Nick Flynn - Bullshit nights. Die Geschichte mit meinem Vater

  • Nick Flynn arbeitete von 1984 bis 1990 mit Obdachlosen in Boston. Ab 1987 befand sich sein Vater, den er bis dahin nie gross kennen gelernt hatte , auf der Strasse und es kommt so zur grotesken Situation, dass Flynn Sohn den Vater im Heim beherbergt. Jener war ein Pseudoschriftsteller, der allerdings nie was zustande bekommen hat, aber stets in grosser Selbstueberzeugung nach Hoeherem strebt, doch dabei nach und nach sinkt und sinkt. Ueber Schiebereien und Alkoholismus, Gefaengnisaufenthalten geht es der Strasse entgegen. Seine erste Frau mit ihren zwei Kindern trennte sich von ihm schon 1963, als Nick gerade drei Jahre alt war, und so lernte er ihn nie kennen. Parallel und gekonnt erzaehlt Nick Flynn die Lebensgeschichte seines Vaters, wie er sie nach und nach rekonstruieren konnte als auch seine eigene, die von einer sehr unstabilen Kindheit und Jugend gepraegt war und ebenfalls in Halbdunkel und in zwielichtigen Verbindungen, auch Alkoholismus, spaeter aber auch in die Arbeit in ein Obdachlosenheim fuehrt.


    Im Beschreiben ihrer Existenzen in ihrer Verlorenheit, in ihren (Drogen-)Abhaengigkeiten, auch ihrem Selbstbetrug, ihrer Flucht vor sich selbst, geht Flynn mit dem Leser an Abgruende, die um so mehr wirken und auch brennen als dass sie ja nicht Fiktion, sondern Wirklichkeiten sind. Das Buch ist vollgespickt auch von am Rande auftauchenden Figuren und Schicksalen, die wohl fuer die meisten von uns eher einer fernen Phantasie zugeschrieben werden als knallharter Realitaet.
    Die schriftstellerische Auseinandersetzung mit der Gestalt des Vaters ist wohl Nicks Art, sein Auf- und Verarbeiten mit dem Leser zu teilen. Die Aneinanderreihung mancher Szenen wirkt manchmal irreal und abstossend und man fragt sich, ob das alles so wahr sein kann. Dabei sucht er wohl weniger ein falsches Mitleid mit sich, aber er laesst uns doch Verfallsgeschichten erahnen, die m.E. uns das Leiden manch sogenannter « heruntergekommener » Person naeher bringen und, eventuell, etwas in uns ausloesen kann?!Denn letztlich stellt er fest, dass er sich beruehren lassen muss von der Geschichte seines Vaters, dass er nicht an ihn vorbeikommt und « Sohn seines Vaters bleibt ».


    Keine Lektuere zur Unterhaltung, doch eine packende Beschreibung eines Vater-Sohn Verhaeltnisses und eines Lebens am Abgrunde.

  • Hier noch das Cover/der Link zu einer englischen Originalversion:


    Another Bullshit night in suck city
    !
    Sorry, will nicht klappen, dann eben hier eine ISBN: 978-0571214082

  • Danke, Tom, für die Buchvorstellung,
    hört sich für mich auf jeden Fall lesenswert, von dem Autor habe ich bislang noch nichts gelesen.


    Zitat

    Denn letztlich stellt er fest, dass er sich beruehren lassen muss von der Geschichte seines Vaters, dass er nicht an ihn vorbeikommt und « Sohn seines Vaters bleibt ».


    Hat mir gefallen,
    manch so eine Lebenserfahrungsgeschichte hat viel zu sagen...
    Bin darauf gespannt.

    2024: Bücher: 73/Seiten: 32 187

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

    --------------------------------------------------

    Mein Blog: Zauberwelt des Lesens
    ------------------------------

    "Das Nicht-Wahrnehmen von Etwas beweist nicht dessen Nicht-Existenz "

    Dalai Lama

    ------------------------------

    Lese gerade:

    Lapuente, Sofía/Shusterman, Jarrod - RETRO - Geh nicht online