John Banville - Die See/The Sea

  • Der Kunsthistoriker Max Morden kehrt an jenen Ort zurück, mit dem er aufregende und unbeschwerte, tiefschürfende und sehr prägende Erinnerungen verbindet: das Haus am Meer.
    Er hat erst vor kurzem seine geliebte Frau Anne nach einem Jahr des Kampfes gegen den Krebs verloren. Um die Trauer zu bewältigen, den unendlichen Verlust zu verarbeiten ruft er Kindheitserinnerungen wach, in denen vor allem die etwas unkonventionelle Familie Grace eine große Rolle spielt. Doch mit dieser Reise in die Vergangenheit werden auch alte Wunden aufgerissen.


    Herausragend – weil unbeschreiblich kunstvoll, ergreifend und wortgewaltig – ist der Stil dieser Erzählung. Banville jongliert mit verschiedenen Zeitebenen, lässt detailreiche Beschreibungen und kurze Momentaufnahmen von Landschaften, Gerüchen, Gefühlen und Personen einfließen, ohne auch nur an einer Stelle in Sentimentalitäten oder Gefühlsduseleien zu verfallen und fügt so das Lebensbild des Max Morden im Laufe der Erzählung mosaikartig zusammen. Max Morden ist keine sympathische Figur, er ist ich-bezogen, eitel und starrköpfig. Und doch bringt man Verständnis für ihn auf und begleitet ihn gerne auf seinem Weg zu einer Erkenntnis, die auf den letzten Seiten offenbart wird.
    Nicht zuletzt vermitteln die wunderbaren Beschreibungen des Meeres anhand vieler Metaphern die Vergänglichkeit des Lebens, die Bedeutung von Gegenwart und Vergangenheit, das Zusammenspiel von Liebe und Leiden.


    Ein ruhiges Buch, ein stimmiges Buch, ein Buch, das den Leser sehr nachdenklich zurücklässt. Äußerst empfehlenswert!


    Der Ire John Banville, geb. 1945, erhielt für diese „meisterhafte Studie über Trauer und erinnerte Liebe“ (Jury) den Man Booker Prize 2006.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Danke für die Rezension. Dieses Buch steht bereits auf meinem Wunschzettel (von Strandläuferins Wunschzettel abgekuckt). Wenn das Taschenbuch erscheint, wird es sicher nicht mehr lange dauern, bis es den Weg auf meinen SuB findet.

    Das Paradies habe ich mir immer als eine Art Bibliothek vorgestellt.
    (Jorge Luis Borges)

  • Hallo Rosalita,
    danke für deine Vorstellung. Das klingt wirklich schön...und noch schöner ist, das es bis zur Taschenbuchausgabe nicht mehr lange dauert. :cheers:

  • Das Buch steht schon einige Zeit auf meinem Wunschzettel, jetzt werde ich es mir wohl doch noch zulegen. Danke für die Rezension!

    Shalom, kfir


    :study: Joe Hill - Teufelszeug
    :thumleft: Farin Urlaub - Indien & Bhutan - Unterwegs 1 #2533 signiert


    "Scheiss' dir nix, dann feit dir nix!"

  • JuleBule: Die ersten 25-30 Seiten sind in der Tat äußerst gewöhnungsbedürftig. Es verrinnen die Zeitebenen ineinander, es bedarf eines sehr aufmerksamen Lesens. Außerdem werden manche Passagen erst am Ende des Buches klar und offensichtlich. Doch entweder gewöhnt man sich an den Stil, oder es wird zunehmend "einfacher", mit dem Rest des Buches hatte ich diese Probleme nicht.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Danke fuer die tolle Rezi, Rosalita! Ja, was fuer eine Schreibe dieser Mann hat! Wie er mit den Erzaehlebenen jongliert mag anfaenglich verwirrend erscheinen, und setzt sich doch nach und nach zusammen zu einem Bild, das bis zur letzten Seite ergaenzt und erweitert wird. Bliebe man bei einem Element seines Erzaehlens stehen, koennte man zu frueh laut aufschreien: Jetzt habe ich ihn! So ist dieser Max! Oder die anderen, die doch stets mehr und anders sind als dies eine Element.
    Von der beschreibenden Sprache und dem Stil koennte man schon viel Beindruckendes sagen, doch da sind auch die zahlreichen Bemerkungen ueber Trauer, Distanz und Naehe, Sehnsuechte und vor allem das Erinnern, von denen man sich einige merken moechte.


    Mein erster Banville. Und er ueberzeugt mich total.

  • Ich fand das Buch eher langweilig, irgendwie nichtssagend und sinnlos. Es war nicht bewegend, hat mich nicht nachdenklich gemacht und irgendwie habe ich zu diesem Buch absolut keinen Zugang gefunden. Auch das manche Passagen erst am Ende des Buches klar werden, hat es meiner Ansicht nach nicht mehr herausgerissen. Wirklich nichts besonderes.

    Das Paradies habe ich mir immer als eine Art Bibliothek vorgestellt.
    (Jorge Luis Borges)

  • Ich weiss ehrlich gesagt gar nicht, was ich von dem Buch halten soll. Die Sprache fand ich wirklich grossartig, aber die Geschichte selbst hat mich nicht begeistert. Mehrmals habe ich überlegt, ob ich das Buch abbrechen soll, aber mich dann doch dagegen entschieden. Vielleicht war es auch einfach nur das verkehrte Buch zum verkehrten Zeitpunkt und ich nehme es mir in ein paar Jahren nochmals vor. 8-[

  • Vielleicht war es auch einfach nur das verkehrte Buch zum verkehrten Zeitpunkt und ich nehme es mir in ein paar Jahren nochmals vor. 8-[


    Das kann ich mir bei diesem Buch durchaus vorstellen, da muss die eigene Befindlichkeit auch stimmen, denn auf dieses Buch muss man sich meiner Meinung nach so richtig "einlassen" können. Schade, dass es Dir nicht so zugesagt hat!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
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  • Da entdecke ich doch gerade schon einen Thread über das Buch, das ich angefangen habe zu lesen. Sehr schön! :D Ich bin jetzt so ungefähr bis Seite 44 gekommen. Die ersten 30 Seiten empfand ich streckenweise als sehr anstrengend zu lesen, weil ich mich wegen der unterschiedlichen Zeitebenen ziemlich konzentrieren musste. Die Sprache ist dagegen einfach überwältigend. So langsam habe ich die unterschiedlichen Zeitebenen und die beschriebenen Personen in Griff und kann mich mehr auf die Geschichte einlassen.


    OT: Ich musste gerade wegen der Meldung schmunzeln: "Achtung! Die letzte Antwort auf dieses Thema liegt mehr als 638 Tage zurück. Das Thema ist womöglich bereits veraltet. Erstelle ggf. ein neues Thema."
    :lol: Das fand ich gerade so lustig :loool:

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

    Klassiker-Challenge 2024



  • OT: Ich musste gerade wegen der Meldung schmunzeln: "Achtung! Die letzte Antwort auf dieses Thema liegt mehr als 638 Tage zurück. Das Thema ist womöglich bereits veraltet. Erstelle ggf. ein neues Thema."
    :lol: Das fand ich gerade so lustig :loool:


    Ja, und zugleich auch sehr traurig, dass so wunderbare Bücher irgendwie in der Versenkung verschwinden .... statt von vielen, vielen gelesen zu werden! Auch hier, danke fürs "Aufwecken" des Threads und noch einen schönen Lesegenuss!!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
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    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Lesegenuß! Das Wort trifft es wirklich! Ich bin ganz überwältigt von dem Buch. Da sind Sätze dabei, die man sich direkt notieren möchte. Z.B. auf Seite 77: "Ach, Ma, wie wenig ich dich doch verstanden habe, damals, als ich meinte, du verstündest wenig."
    Banville hat eine unglaubliche Schreibe. Das Buch handelt von so vielen Sehnsüchten, Erinnerungen, verpassten Gelegenheiten. Einfach toll gemacht und wie ich finde, sehr realistisch!


    Mittlerweile wurde mir auch klar, warum ich Probleme hatte beim Einstieg in das Buch.

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  • @ Farast,
    Du hast mir gerade eine Entscheidung abgenommen. Auf der Suche nach Büchern für zwei 7-stündige Bahnfahrten habe ich meinen SuB umgeschichtet, wobei ich auf "Die See" stieß, und überlegte, ob es wegen seiner Kürze nicht passen würde.
    Dank Deiner Beschreibungen weiß ich jetzt, dass es nicht das richtige ist - vor allem in einem ganzen Abteil Mädels :bounce::tanzensolo: - und dass ich es lieber für ruhige Stunden aufhebe.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Marie: für ein Zugabteil voller Mädels wahrscheinlich nicht das richtige Buch .... aber sobald Du wieder zuhause bist sollte es die erste Wahl sein!!!!!!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
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  • Marie: definitiv kein Buch für eine quirlige Fahrt mit Mädels! Diese Lektüre braucht etwas "Platz" drumrum, um es mal so auszudrücken... Doch dann wird es für Dich ein Genuss werden (denke ich mal).

  • Marie: Ich glaube, du kannst dir schon denken was ich jetzt auch noch schreibe? Eindeutig ein Buch für die ruhigen Stunden :D Lass es nicht zu lange auf deinem SuB ruhen.
    Viel Spaß noch bei eurer Reise!

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  • Mittlerweile habe ich das Buch (leider) beendet. Ja, dieser Max Morden ist auf den ersten Blick nicht unbedingt der Sympathieträger. Nach und nach wandelte sich allerdings mein Bild von ihm, so dass ich mehr Verständnis für ihn hatte. Banville hat es hervorragend geschafft ein Buch zu schreiben, über die Bewältigung (oder sollte ich besser schreiben Nicht-Bewältigung?) von Erlebnissen. Von der Verarbeitung von Trauer und wie alte Wunden wieder durch die Verarbeitung in der Gegenwart neu aufgerissen wurden. Wunden die nie verheilt waren und wahrscheinlich auch nie verheilen werden.
    Für mich war es ein wirklich großartiges Buch!

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  • Den Kunsthistoriker Max Morden zieht es zurück an den Ort seiner Kindheit. Er hat jüngst seine Frau verloren, und flüchtet an die See, zu einem Leben außerhalb seiner Ehe. Der Autor berichtet von Erinnerungen, die nicht zur momentanen Situation zu passen scheinen, erst ganz zum Schluss lichtet sich da ein Geheimnis. Schon allein daran erkennt man die Zerrissenheit des Protagonisten, die sprachlich auch sehr gut herausgearbeitet wird.


    Und dennoch! Das Buch wird überall gelobt und angepriesen, der Autor beherrscht auch sein Metier, aber mich hat das Geschwafel um den heißen Brei herum genervt. Dieser Bewusstseinsstrom eines Egomanen hat mich nie in seinen Bann gezogen, alle Klischees dieser Persönlichkeit besitzt Max Morden, aber eins darf man dabei nicht erwarten, dass er dem Leser den Umgang mit seiner Frau und ihrem Tod, generell seine Gefühle näher bringt. Was der Klappentext so großartig verspricht, wird nicht gehalten. Die andere Geschichte, von der berichtet wird, hat mich aus diesem Grund nie interessiert und somit auch nicht erreicht.


    So fällt mein Fazit zu diesem Buch folgendermaßen aus: Künstlerisch gelungen, emotional lag es nicht auf meiner Bahn.


    John Banville, 1945 geboren, gehört zu den bedeutendsten zeitgenössischen Autoren Irlands. Sein umfangreiches literarisches Werk wurde mehrfach, auch international, ausgezeichnet. Er lebt und arbeitet in Dublin.