Charlotte Roche - Feuchtgebiete

  • Ich glaube, Ihr missversteht einander. Grundsätzlich hat blutelf doch erstmal Recht. Job einer Verkäuferin ist es, die Ware zu verkaufen und nicht, von deren Kauf abzuraten, egal ob es sich dabei um Elektrogeräte, Schuhe oder Bücher handelt. Würde sie den Kunden bestimmte Waren ausreden, wäre sie die längste Zeit Verkäuferin in dem Laden gewesen.


    Bei Büchern liegt die Sache ein wenig anders, die sind nun mal reine Geschmackssache. Doch es wäre auch hier falsch, einem Kunden ein Buch mies zu machen, genau wie es falsch wäre, es ihm aufzuschwatzen. Ich halte viele Bücher für großen Mist, die andere wiederum ganz toll finden (und umgekehrt). Ich kann meine Meinung im privaten Kreis oder im Forum äußern, aber eine Verkäuferin muss da vorsichtiger sein, vor allem wenn sie den Kunden nicht kennt. Bei Stammkunden, deren Geschmack sie in etwa einordnen kann, kann sie natürlich Empfehlungen aussprechen und sogar Zweifel äußern, ob ihm ein bestimmtes Buch gefalle, aber es wäre schon sehr befremdlich, wenn sie einen fremden Kunden anherrschen würde: "Stellen Sie sofort die "Feuchtgebiete" zurück. Das ist nichts für Sie. Hier, kaufen Sie lieber den "Faust" von Goethe". :loool:
    Außerdem ist über "Feuchtgebiete" so viel geredet und geschrieben worden, dass die Kunden wissen, was sie tun. Die meisten kaufen das Buch gerade aus Neugier auf den schlüpfrigen Inhalt (warum auch nicht). Ich glaube, da hätte eine Verkäuferin gar keine Chance, den Kunden vom Kauf abzbringen. Allenfalls kann sie ihn durch ein geringschätziges "bitte, wenn sie sowas mögen" einzuschüchtern versuchen. :wink:


    Gruß
    mofre


    Genau so meinte ich es auch,nur hast DU es besser Formuliert,als ich ^^ Danke :friends:

  • Worum es geht



    Helen Memel liegt nach einer Intimrasurverletzung im Krankenhaus. In den Tagen nach der Operation beschäftigt sie sich intensiv mit der Ausscheidung sämtlicher Körperflüssigkeiten, mit sexuellen Fantasien und ihrer Avocadokernzucht. Vor allem aber wartet sie auf den gemeinsamen Besuch ihrer geschiedenen Eltern und träumt von deren Versöhnung an ihrem Krankenbett ("...damit zusammenwächst, was zusammengehört ..."). Weil beide aber nur selten und schon gar nicht zur selben Zeit erscheinen, will Helen solange im Krankenhaus bleiben, bis sie ihr Vorhaben in die Tat umgesetzt hat. Um nicht nach Hause gehen zu müssen, fügt sie sich absichtlich eine weitere Verletzung zu.


    Wie es mir gefallen hat


    Hat man erst einmal die vor allem anfangs beschriebenen Ekelszenen hinter sich, sieht sich der Leser im Grunde genommen mit einer sehr traurigen Geschichte konfrontiert.


    Eine 18-jährige, die sich selber starke Schmerzen zufügt, um nicht aus dem Krankenhaus entlassen zu werden, die auf ihrer Suche nach Liebe für ihr Alter sexuell viel zu abgebrüht erscheint und viel zu sehr auf ganz natürliche Körperfunktionen fixiert ist, außerdem schon reichlich Erfahrung mit Alkohol und Drogen hat, kann mich mit ihrem Hang zur unhygienischen Handhabung ihrer Ausscheidungen nicht erschrecken. Vielmehr habe ich dahinter den verzweifelten Hilferuf eines jungen Mädchens vernommen, das nach Aufmerksamkeit und Zuwendung verlangt. Helen sehnt sich nach der heilen Welt einer intakten Familie, während in ihrer eigenen, zerbrochenen, kaum noch miteinander geredet wird oder ohnehin nie wurde. Sicher sind ihre Handlungen nicht unbedingt dazu angetan, Sympathie für sie zu erwecken, umso wichtiger finde ich es, einen Blick hinter dieses Verhalten zu werfen und die Gründe zu hinterfragen.


    Meiner Meinung nach hat die Autorin diese Aufgabe sehr gut, wenn auch auf recht unkonventionelle Weise gelöst. Weil in vielen Kommentaren der Ekelfaktor ja ganz besonders hervorgehoben wird, möchte ich dagegen halten, dass mich grausame Szenen in Romanen, in denen Menschen oder Tiere brutal gequält werden, emotional wesentlich mehr und oft auch nachhaltiger erschüttern als Helen mit ihren diversen Vorlieben.


    Stilistisch konnte ich nach mancherlei Befürchtungen ebenfalls eine positive Überraschung verbuchen, zumal Charlotte Roche bzw. ihre Heldin trotz aller Unappetitlichkeiten auch Sinn für Humor zeigt. Immer wieder kommt es zu witzigen Formulierungen, bei denen ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte.


    Mein Fazit: Im Gegensatz zur oft vernichtenden Kritik fand ich das Buch zwar gewöhnungsbedürftig, aber keinesfalls skandalös oder gar unlesbar. Die Autorin nähert sich dem sensiblen Thema einer physischen und psychischen Kindesvernachlässigung zwar auf recht unkonventionelle Weise und widersetzt sich damit sämtlichen Regeln des guten Geschmacks; weil ich hinter den derben Schilderungen aber auch eine Botschaft entdecken konnte, kann ich ins allgemeine Entsetzensgeschrei nicht einstimmen. Wer als routinierter Leser einmal Lust auf ungewöhnliche Literatur und eine nicht besonders niedrige Ekelhemmschwelle hat, kann ich von Frau Roches Roman in keinem Falle abraten.

  • Unbedingt skandalös fande ich das Buch jetzt auch nicht. Es ist einfach nichts für mich und die Geschichte war für mich auch ab und zu verwirrend. Ich bin jetzt auch irgendwie froh es ausgelesen zu haben.


    Von mir gibt es :bewertung1von5: :bewertung1von5: .

  • Bei mir ist es ja schon eine Weile her als ich das Buch gelesen habe. Ich fand es eigentlich ganz witzig :D
    Klar ist es stellenweise etwas eklig, aber die Autorin schreibt da eben über Dinge, die sich viele gar nicht wagen auszusprechen.
    Meiner Meinung nach erkennen sich da mehr wieder als sie zugeben wollen ;)


    In diesem Fall fand ich den Fall übrigens besser als das Buch. Die Hauptdarsteller waren einfach nur toll und wahnsinnig sympathisch und die Musik erst :love:
    Mein Freund fand das Buch besser, weil beim Film ein paar Szenen fehlten. Das empfand ich aber als nicht schlimm, weil es genug "Ekelszenen" gibt.


    Die Welt ist wie ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon.


    :tanzensolo:


    Gelesen 2016 : 9
    Gelesen 2015 : 44
    Gelesen 2014 : 78

  • Mittlerweile habe ich auch den Film gesehen und der hat mich dazu animiert, das Buch noch einmal zu lesen. Der Film hat mir ein bisschen besser gefallen, da im Buch schon manchmal echt übertrieben wurde. So abstoßend wie vor ein paar Jahren finde ich es zwar nicht mehr, ich bleibe aber weiterhin bei der Meinung, dass Helen das Paradebeispiel für einen vernachlässigten Teenager ist, der sich einfach nur nach Liebe sehnt

    Nur indem wir uns selbst prüfen, erreichen wir Meisterschaft über uns selbst. Nur so können wir mehr werden als wir sind.

    Matthew Stokoe (high life)

  • Klappentext:
    Nach einer missglückten Intimrasur liegt die 18-jährige Helen auf der Inneren Abteilung von Maria Hilf. Sie wartet auf den Besuch ihrer geschiedenen Eltern. Unterdessen nimmt sie jene Bereiche ihres Körpers unter die Lupe, die gewöhnlich als unmädchenhaft gelten. „Feuchtgebiete“ ist eine Exkursion zu den letzten Tabus der Gegenwart. Mutig und radikal rebelliert Charlotte Roches Roman gegen den standardisierten Umgang mit dem weiblichen Körper und seiner Sexualität – und erzählt dabei die wunderbar wilde Geschichte einer ebenso genusssüchtigen wie verletzlichen Heldin.



    Zum Hörbuchbuch/CD Gestaltung:
    Das Cover zeigt die Schauspielerin Carla Juri, passend zur Filmgestaltung, in einer frechen Geste mit einem leuchtend pinken Hintergrund. Falls jemand "Feuchtgebiete" noch nicht kennt, wird auf Grund der Gestaltung direkt aufmerksam und neugierig und fragt sich, was sich wohl hinter diesem frech leuchtenden Cover verbirgt.
    Die Audio CDs sind im selben Design gestaltet wie auch das Cover des Hörbuches. Mir gefällt diese Gestaltung sehr gut, obwohl mir das erste Cover des Buches, mit dem Pflasteraufdruck, um einiges besser gefallen hätte.


    Meine Meinung:
    Mit "Feuchtgebiete" habe ich mein erstes Hörbuch gehört und ging ohne große Erwartungen ans Hörbuch heran und wurde nicht enttäuscht. Ich habe diese Geschichte vorab als Buch gelesen und war da schon sehr angetan von der Geschichte und hebe mich da deutlich von den negativen Meinungen ab. Ich hatte während des Lesens aber auch während des Zuhörens eine Menge Spaß.


    Gelesen wurde das Hörbuch ebenfalls von Charlotte Roche und ich empfand ihre Stimme sehr angenehm und auch passend zur Protagonistin Helen.
    Sie brachte durch ihre verschiedenen Stimmlagen eine Atmosphäre auf, als würde man neben Helen im Krankenhauszimmer in einem Bett liegen und sie beobachten.


    Helen ist eine sehr provokante Persönlichkeit und nimmt kein Blatt vorm Mund. Diese Eigenschaft habe ich teilweise bewundert. Es gibt einige "Ekelfaktoren" und "sexuelle Neigungen" die jetzt nicht jedermanns Sache sind. Doch ich habe diese Szenen mit viel Humor gesehen und konnte darüber herzlich lachen, trotz einigen gänsehautähnlichen Schauern, die mir den Rücken hinunterliefen.
    Es gab einige Handlungen, in denen ich mich gefragt habe, ob dies überhaupt so möglich ist und habe die bildlichen Szenen ganz schnell aus meinem Gedächtnis verbannt.
    Eine sexuelle Fantasie von Helen bezüglich ihres Vaters, fand ich jedoch ziemlich daneben und diese hätte nicht in dieser Geschichte sein müssen.


    Die Geschichte spielt die ganze Zeit im Krankenhauszimmer ab. Das Ende bleibt teilweise offen und lies mich fragend zurück. Hier ist die Fantasie des Lesers gefragt, was wohl danach passieren wird oder könnte.


    Mich hat dieses Hörbuch sehr gut unterhalten und ich würde es immer wieder hören, um einfach aus meinem Alltag zu entfliehen um mich zu belustigen. Empfehlenswert für offene und unvoreingenommene Menschen, die einen hohen Ekelfaktor besitzen, werden genau soviel Spaß an diesem Hörbuch haben, wie ich es hatte.



    Fazit:
    In "Feuchtgebiete" erzählt Charlotte Roche über die Trennung ihrer Eltern ihre ganz eigenen Hygienestandards, sexuellen Fantasien und Praktiken, aber auch über jedes einzelne Detail ihrer Entdeckungseigenschaften an ihrem eigenem Körper. ~ provokant ~ mutig ~ humorvoll. Nicht empfehlenswert für schwache Gemüter!


    Meine Wertung: 4,5 von 5 Blumen