Rafik Schami- Die dunkle Seite der Liebe

  • Amazon:


    Über dem Tor der Pauluskapelle in Damaskus hängt eines Morgens ein Toter. Bei dem Ermordeten handelt es sich um einen muslimischen Offizier. Als Kommissar Barudi die Witwe verhören will, wird ihm der Fall vom Geheimdienst entzogen. Heimlich recherchiert er weiter und findet das Tatmotiv: eine Blutfehde zwischen den Clans der Muschtaks und der Schahins. In vielerlei Facetten schildert Schami den eskalierenden Wahnsinn von Hass und Gewalt und die akute Bedrohung für den, der sich dem Diktat der Sippe nicht beugt. Zugleich erzählt er in poetischen Geschichten von einer Liebe, die eigentlich nicht sein darf, weil Versöhnung nicht vorkommt in den alten Familienstrukturen, und vom Mut der Liebenden, denen der Tod droht und die dennoch die Unterdrückung ihrer Leidenschaft nicht zulassen wollen.


    Meine Eindrücke:


    Ich hatte mir dieses Buch geliehen und habe die Lektüre mehrere Monate vor mir her geschoben. Irgendwie hatte ich angst vor diesen über 1000 sehr dünnen, eng beschriebenen Seiten, die sich unauffällig in ein harmlos aussehendes Taschenbuch quetschen. Ausserdem bin ich immer misstrauisch, wenn in Büchern Stammbäume abgebildet sind und hier sind es gleich zwei. Ohne diese Stammbäume wäre der Leser aber aufgrund der vielen Personen im Buch schnell heillos verwirrt und würde aufgeben.


    Das habe ich aber nicht getan und nachdem ich 200 Seiten überwunden hatte wurde das Buch immer besser. Große Aktion darf man nicht erwarten, aber die Lebens- und Liebesgeschichte von Rana und Farid wird immer interessanter und die Schilderungen der Stadt Damaskus und der Nebenschauplätze ist unglaublich plastisch. Ich dachte manchmal ich könnte die beschriebenen Gerüche riechen. Man erfährt unglaublich viel über die Mentalität der Damascener und über den politischen Hintergrund des Landes.


    Fazit: Ein ungewöhnliches Buch, an dem Leute mit etwas Geduld ihre Freude haben werden. Ich habe fast 5 Wochen dafür gebraucht und bereue keine Minute.

    Niemand gibt zu Gelächter Anlaß, der über sich selber lacht. (Lucius Annaeus Seneca)

  • Nachdem mir Rafik Schamis Erzählstil schon in "Die Sehnsucht der Schwalbe" so gut gefallen hat, habe ich mich nun auch an dieses Buch herangewagt - nenne das mal so,weil knapp 900 Seiten als Taschenbuchausgabe schon äußerlich signalisieren, das man Zeit und Geduld braucht um es zu lesen. Allein die Vielzahl der Personen erwartet Konzentration. Doch bereut habe ich es keine Sekunde. Die Liebesgeschichte von Rana und Farid ist betörend schön, auch wenn der Autor beim Erzählen oft den Faden verliert. Die ganze Erzählung ist ausladend und ich bezweifle nicht, dass Rafik Schami für dieses Buch nahezu 30 Jahre gebraucht hat.
    Besonders Farids Kinder-und Jugendzeit in zahlreiche kleinere Erzählungen dargestellt ist ein Buch für sich. Sie umfassen alle Gefühlslagen von traurig bis urkomisch - einfach herrlich.
    Ich glaube ich habe mein Herz für diesen Autor gefunden und werde mich weiterhin umschauen, was er mir zu bieten hat.
    Euch kann ich das Buch nur wärmstens empfehlen und nach primels Rezi nochmals in Erinnerung bringen. :thumleft:


    Gruß Wirbelwind


    :study: Bev Marshall, Im Süden meines Herzens

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Zitat

    Original von Süße
    Danke für eure Meinungen zu diesem Buch! Das klingt vielversprechend! :study:


    Dem kann ich mich nur anschließen. Habe es mir gerade in der Bibo vorbestellt und freue mich schon total darauf :study: .


    LG,
    Casoubon.

  • Süße
    Casoubon


    Ich kann euch jetzt schon viele genießerische Stunden vorhersagen. :)


    Gruß Wirbelwind


    :study: Fred Vargas, Der untröstliche Witwer von Montparnasse

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • :cheers: Konnte das Buch endlich gestern aus der Bibo holen und bin nun schon ziemlich gespannt darauf. Werde es mir wohl "zwischen den Jahren" zu Gemüte führen. Noch ein Buch anfangen (das wäre dann das 4. :drunken: ) wäre nicht so sinnvoll. Aber ich freue mich darauf.


    LG,
    Casoubon.

  • Casoubon


    Zwischen den Jahren - ja das ist eine prima Zeit um sowas zu lesen.
    Ich habe mir inzwischen "Zeiten des Erzählens" gekauft. 15 fantasievolle Geschichten für zwischendurch, wenn man mal wenig Zeit zum Lesen hat wie ich im Augenblick, leider.
    Gruß Wirbelwind

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Hab vergessen darauf hinzuweisen, dass es dazu auch schon einen Thread gibt. :idea:
    Gruß Wirbelwind

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Ich habe vor Jahren das Buch "Erzähler der Nacht" von Rafik Schami gelesen und das hat mir nicht sonderlich gefallen. Es handelt von dem Kutscher Selim, dem besten Geschichtenerzähler von Damaskus, der plötzlich verstummt ist und seine Fabulierkunst nur durch sieben kostbare Geschenke wiedererhalten kann. Diese Geschenke bestehen in sieben Geschichten, die ihm seine sieben Freunde nun reihum jeden Abend erzählen.
    Schami kann zweifellos schreiben, seine klare, gut strukturierte Sprache ist sehr angenehm zu lesen. Aber die Geschichten selbst habe ich als ziemlich nichtssagend, ja sogar als fade empfunden, nicht wie die farbigen und spannenden "Geschichten aus 1001 Nacht", mit denen sie verglichen werden. Auch habe ich folgende Aussage Rafik Schamis im Klappentext des Buches nicht verstanden:


    Zitat

    Heute kann ich ein kleines Geheimnis verraten: Ich wollte einmal alle Möglichkeiten des Erzählens in einer Geschichte versammeln. Zunächst hielt ich das für unmöglich, aber nach vielen Versuchen ist es mir gelungen, alle auf der Erde bekannten Erzählkünste in diesem Buch zu verstecken. Nicht einmal die Art, wie das Feuer dem Holz erzählt, ist mir entkommen.« Rafik Schami


    Soweit ich feststellen kann, sind die Geschichten auf ganz konventionelle Art und Weise erzählt. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, was Schami mit "alle Möglichkeiten des Erzählens" meint.


    Nun bin ich durch die begeisterten Rezensionen hier wieder schwankend geworden in meiner Meinung über Schami. Deshalb würde es mich interessieren, ob jemand von Euch das erwähnte Buch kennt. Ist es ein mittelmäßiges Erstlingswerk oder ein typischer Schami? Denn wenn es letzteres ist, brauche ich mir kein Buch mehr von ihm zu kaufen. Dann ist er "nicht meine Welt".


    Gruß mofre

    :study: Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















    2 Mal editiert, zuletzt von mofre ()

  • :cheers: Konnte das Buch endlich gestern aus der Bibo holen und bin nun schon ziemlich gespannt darauf. Werde es mir wohl "zwischen den Jahren" zu Gemüte führen. Noch ein Buch anfangen (das wäre dann das 4. :drunken: ) wäre nicht so sinnvoll. Aber ich freue mich darauf.


    LG,
    Casoubon.


    *Neugierig*
    Und? Hat dir das Buch gefallen? :bounce: Ich schleich schon soooo lange drumherum! :bounce:

  • Die Liebesgeschichte von Rana und Farid ist betörend schön, auch wenn der Autor beim Erzählen oft den Faden verliert. Die ganze Erzählung ist ausladend und ich bezweifle nicht, dass Rafik Schami für dieses Buch nahezu 30 Jahre gebraucht hat.

    Ich hab mittlerweile mehr als die Hälfte gelesen und kann Wirbelwinds Eindruck nur bestätigen: es liest sich wunderschön, v.a. wenn man dran bleiben und darin versinken kann, aber es ist wirklich sehr ausladend und manches Mal verliert sich ein Faden im Nirgendwo :lol: Aber das macht nichts, mir gefällt es trotzdem.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Über den Autor:
    Rafik Schami wurde 1946 in Damaskus geboren. 1971 kam er nach Deutschland, studierte Chemie und schloss das Studium 1979 mit der Promotion ab. Er gehört mittlerweile zu den bedeutendsten Autoren der deutschen Gegenwartsliteratur. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet und in 29 Sprachen übersetzt. Seit 2002 ist Rafik Schami Mitglied der Bayrischen Akademie der Schönen Künste. Im Sommersemester 2010 hatte er die Brüder-Grimm-Professur der Universität Kassel inne.
    Doch Rafik Schami schreibt nicht nur selbst, er gründete 2011 die Literaturreihe „Swallow Editions“ für Literatur aus den arabischen Ländern, mit der er jungen arabischen Autoren Übersetzungen und damit ein breiteres europäisches Publikum ermöglicht. Außerdem gründete er mit Freunden zusammen 2012 den Verein „Schams“ zur Förderung und Unterstützung von syrischen Kindern und Jugendlichen, bei dem er direkt Schulprojekte in Syrien fördert, aber auch die korrekte Verwendung der Spenden überwacht, wie er in einer Lesung selbst erzählte.
    (Quelle: Wikipedia, Amazon, dtv-Homepage des Autors)


    Buchinhalt:
    Der Klappentext lässt eine Kriminalgeschichte erwarten, doch sie bildet nur eine lose Klammer um die epische Geschichte zweier Clans aus Mala und die damit ebenso episch erzählte Geschichte Syriens der letzten 100 Jahre. Zentrales Bindeglied ist dabei die Liebesgeschichte zwischen Farid und Rana, die den verfeindeten Clans angehören.

    Der Roman in der verlinkten gebundenen Ausgabe umfasst 896 Seiten unterteilt in mehrere „Bücher“ (z.B. „Buch der Liebe“, „Buch der Einsamkeit“), die jeweils wieder in kleine Kapitel unterteilt sind. Diese „Bücher“ werden nicht zusammenhängend erzählt, sondern wechseln sich ab. Die Gesamtzahl von 304 durchlaufend numerierten Kapiteln weist deutlich darauf hin, dass viele Kapitel extrem kurz (manchmal nur eine Seite lang) sind, andere dagegen wieder länger.


    Meine Meinung:
    Nachdem ich den „zweiten Band der Barudi-Reihe“ geschenkt bekam, wollte ich zunächst diesen „ersten Band“ der Reihe lesen. Gleich vorweg: es handelt sich nicht wirklich um eine Reihe, denn lediglich Kommissar Barudi kommt in beiden Gechichten vor. Warum der Verlag diese beiden Bücher als Reihe ausgibt, erschließt sich mir nicht, denn der Kommissar hat in dem hier rezensierten Buch nur eine sehr kleine Nebenrolle am Anfang und verschwindet dann total aus der Geschichte.

    Ich liebe gut erzählte Familiengeschichten und ich liebe die Bücher von Rafik Schami. Es wundert also wohl niemanden, dass ich auch dieses Buch sehr gerne gelesen habe. Aber es fordert den Leser auf zwei Ebenen: zum einen muss man die beiden Großfamilien der Muschtaks und Schahins erst einmal genau kennenlernen, wobei die beiden Stammbäume (vorn und hinten im Buch jeweils einer) wirklich hilfreich sind. Und trotzdem dauert es recht lange, bis man die Zusammenhänge nicht mehr dauernd nachschlagen muss. Zum anderen muss man wirklich am Ball bleiben, am Stück lesen können, damit man den Faden nicht verliert. Schami erzählt die Geschichte nicht chronologisch, sondern springt in Zeit und Raum vor und zurück und streut dabei viele kleine Nebengeschichten ein. Hat man nur wenig Zeit pro Tag, verliert man sich in diesen Nebengeschichten und verliert den Überblick. Das führt dann vermutlich dazu, dass man auch die Lust am Lesen verliert. Aber hat man die Zeit, am Buch zu bleiben, so setzen sich die Kleinteile nach und nach zu einem großen Bild zusammen. Das ist wie ein Puzzle: die Stammbäume sind der Rand und die Geschichte der beiden Clans die beiden Hauptbilder des Puzzles. Die vielen Geschichten drumherum bilden die Kleinteile, die aus Rand und den beiden Hauptmotiven erst das ganze Bild zusammensetzen und verbinden. Und dieses Bild beinhaltet dann auch sehr viele Informationen zur syrischen Geschichte, die mir sehr hilfreich waren beim Lesen des zweiten Bandes der Reihe.
    Wirklich sympathisch waren mir in dieser Geschichte nur wenige Personen. Nicht einmal der Protagonist Farid gehört dazu, denn er ist mir zu egoistisch und kindisch in seiner Beziehung zu Rana, die für mein Empfinden die Hauptlast der Beziehung trägt. Sie dagegen sowie Farids Mutter und dessen Halbbruder waren meine Lieblinge der Geschichte, denn sie tragen und formen ihr Schicksal selbst, so gut es nur geht. Farid dagegen lässt sich treiben mit wenig eigener Entschlusskraft, was ihm bei mir echte Sympathiepunkte gekostet hat. Aber das tut dieser und den anderen erzählten Geschichten keinen Abbruch. Mir haben sie einfach gut gefallen.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier