Simonetta Agnello Hornby: Die Mandelpflückerin

  • Kurzbeschreibung von Amazon:


    Bittersüßer Mandelduft und rauhe Landschaft, verfallende Palazzi und elegante Herren mit schwarzen Sonnenbrillen: Das ist das Sizilien der Mennulara, einer armen Magd in den Diensten der Alfallipes. Ihr Tod bringt in das Städtchen Roccacolomba Argwohn und Mißgunst. Er zieht alle - den Arzt, den Pfarrer, Kommunisten und Lebemänner - in einen Strudel aus Gerüchten und Beschuldigungen. Hat sie das Rätsel ihres tragischen Lebens mit ins Grab genommen?



    Meine Meinung:


    Endlich mal seit langem wieder ein von mir gelesenes Buch, was es sich lohnt, vorzustellen.
    Meiner Ansicht nach liest es sich sehr schön, weil es sprachlich sehr flüssig geschrieben ist und das Sizilien der 70er Jahre wunderschön atmosphärisch darstellt ohne zu überteiben und ohne zu blumig zu werden. Zu Beginn hatte ich einige Schwierigkeiten die ganzen italienischen Namen auseinander zu halten, aber nach einer Eingewöhnungsphase hat man sich sehr schnell daran gewöhnt.
    Etwas ungewöhnlich, aber keineswegs negativ, fand ich, dass vor jedem Kapitel schon eine kurze Zusammenfassung stand, was in diesem geschehen wird. Das erinnerte mich ein wenig an Brecht (z.B. Mutter Courage und ihre Kinder), nimmt aber bei Hornby nicht so viel Spannung wie es das bei Brecht tut.
    Besonder Spaß macht es, zu verfolgen, wie die 3 Kinder um das Erbe der Mennulara gieren. Da liest man dann einige Kapitel mit einer gewissen Schadenfreude ohne das Hornby ins Bösartige oder Ironische verflällt.
    Das einzige, was mir nicht ganz so gefallen hat, war das Ende. Denn irgendwie hatte ich noch auf etwas Besonderes, dem großen Knall am Ende, gewartet. Der kam leider nicht mehr.
    Trotzdem würde ich diesen Roman weiterempfehlen und er hat mir summa summarum gut bis sehr gut gefallen.


    In der Hoffnung, dass auch schon andere das Buch gelesen haben oder sich jetzt dadurch angesprochen fühlen wünsch ich Euch noch ein sonniges Wochenende.


    Liebe Grüße,


    Camelina

  • Hallo Camelina,


    gelesen habe ich es nicht, aber ich danke Dir für Deine Rezension. Das Buch wird recht schnell auf meinem SUB landen. Ich verschlinge Bücher, die atmosphärisch Dicht sind, Bewohner und Landschaft sprachlich schön wiederspiegeln und ganz besonders mag ich Romane, die im Süden spielen (Italien, Spanien, Portugal). Die Menschen leben dort ganz anders und das kommt so wunderbar in den Büchern rüber, ähnlich wie bei "Der Schatten des Windes" oder "Nachtzug nach Lissabon" Ich freue mich schon sehr auf dieses Buch.


    Liebe Grüße von einer unmittelbaren Nachbarin :wink:

    Liebe Grüße von Tanni

    "Nur noch ein einziges Kapitel" (Tanni um 2 Uhr nachts)


  • "Die Mandelpflückerin" habe ich vor geraumer Zeit gelesen. Ich kann mich noch gut an die Beschreibungen des sizilianischen Dorfes und der Umgebung erinnern, da hatte ich das Gefühl Sizilien riechen zu können. Aber bei den Charaktere fehlte mir die italienische Mentalität etwas.


    Ich bin auf Tannis Meinung gespannt, wenn sie das Buch gelesen hat.

  • Hallo Karthause


    Zitat

    Original von Karthause
    Ich bin auf Tannis Meinung gespannt, wenn sie das Buch gelesen hat.


    Im Moment ist das Glück auf meiner Seite, schon wieder ein Buch bei TT ungelesen bekommen. Deshalb werde ich es nach Erhalt bestimmt bald lesen und mich melden.


    LG Tanni

    Liebe Grüße von Tanni

    "Nur noch ein einziges Kapitel" (Tanni um 2 Uhr nachts)


  • Ich muss Karthause Recht geben. Die Charaktere waren doch eher recht oberflächlich gezeichnet. Allerdings sind es auch nur 300 Seiten und wirklich sehr viele Charaktere die umrissen werden. Die schöne sommerliche Atmosphäre kommt allerdings trotzdem gut zur Geltung und ich finde schon, dass man einige Male die "typische" Mentalität erkennen kann. Aber das hätte schon etwas ausgeprägter sein können. Wobei es sich dann vielleicht nicht so sehr von anderen Büchern unterschieden hätte.
    Auf jeden Fall freut es mich, dass Tanni das Buch bald lesen wird. "Der Schatten des Windes" hat mir auf jeden Fall auch sehr gut gefallen, ist allerdings nicht unbedingt damit zu vergleichen.
    OT @ Tanni: mir ist noch nie aufgefallen, dass sich hier noch jemand aus der selben Stadt tummelt. Finde ich ja sehr nett :).


    LG, Camelina

  • Zitat

    Original von Camelina
    OT @ Tanni: mir ist noch nie aufgefallen, dass sich hier noch jemand aus der selben Stadt tummelt. Finde ich ja sehr nett :).


    Mir fällt gerade ein Camelina, dass wir beide doch damals in dem Chat mit Mario waren und von 8 Exemplaren "Gute Gründe von Angelika Stucke" und 10 Teilnehmern als Gewinner gezogen wurden und da haben wir doch im Chat festgestellt, dass wir beide aus LEV sind.....mensch, sind wir vergesslich. #-o

    Liebe Grüße von Tanni

    "Nur noch ein einziges Kapitel" (Tanni um 2 Uhr nachts)


  • Wurde auf das Buch aufmerksam, weil ich von der Autorin "Die Marchesa" gelesen habe.
    Die "Mandelpflückerin" gefiel mir eigentlich auch. Das sizilianische Dorf und seine Bewohner kommt gut rüber. Zum Schluß fehlte mir der erwartete Knall, wie schon angesprochen.
    Nur muß ich sagen "Die Marchesa" hat von allem ein bißchen mehr und so ziehe ich sie vor.
    Gruß Wirbelwind

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Die Autorin wählt eine ungewöhnliche Art, um die Lebensgeschichte einer Frau zu erzählen, die als Dienstmagd die Familie, bei der sie angestellt ist, beherrscht: Nach Menneluras Tod brechen wilde Spekulationen aus, Klatsch und Tratsch gedeihen, jeder Dorfbewohner erinnert sich an irgendetwas, hat von irgendjemandem irgendwann einmal etwas gehört, das er jetzt zur Tatsache umbiegt; irgendwas, das irgendwann gesehen wurde, wird jetzt interpretiert, wie es passt; der Notar vergisst seine brufliche Diskretion und der Pfarrer das Beichtgeheimnis.
    Stück für Stück setzt sich für den Leser die Geschichte einer eigentümlichen Frau, des Niedergangs einer einstmals einflussreichen, begüterten Familie und der komplexen Beziehungsstrukturen des Dorfes zusammen.


    (Gefühlte) tausend Personen tauchen auf, entpuppen sich als mehr oder weniger zuverlässige Zeugen, und nur eine Handvoll wird für den Leser als Inidviduum greifbar. Sie unterscheiden sich allenfalls durch ihren Beruf oder ihre Funktion in der Geschichte der Mennelura.
    Auch wenn das Verfahren der Autorin, diese Geschichte zu erzählen, reizvoll ist, für einen Leser kann es nicht aufgehen, wenn er sich zwischen all den Figuren verirrt.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Am Jahresende auf dem Weg nach Italien suchte ich die zweite Jahreshälfte nach Romanen aus dem Lande. Nun hier geht es noch weiter in den Süden und bis nach Sizilien. Allerdings handelt es sich – gegen obige Vermutung – vom Zeitrahmen her nicht um die 70iger Jahre, sondern ausdrücklich wird am Anfang des Buches das Jahre 1963 als Todesjahr der Mandelpflückerin, Dienstmagd etc. angegeben. Und dann geht es teilweise – eher in der zweiten Hälfte des Romans – in Rückblicken auch weiter bis zurück in die 10er und 20iger Jahrer (des XX.Jhdts) und danach. Veröffentlicht wurde dieses Buch dann 2002 auf Italienisch.


    Ich will gar nicht so sehr auf den gesamten Handlungsstrang des Romans eingehen, doch es ist schon sehr klar, dass in dieser Person scheinbar seltsame Unvereinbarkeiten zusammentreffen. Wir lernen schnell von ihrem Dasein als « Dienstmagd », aber sehen gleichzeitig an den Reaktionen der Kinder der Herrin des Hauses, dass sie auf einen ersten Blick hin einen für sie nicht gebührenden Platz beansprucht. Wenn das aber der Fall ist – warum ? Woher nimmt sich diese Frau heraus – das alles passiert ja auf den ersten Seiten – ein sehr eindeutiges Testament zu verfügen, in dem sie quasi ihre Herren herumkommandiert (ein Sohn des Hauses durfte aufgrund ihrer Verfügungen gar nicht mehr ins Haus kommen!)? Mal ist sie die treue alte Jungfer, mal sogar durchtrieben. Mal die Ehrlichkeit selber, mal mit der Mafia selbst in Verbindung gebracht. Dazu kommt das bei ihr vermutete Vermögen. Ja, wo hat sie das denn etwa her ?


    So tauchen auf den ersten Fragen schon Fragen auf, die den Leser schon an den Roman fesseln...


    Meines Erachtens steht in all dem nicht die ganze Cliqué drumherum im Vordergrund, sondern die einzelnen « Nebenpersonen » geben alle einen anderen Blickwinkel mit ihrem jeweiligen Teilwissen ab auf diese etwas geheimnisvolle Persönlichkeit der Mandelpflückerin. So sind also diese anderen Akteure irgendwie auf sie hin ausgerichtet, haben im Roman eine Bedeutung durch ihre Verbindung mit der ja schon gestorbenen Hauptperson.


    In den ersten circa zwanzig Kapiteln kann man tatsächlich etwas verwirrt sein : eine Menge Personen tauchen auf ! Später aber kehren viele von ihnen ja wieder zurück und dann wird die Zuordnung etwas einfacher.


    Der Kapitel gibt es genau 50, mit einem Epilog am Ende. Die schon erwähnten kurzen zusammenfassenden Sätzen als Kapitelüberschrift erinnern auch an gewisse ältere Romane des 19.Jahrhunderts. Die Kapitel, teils bis zu zehn, sind den Tagen zugeordnet, in denen unmittelbar nach dem Tode der Heldin die jeweiligen Begegnungen und Ereignisse stattfinden.


    Vielleicht gibt es nicht hier nicht alle Assoziationen aller Leser mit dem Süden Italiens geliefert ? Aber woran denkt man da ? Und an welche Epoche ? Für die genannte Zeit und die erwähnten Gesellschaftsschichten geht der Roman, denke ich, doch auf viele Eigentümlichkeiten Siziliens ein : das noch lange herrschende Klassendenken, die Armut, die Eingesessenheit vieler alter Familien, Auffassungen von « Ehre », die Gegenwart der Mafia über Generationen hinweg....


    Mit ihrer sizilianischen Abstammung trifft dabei Simonetta Agnello Hornby sicherlich oft den Nagel auf den Kopf ?


    Ich habe das Buch gerne gelesen ! Der Lachknüller schlechthin war wohl die erwähnte Gier der vermeintlichen Erben und ein Prüfstein besonderer Sorte, an dem sie alle(s) zerbrechen...


    Darüber hinaus kann man aber durchaus etwas von der Lebenssphäre auf Sizilien erahnen : Armut, Treue, Flatterhaftigkeit und Ehre... - was für ein Gemisch !


    DIE AUTORIN :
    Simonetta Agnello Hornby (Palermo, 1945) ist eine italienische Schriftstellerin, die in Großbritannien eingebürgert wurde und dort lebt. Sie lebte in jungen Jahren in Sizilien und machte 1967 ihren Doktor in Jura. Sie spezialisierte sich als Rechtsanwältin für Minderjährige in England, nachdem sie einen Engländer geheiratet hatte. Sie lebt seit 1972 in London und gründete dort 1979 ein Büro, das sich sehr in der Prophylaxe mit der muselmanischen und schwarzen Bevölkerung beschäftigt. In einem Bereich geht es auch um intrafamiliäre Gewalt. Sie unterrichtete Jugendrecht an der Universität Leicester.


    Ihr erster Roman « Die Mandelpflückerin » erhielt mehrere Preise. Seitdem schreibt sie regelmäßig.
    (Quelle: http://it.wikipedia.org/wiki/Simonetta_Agnello_Hornby )