Luigi Pirandello: Mattia Pascal

  • Luigi Pirandello - Mattia Pascal
    (OT: Il fu Mattia Pascal)


    Luigi Pirandello, Sizilianer, Nobelpreisträger 1934, bekannter Dramatiker schrieb mit "Mattia Pascal" einen Entwicklungsroman der besonderen Art. Der Originaltitel verrät es ein wenig: "Il fu" heißt "der verblichene". Die Hauptperson ein Toter? Ja und nein:
    Mattia, aufgewachsen in vermögenden Verhältnissen, durch Misswirftschaft des Verwalters arm geworden, in einer unglücklich Ehe steckend ergreift die Flucht: weg aus dem heimatlichen sizilianischen Dörfchen, nach Monte Carlo, wo er eine Menge Geld gewinnt. Wieder auf dem Nachhauseweg fällt ihm eine Zeitung mit einem Bericht über einen Selbstmord in die Hand: seinem eigenen. Und er entscheidet sich diesen fatalen Fehler auszunutzen; ein neues Leben auf Wanderschaft zu beginnen, ohne Geldsorgen, ohne die Frau und die verhasste Schwiegermutter.
    Doch schon bald muss er feststellen, dass ein Dasein als lebender Toter gar nicht so einfach ist, auch in Italien gibt es eine Meldepflicht und in Rom, wo er schließlich lebt, sich verliebt, diskutiert, nachdenkt, an Seancen teilnimmt, überwältigt ihn dieses Gefühl irgendwann. Er will zurück in sein Leben, wieder Mattia Pascal sein! Zurück auf Sizilien warten nicht nur auf seine Familie, die ihn tot glaubt, eine Überraschung, sondern auch auf Mattia.


    Ich hatte diesen Roman als "Nachlektüre" für meine Sizilienaufenthalt letztes Jahr gekauft. Dafür taugt er überhaupt nicht - lieber "Il Gattopardo" lesen ;-), er spielt kaum auf Sizilien und wenn atmet er kein sizilianisches Flair.
    Nicht Pirandellos Fehler, sonder meiner, und ich bin auch in keiner Weise enttäuscht, dass diese Erwartung nicht eintraf. Belohnt wurde ich stattdessen mit einem intelligenten Roman mit einer ungewöhnlichen Handlung. Ein Roman, der sich mit Fragen der Identität, gesellschaftlichen Konventionen und philosophischen Fragestellungen beschäftigt. Nachdenklich-Besinnliches wechselt sich mit komischen Szenen ab, bedingt auch durch einige Charakterköpfe wie dem theosophischen Vermieter Anselmo, der "klassischen" Schwiegermutter und Tante Scholastica, die immer durchgreift, wenn nötig.


    Den Dramatiker spürt man hinter der etwas episodenhaften Erzählweise, was mir es manchmal etwas schwer macht "am Ball zu bleiben". Um ein Fazit zu ziehen: eine lohnende, nachdenklich-stimmende Lektüre mit italienischem Temperament!


    Katia

  • Ich habe mich mit diesem Roman ein bisschen schwer getan,
    vielleicht weil ich ihn kurz nach „Il Gattopardo“ gelesen hatte. Gegen dessen fast
    schon heitere philosophische Gelassenheit erschien mir „Mattia Pascal“ etwas
    zähflüssig und trocken. Aber es ist doch faszinierend, mitzuerleben, wie die
    vermeintliche Chance des Protagonisten auf ein neues, freieres und
    glücklicheres Leben sich als großer Irrtum entpuppt. „Il fu“ heißt „verblichen“,
    bedeutet ganz wörtlich aber „gewesen“, und Mattia Pascal muss feststellen, dass,
    wer seinen Namen ablegt, auch seine Identität verliert, und dass es ohne
    Vergangenheit weder Gegenwart noch Zukunft gibt. Die Angst vor Entdeckung, die ständigen
    Verstellungen und Lügen lassen Nähe und Freundschaft nicht zu, Mattia Pascal ist
    gefangen und isoliert in einem tristen Niemandsland. Auch wenn mir der Roman
    vom Stil her nicht so zusagt, ist doch die Thematik von Sein und Schein sehr
    interessant.





    Gruß mofre

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