JR Moehringer - Tender Bar / The Tender Bar

  • Klappentext:


    Eine Bar ist vielleicht nicht der beste Ort für ein Kind, aber bei weitem nicht der schlechteste. Vor allem das "Dickens" nicht, mit seinen warmherzigen und skurrilen Figuren: Smelly, der Koch, Bob the Copund seine geheimnisvolle Vergangenheit oder Cager, der Vietnam-Veteran. Für den kleinen JR sind sie alle bessere Väter als seiner - wäre er da gewesen. Von ihnen lernt er Mut, Zuversicht und die Gewissheit, dass es nicht nur Gut und Böse gibt, dass Bücher Berge versetzen können und das man an gebrochenem Herzen nicht stirbt. In der Bar hört er zum ersten Mal Sinatra, sieht Baseballspiele im Fernsehen, und trinkt sein erstes Bier. Er lernt auch, dass Träume wahr werden können - wenn man für sie kämpft.


    Ich ging mit einigen Vorbehalten an das Buch heran – ich erwartete, und der Klappentext suggeriert das auch – ein Buch über das Leben eines verwahrlosten Kindes in einer Kneipe. Dem ist Gott sei Dank nicht so.


    JR (benannt nach seinem Vater Jonathan, der allerdings die Familie verlassen hat) lebt mit seiner sich für ihn aufopfernden Mutter Dorothy in New York. Seine Kindheit ist geprägt von ständiger Geldnot, ständigem Wohnungswechsel, von Einsamkeit, von Schuldgefühlen und Verantwortungsgefühl seiner Mutter gegenüber und der Hassliebe zu seinem Vater. Hin- und hergereicht zwischen seinen Großeltern und seinem Onkel Charly lernt JR bald die Welt der Erwachsenen kennen und somit auch die Stammkneipe seines Onkels, die „Dickens“, mit all ihren skurrilen Stammkunden. Diese Bar wird zu einer „Insel“ für JR, ein Fluchtpunkt und eine Heimat. Hier tröstet er seinen Liebeskummer, hier liest er seine geliebten Bücher, hier schmiedet er seine Zukunftspläne und begräbt auch dieselben.


    Es wird der Zeitabschnitt des Erwachsen-Werdens des JR beleuchtet. Besonders gut getroffen sind die Gedanken, die sich ein Kind über die Erwachsenen macht. Seine Sehnsucht nach dem Vater bzw. einer Vaterfigur, seine Schuldgefühle der Mutter gegenüber, die ihm alles ermöglicht (deren Erwartungen er am Ende aber doch nicht erfüllen kann und will).
    Mich hat das Buch sehr gut unterhalten, es ist kurzweilig, tiefgründig, sehr humorvoll aber auch recht traurig, alles in allem recht „amerikanisch“ (was jetzt keinesfalls abwertend gemeint ist)


    JR Moehringer will hier seine eigene Geschichte niedergeschrieben haben. Im Englischem Original steht im Titel der Zusatz "A Memoir". Für macht dieses Buch mehr den Eindruck einer Erzählung, eines Romanes und deshalb habe ich diese Kategorie gewählt.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Danke für die schöne Vorstellung des Buches, Rosalita. Ich werde mal schauen, ob ich das Buch in unserer Stadtbücherei bekomme :D

    Liebe Grüße,
    Rita


    ~Ich wäre lieber ein armer Mann in einer Dachkammer voller Bücher als ein König, der nicht lesen mag.~
    Thomas Babington

  • Der Roman steht jetzt auf meiner Wunschliste!

    She wanted to talk, but there seemed to be an embargo on every subject.
    - Jane Austen "Pride and prejudice" - +

  • Danke Rosalita für die Rezension. :flower:
    Nun hat sich aber bei mir nicht das Erwartete "Wow" dieses Buch muss ich sofort lesen eingestellt :lol: , also werde ich abwarten bis das TB erscheint.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • @ Rosalita. Ich warte grundsaetzlich erst darauf, dass ein Buch als Taschenbuch erscheint. Aber vorgemerkt ist es jetzt, und schuld allein bist Du!


    Gruss mofre

    :study: Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















    Einmal editiert, zuletzt von mofre ()

  • Auf Grund der Rezi habe ich auf dem Flohmarkt zugegriffen!


    Bin mal gespannt wann ich dazu komme das Buch zu lesen, hört sich auf jedenfall gut an!



    LG Wawuschel


    PS: Mein SUB wird immer größer, dank des Büchertreffs! :uups:

    Liebe Grüße


    Wawuschel


    [align=left][font='Verdana, Helvetica, sans-serif'][size=10]Nichts gräbt sich tiefer dem Herzen ein und haftet beharrlicher darin als Kindheitseindrücke.


    -Erasmus von Rotterdam-

  • Jetzt bin ich auch neugierig und werde zugreifen! :D

    "So schön Liebesgeschichten auch sind, immer bringen sie Probleme mit sich,
    und zwar eine Menge Probleme. Wenn hingegen eine Liebesgeschichte perfekt ist,
    gibt es nur ein Problem, ein einziges: dass sie nämlich erlogen ist."
    Albert Sánchez Pinol - Pandora im Kongo

  • Hach, wunderbar! :-) Genieße es gerade...

    "So schön Liebesgeschichten auch sind, immer bringen sie Probleme mit sich,
    und zwar eine Menge Probleme. Wenn hingegen eine Liebesgeschichte perfekt ist,
    gibt es nur ein Problem, ein einziges: dass sie nämlich erlogen ist."
    Albert Sánchez Pinol - Pandora im Kongo

  • Hmm, aus der April-LR hat hier noch niemand seinen "Senf" zu dem Buch abgegeben. Ich auch nicht. :uups:
    Kurz gesagt: Mir hat das Buch nicht gefallen. Einzelne Stellen fand ich ganz nett, aber dieses "alles ist so schlecht, also geh ich in die Bar und betrinke :drunken: mich erstmal..." hat mich genervt. :roll:

  • Ich habe das Buch vor einiger Zeit gelesen und mir hat es gut gefallen. Eine Kollegin von mir hat es kurze Zeit später gelesen und konnte mit dem Buch garnichts anfangen und hat es sogar abgeprochen.
    Mir gefallen die Lebensweisheiten, die immer durchschimmern. Aber am besten gefällt mir, dass das Buch autobiographisch ist. Das finde ich immer spannend.
    Auch der Schreibstil war ganz nach meinem Geschmack - flüssig zu lesen und humorvoll geschrieben!


    Tweety

  • Also, ich muss sagen, dass mir das Buch im Großen und Ganzen eigentlich ganz gut gefallen hat, wenngleich mich sagen muss, dass ich nicht verstehe, wie das Buch zu seinem Titel kam, denn den kann ich mir überhaupt nicht erklären… :-k

    With freedom, books, flowers, and the moon, who could not be happy? ― Oscar Wilde

  • Kaba:
    2 Erklärungsansätze dafür:
    1.) Tender Bar ist rückwärts geschrieben für den Beruf "Bartender" der ja nun in dieser Gesichte wirklich eine exponierte Stellung bekommt. ;-)
    2.) Übersetzt ins Deutsche aber auch für "zärtliche Bar", was irgendwie auch ganz gut paßt.


    Viele Grüße
    Prof.P

    "So schön Liebesgeschichten auch sind, immer bringen sie Probleme mit sich,
    und zwar eine Menge Probleme. Wenn hingegen eine Liebesgeschichte perfekt ist,
    gibt es nur ein Problem, ein einziges: dass sie nämlich erlogen ist."
    Albert Sánchez Pinol - Pandora im Kongo

  • @ Prof.P: Danke für deine Antwort. :D
    Das mit der „zärtlichen Bar“ habe ich mir auch schon gedacht (vor allem weil der englische Titel ja der gleiche ist), aber irgendwie fand ich es dennoch komisch. Wenn man aber genauer darüber nachdenkt, dann stimmt es schon, dass der Name auf seine Weise passt, denn der Icherzähler verbindet ja wirklich sehr viel mit dieser Bar…

    With freedom, books, flowers, and the moon, who could not be happy? ― Oscar Wilde

  • Kaba: da dir Tender Bar gut gefallen hat, könnte "Die Musik der Wale" von Wally Lamb auch was für dich sein.

    "So schön Liebesgeschichten auch sind, immer bringen sie Probleme mit sich,
    und zwar eine Menge Probleme. Wenn hingegen eine Liebesgeschichte perfekt ist,
    gibt es nur ein Problem, ein einziges: dass sie nämlich erlogen ist."
    Albert Sánchez Pinol - Pandora im Kongo

  • Kaba: da dir Tender Bar gut gefallen hat, könnte "Die Musik der Wale" von Wally Lamb auch was für dich sein.

    Danke für den Tipp. Das Buch habe ich tatsächlich auch schon im Regal stehen und vor einigen Jahren auch schon einmal gelesen, aber damals hat es mich nicht so gefallen. Inzwischen habe ich aber schon mehrmals feststellen müssen, dass ich das Buch wohl noch einmal auf meinen SuB schieben und lesen sollte…

    With freedom, books, flowers, and the moon, who could not be happy? ― Oscar Wilde

  • Wenn du auf "verkrachte Existenzen"/"kaputte Typen" a lá "Tender Bar" stehst,
    unbedingt auch "Schiffsmeldungen" von E. Annie Proulx lesen!!
    Ist so oder so eines meiner Top-Empfehlungen/all-time-favorites!


    Viele Grüße
    Prof.P

    "So schön Liebesgeschichten auch sind, immer bringen sie Probleme mit sich,
    und zwar eine Menge Probleme. Wenn hingegen eine Liebesgeschichte perfekt ist,
    gibt es nur ein Problem, ein einziges: dass sie nämlich erlogen ist."
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  • Eine Woche lang (mit Unterbrechung von einem Tag, an dem ich "Ich bin kein Serienkiller" dazwischengeschoben habe) kämpfte ich mit diesem Buch.


    Der Anfang gefiel mir sehr gut, und ich hielt das Buch zunächst für eine dieser wunderbaren Geschichten des Erwachsenwerdens, die vor allem Amerikaner lebendig erzählen können. Doch je älter JR wurde und je weiter es in dem Buch ging, desto mehr langweilte es mich. Alle Ereignisse laufen nach demselben Schema ab: JR erlebt irgendetwas und rennt damit abends zu seinen Kumpels ins Publican, um darüber zu reden. Es folgen immer die gleichen Gesprächsthemen, Baseball, Boxen, Wetten, Alkohol - Themen, die mich kalt lassen.
    Ab der zweiten Hälfte habe ich die Seitenzahlen beobachtet, die in quälender Langsamkeit an mir vorbeizogen (als würde man einem tropfenden Wasserhahn dabei zusehen, wie er ein 100 l-Fass füllt :roll: ). Die interessante Geschichte über die Entwicklung eines vater- und heimatlosen Jungen wurde irgendwann zu einer Säuferbiographie. Und wie jeder Alkoholiker sucht auch JR einen Grund und eine Entschuldigung, warum es soweit kommen konnte.


    Für macht dieses Buch mehr den Eindruck einer Erzählung, eines Romanes und deshalb habe ich diese Kategorie gewählt.


    Wenn es "nur" ein Roman wäre, könnte man den Protagonisten mit andern Augen betrachten als bei einer Autobiographie. Dort ginge es um die Anlage und Entwicklung eines fiktiven Charakters, seine Glaubwürdigkeit und um die Art, wie der Autor ihn aufbaut, ihn sich entwickeln lässt und zu Ende bringt. Aber hier geht es um einen Menschen, sein Schicksal, sein Leben. Und die Frage, ob man ihm nicht Unrecht tut, wenn man ihn unter rein literarischen Aspekten betrachtet. Zumindest habe ich Probleme damit, ein autobiographisches Ich ebenso auf den Prüfstand zu stellen wie ein fiktives.
    Ich plädiere dafür, "Tender Bar" ins Biographie-Forum zu verschieben.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • nach 2,5 Jahren - ich habe es im Frühjahr 2007 gelesen - ist natürlich die Erinnerung schon etwas verblasst .... wie ich in meinem Kommentar schrieb, war ich etwas unschlüssig, was die Genrezuordnung betrifft und bin jetzt froh, dass Marie diesen Aspekt anspricht. Für eine Biografie war es mir einfach zu episch, mir fehlten die sachlichen Aspekte, die handfesten Anhaltspunkte, möglicherweise auch die Chronologie (?). Man könnte jetzt wieder diskutieren, wie autobiografisch ein Buch ist, bzw. ob nicht fast jede Erzählung zumindest autobiografische Elemente erhält. Wie sehr kann ein Schriftsteller sein eigenes Leben, seine Lebenserfahrung, ausschalten? Aber ich habe natürlich nichts dagegen, es in das Genre "Biografien" zu verschieben.


    Ich werde (muss) das Buch im Rahmen eines Projektes in den nächsten Monaten noch einmal lesen und komme dann auf die Angelegenheit zurück .....

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


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  • Für eine Biografie war es mir einfach zu episch,


    @ Rosalita, das ist mir auch durch den Kopf gegangen, aber der Epilog und die Fotos, die in der Leserunde eingefügt wurden, beweisen, dass das Buch JR Moehringers reale Autobiographie ist.
    Dass viele Autoren (die meisten?) in ihren Büchern autobiographische Erfahrungen / Erlebnisse / Assoziationen einfließen lassen - vielleicht nicht immer bewußt - glaube ich ganz sicher. Irving ist ein gutes Beispiel dafür. Philipp Roth auch. Oder bei uns: Grass.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


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