Louis Begley - Schmidt

  • Louis Begley - Schmidt
    OT: About Schmidt


    Albert Schmidt, von Kindheit an von allen "Schmidtie" genannt, war ein erfolgreicher Anwalt in einer großen New Yorker Kanzlei. Soviel und schon weiß der erfahrene Begley-Leser, dass er einen Roman dieses Autors in der Hand hält, selbst wenn es nicht auf dem Umschlag stünde!
    Trotzdem hebt sich dieser Schmidt, dessen Leben wir konsequent aus seiner Perspektive verfolgen werden, von anderen Begleyschen Protagonisten ab. Schmidt ist kein Jude, ja, Schmidt hat sogar Vorurteile gegen Juden.
    Mit seinen 60 Jahren fühlt er sich eigentlich zu jung, um in Rente zu sein, ist es aber auf Wunsch der Kanzlei. Einsam wurde er durch den Tod seiner geliebten Frau Mary, die ein halbes Jahr vor Beginn der Handlung unter Schmerzen an Krebs starb. Seine sozialen Kontakt, die fast ausschließlich über seine Frau liefen, liegen brach.
    Es bleibt ihm noch seine Tochter Charlotte - doch das Verhältnis der beiden ist angespannt und die Kommunikation zwischen Vater und Tochter schwierig. Charlottes Verlobter Jon Riker, der in Schmidts alter Kanzlei arbeitet, ist ihm - vorsichtig formuliert - nicht sympathisch. Schmidt fühlt sich in seinem Haus nicht mehr wohl bei dem Gedanken es bald mit dem jungen Paar teilen zu müssen. Die Thanksgiving-Einladung bei Jons Eltern liegt ihm schwer im Magen.
    Und da ist noch Carrie, die junge, attraktive Kellnerin und ein seltsamer verlotterter Mann, der ihm nachzulaufen scheint...


    Begley ist ein einfühlsames Bild eines einsamen Menschen an der Schwelle zum Altwerden gelungen - eines entwurzelten Menschen, dem es an Kraft und Willen mangelt sein Leben neu zu gestalten. Schmidt ist kein einfacher Charakter, sondern einer an dem sich seine Umwelt und der Leser reiben kann.
    Erzählt wird die wenige Wochen umspannende Handlung aus einer Innenperspektive Schmidts heraus, in einem ironisch gefärbten, präzisen und doch ernsthaften Ton.
    Die Upper Class Welt New Yorks, in der der Roman spielt, wo Geldsorgen und -transaktionen in Millionen gedacht werden, wird gekonnt porträtiert und kritisiert und durch die Pueroricanierin Carrie wird ein Gegengewicht gesetzt, dass in der neuen Entwicklung Schmidt eine wichtige Rolle spielt. Dieser Handlungsstrang erinnert stark an Roths "menschlichen Makel", es sei aber bedacht, dass Begleys Roman zwei Jahre früher erschien.
    Das Ende hätte mich vielleicht etwas enttäuscht, gäbe es mit "Schmidts Bewährung" nicht eine Fortsetzung auf deren Lektüre ich mich schon sehr freue.


    Katia

  • Ich habe das Buch auch sehr gerne gelesen, wobei ich mir bis zur letzten Seite nicht sicher war, ob ich Schmidtie nun mag oder nicht.


    Auf der einen Seite tat er mir leid, Pensionsschock, Witwer, und die Tochter verhält sich auch nicht so, wie er es erwartet. Andererseits machen ihn sein latenter Antisemitismus, sein Selbstmitleid, seine fast schon lethargische Passivität auch nicht gerade sympathsich. Jedenfalls genossen habe ich seinen Humor und seinen Sarkasmus.
    Seine allenfalls vorhandenen unsympathischen Charakterzüge werden aber jedenfalls von seiner Tochter Charlotte in den Schatten gestellt, sie ist wohl in ihrer Karrieregeilheit, ihrer Raffsucht und Geldgier die unsympathischste Person in diesem Buch.


    Den Schluss finde ich recht gut, zeigt er doch, dass Schmidt dabei ist, einen Weg aus der Krise zu finden und sich neu zu orientieren. Ich werde sicherlich auch die Fortsetzung - Schmidts Bewährung - lesen.


    Den Film habe ich auf DVD, werde ich mir bei der nächsten Gelegenheit ansehen!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Ich habe erst vor kurzem den Film "About Schmidt" gesehen, wusste aber nicht, dass es sich dabei um eine Literaturverfilmung handelt. Der Film hat mir schon gut gefallen, besonders Jack Nicholsons Darstellung des einsamen und etwas absonderlichen Rentners Schmidt. Da ich die Bücher aber fast immer besser als ihre Verfilmungen finde, werde ich mir nach dieser schönen Rezension "Schmidt" auf jeden Fall zulegen. Ich habe noch nie etwas von Louis Begley gelesen und merke jetzt, dass ich da wohl etwas versäumt habe.


    mofre

    :study: Kathrin Schmidt - Du stirbst nicht

    :study: Robert Macfarlane - Im Unterland

    :study: Brian Flynn - Die Morde von Mapleton












  • Vor Kurzem habe ich "Schmidt" gelesen. Ich kann mich Katia und Rosalita nur anschließen. Mir hat das Buch gut gefallen, obwohl es an die anderen von mir gelesenen Begleys "Lügen in Zeiten des Krieges" und "Ehrensachen" nicht heranreichte.


    Schmidts Unscheinbarkeit, seine Unentschlossenheit, überhaupt sein ganzes Verhalten kommen nicht immer sympathisch rüber, werden von Begley aber so lebendig geschildert, als wäre Schmidtie mir gut bekannt. Das Arbeitsleben hat er hinter sich, kurz darauf verstarb seine Frau und wenig später will seine Tochter heiraten. Diese war wirklich die Antiperson des Romans. Rosalita hat sie sehr treffend charakterisiert. Schmidts Lebenskrise ist für mich sehr nachvollziehbar, er ist einsam, die sozialen Kontakte pflegte früher seine Frau, er hat Probleme diese Kontakte aufrecht zu erhalten. Seine Einsamkeit war teilweise fast körperlich zu spüren, ein Thema, das auch bei uns aktueller denn je ist. Es hat mich doch sehr berührt.


    Das Ende hat mit gut gefallen. Schmidt blieb nicht hoffnungslos und einsam zurück. Ich bin auf "Schmidts Bewährung" gespannt.

  • Wobei vielleicht noch anzumerken sei, dass Buch und Film (den ich nicht gesehen habe, aber ich hab's mir sagen lassen) nur in Grundzügen übereinstimmen. Der Charakter Schmidt und sein Lebensumfeld, sowie auch die Feinstruktur der Handlung ist deutlich unterschiedlich. Kein Wohnmobil im Buch 8)


    Katia

  • Mittlerweile habe ich auch den Film gesehen und bin bass erstaunt, wie wenig Film und Buch gemeinsam haben.


    Abgesehen vom Nachnamen (!) des Protagonisten und der Grundkonstellation nämlich so gut wie gar nichts.


    Im Film heißt die Gattin Helen und ist die Antiperson: Keifend, besserwisserisch, vorherrschend, nervtötend und im Film ist sie diejenige, die fremdgegangen ist. Schmidt selber - Versicherungsagent im Ruhestand - heißt im Film mit Vornamen Warren und ist ein eher bemitleidenswerter Kerl. Seine Geschichte erfährt man über den Briefverkehr mit einem Patenkind in der Dritten Welt, seine neuen Perspektiven und sein Arrangieren mit seinem jetzigen Leben findet er auf einer Reise mit dem Wohnmobil quer durch die USA. Weit und breit keine Rede von seinen Frauengeschichten oder der puertoricanischen Kellnerin.


    Der Film ist - aufgrund der schauspielerischen Glanzleistung des Jack Nicholson - sehr empfehlenswert, mit dem Buch selber hat er aber herzlich wenig zu tun!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

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