, dessen multikulturelle und multisexuelle Einwohnerschaft harmonisch zusammenlebt. Weil Maman „immer auf Rolle“ ist und Väter nicht vorhanden sind, muss der Ich-Erzähler Benjamin seine jüngeren Halbgeschwister aufziehen. Rund um die Uhr ist er nicht nur damit beschäftigt, das Geld für den durchgeknallten Clan zu verdienen, sondern auch noch ständig kleinere und größere familiäre Katastrophen zu bereinigen. Dabei steckt er selbst in der Bedrouille. In dem Kaufhaus, in dem er als eine Art Sündenbock fungiert, der bei Reklamationen der Kunden die Schuld auf sich nimmt, kommt es zu einer Reihe von tödlichen Bombenexplosionen. Weil Benjamin sich merkwürdigerweise immer gerade in der Nähe aufhält, wird er schnell zum Hauptverdächtigen.


    Die mit viel Tempo und Wortwitz erzählte Geschichtet steckt voller komischer Einfälle, schlägt ständig Haken und ist durchsetzt mit literarischen Anspielungen und kleinen philosophischen Weisheiten. Auf die Dauer ist der amüsante Stil aber doch ermüdend, zumal ich das realitätsferne, leicht kitschige Idyll der Schrulligen, wie man es auch aus Armistead Maupins „Stadtgeschichten“ kennt, nur begrenzt ertragen kann. Die Personen bleiben - zumindest in diesem ersten Band - ziemlich eindimensional. Auch wenn sie alle mit irgendeiner individuellen Macke ausgestattet sind, erscheinen sie doch nicht als wirkliche Individuen. Der Kriminalfall schließlich steht wie alles andere ganz im Zeichen des Skurrilen, so dass die brutalen Bombenanschläge und ihr wahrlich grausiger Hintergrund statt zu schockieren eher kurios wirken.


    Das Buch ist also nichts für Freunde spannender Krimis. Wer aber hin und wieder gern mal abgefahrene, actionreiche und witzig geschriebene Geschichten über exzentrische Leute liest, könnte an der Malaussène-Reihe seinen Spaß haben. Mir persönlich ist die sanfte Schrägheit der Vargaschen Romane lieber.


    Gruß mofre

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    :study: Reiner Stach - Kafka. Die Jahre der Entscheidung















  • Ein Versuch wäre es auf jeden Fall wert. *auf die Wunschliste schieb*
    Danke für den Hinweis :wink:

    Im Leben kann man auf vieles verzichten. Außer auf Katzen und Bücher!


    :study: Der Drachenbeithron von Tad Williams
    :musik: Die Bücherdiebin von Markus Zusak


    mb-db

  • Oh, das hört sich nach was schönem für meine Wunschliste, oder noch besser: für meinen SUB an!!! :dance:
    Schöner Tipp, Danke!

    Das Missliche an neuen Büchern ist, dass sie uns hindern, die alten zu lesen.
    J.Joubert

  • Hallo mofre!
    Danke für interessaten Tipp. Obwohl ich keine Krimis lese, diese Geschichte hört sich richtig gut an.
    Kommt auf die Wunschliste.
    LG

    2024: Bücher: 74/Seiten: 32 651

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Mein Blog: Zauberwelt des Lesens
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    "Das Nicht-Wahrnehmen von Etwas beweist nicht dessen Nicht-Existenz "

    Dalai Lama

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    Lese gerade:

    Morris, Brandon Q. - Tachyon. Der Planet

  • @Emuna, das Buch ist wirklich kein herkömmlicher Kriminalroman.Es gibt zwar ein durchgehendes Krimimuster in allen sechs Bänden – der Hauptheld Benjamin wird jedes Mal in einen ungewöhnlichen Mordfall verwickelt und muss selbst ermitteln, um seine Unschuld zu beweisen -, aber hauptsächlich geht es doch um die zahlreichen Probleme und Verwicklungen der exzentrischen Malaussènes und ihrer Freunde.


    Gruß mofre

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  • Hallo, mofr,
    eigentlich mag ich die, für die Krimis typische, Ermittlung nicht so gerne. Hier ist es wohl anders. :winken:
    Liebe Grüße

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  • Ciao Emuna, keine Angst! Polizeiliche Ermittlungen kommen in dem Buch gar nicht vor. Weil Benjamin aber unter Mordverdacht gerät, beginnt er notgedrungen, Nachforschungen anzustellen, die natürlich sehr unorthodox und skurril verlaufen.


    Gruß mofre

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  • Ich habe das Buch jetzt angefangen zu lesen: HERRLICH!!! Diese Sprachgewandtheit, einfach nur köstlich. Ich habe nun die ersten 60 Seiten rum, und freue mich auf das, was noch kommt!!! :thumleft:

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    J.Joubert

  • Ich habe das Buch gestern fertig gelesen! Ein Buch, genau nach meinem Geschmack! Humorvoll und intelligent geschrieben. Es ist wirklich kein klassischer Krimi, aber wer skurrile Geschichten mag (so wie ich), für den ist das genau das richtige!!! :thumleft:

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    J.Joubert

  • Tja, bei Seite 92 war dann Schluß.
    Ich hatte mich auf ein Buch gefreut, dass nicht ganz alltäglich ist, man gut anschaltten kann und sich in eine andere Welt entführen lassen kann.
    Lachen konnte ich schon. Und dem roten Faden der Geschichte auch folgen.
    Aber ich glaube Herr Pennac und ich sind nicht einer Meinung, was Wortwitz und Gedankensprünge angeht.
    Ich habe bis jetzt nicht verstanden, ob die Zuhörer seiner Geschichten seine Kinder oder seine Geschwister waren.
    Und wie alt ist Benjamin überhaupt? Ich kann mich in die Geschichte und Pennacs Gedanken nicht nicht einfinden.
    Wenn ich zwischendurch dachte, okay ich habs geschnallt, kam der nächste Sprung und wußte wieder nicht, was gerade überhaupt passiert.
    Da macht mir das Lesen leider keine Freude. :(

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