Arkadi Babtschenko - Die Farbe des Krieges

  • Autorenportrait:
    Arkadi Babtschenko, 1977 in Moskau geboren, wurde unmittelbar nach dem Schulabschluss einberufen. Insgesamt vier Jahre war er in Tschetschenien im Einsatz. Anschließend studierte er in Moskau Jura und schrieb für verschiedene Zeitungen, unter anderem »Nowaja Gaseta«. 2001 wurde seine Erzählung »Zehn Folgen über den Krieg« mit dem Preis der literarischen Zeitschrift »Debüt« ausge-zeichnet. Heute lebt und arbeitet Babtschenko als freier Journalist und Autor in Moskau.


    Inhaltsangabe:
    Mit neunzehn Jahren wird der russische Soldat Arkadi Babtschenko aus Moskau nach Tschetschenien versetzt. Als «Frischlinge» ziehen die Rekruten in die Berge, um zu kämpfen. Wie alte Männer kehren sie zurück, verroht und stumpf. «Ich habe immer geglaubt, der Krieg sei schwarzweiß », schreibt Babtschenko. Doch die Farben, merkt er bald, verschwinden nicht, und die Dinge, die geschehen, sind real: Die Leichen der ans Kreuz genagelten Soldaten. Der Kamerad, der von den Rädern eines Panzerwagens überrollt wird, und gleich daneben treiben Bäume junges Grün. Vermummte Gestalten irren auf den Straßen Grosnys umher und werden von einer russischen Einheit unter Beschuss genommen – bis sich herausstellt, es sind russische Mütter auf der Suche nach ihren toten Söhnen. Solche Bilder haben Babtschenko nicht mehr losgelassen. Um ihren Bann zu brechen, hat er die von Hass und Grausamkeit beherrschte Welt geschildert – mit einer Eindringlichkeit und Präzision, wie man sie sonst nur aus Texten wie der «Reiterarmee» von Isaak Babel kennt. Ein authentischer Bericht von hohem literarischen Rang.


    Eigene Meinung:
    Das dunkle Gesicht des Krieges: Schläge bis zur Bewusstlosigkeit von älteren Soldaten, Schlaflosigkeit, Korruption und Angst vor der Front - so sieht der Alltag des mit neunzehn Jahren an die Grenze zu Tschetschenien versetzten Arkadi Babtschenko aus. Auf diese schon unmenschlichen Zustände in der Kaserne folgt bald der Horror des Krieges. Babtschenko durchlebt die Reduzierung der Soldaten zum bloßen Kanonenfutter, die Degenerierung alles Menschlichen und erfährt das Gefühl völliger Sinnlosigkeit dieses Krieges...


    Das Buch sollte man unbedingt gelesen haben, es ist eine Erinnerung an die vergessene Krisenregion Tschetschenien, wo Krieg und Elend den Alltag der Menschen bestimmt. Es erscheint wie eine Reportage aus dem Zweiten Weltkrieg; kein Sonnenstrahl vermag es, diese traurige Tristesse zu erhellen. Sehr bewegend geschrieben vom russischen Autor und Kriegsveteranen Arkadi Babtschenko.

  • "Ich habe immer gedacht, der Krieg sei schwarzweiß. Aber er ist bunt. - ... Die Farben sind grell, die Bäume grün, und der Himmel ist hellblau dort, wo Menschen getötet werden. Das Leben blüht und gedeiht, die Vögel zwitschern, und die Bäume treiben junges Grün. - Tote Menschen liegen im Gras und sind überhaupt nicht schrecklich, sie gehören in diese bunte Welt. Man kann danebenstehen und lachen, sich unterhalten. Die Menschheit erstarrt nicht und verliert nicht den Verstand beim Anblick der Leichen. - Sehr seltsam, dass der Krieg bunt ist."


    1995. Junge Männer, Soldaten, werden nach Tschetschenien geschickt, um dort zu kämpfen. Der Leser begleitet den Ich-Erzähler in den Krieg und muss erst einmal in einem Zwischenlager Station machen. So wird über den Soldatenalltag in der russischen Armee berichtet, über Untätigkeit, Hunger, Misshandlungen durch dienstältere Soldaten und Mangel. Nur an einem mangelt es nicht, an den Leichen, die mit Flugzeugen aus dem Kriegsgebiet zurückgeführt werden. Aber das Grauen ist noch steigerungsfähig, dass erfahren die Soldaten mit ihrem Fronteinsatz. Tschetschenische Partisanenangriffe, friendly fire, Verstümmelungen, nicht wieder erkennbare Tote, Massaker und deren Vergeltungen prägen nun ihr Dasein.
    10 Jahre später – wieder Tschetschenien – immer noch Krieg. Die Kriegsführung hat sich kam geändert. Nur der Hass auf die Gegner wurde tiefer, dem entsprechend wurde die Wahl der Mittel auch grausamer. Um sich zu betäuben, griffen die Soldaten zu Alkohol und Drogen. So konnten sie für kurze Zeit in eine Traumwelt fern jeder Realität abtauchen und von einer friedlichen Heimat träumen.
    Arkadi Babtschenko schildert den Tschetschenienkrieg aus russischer Sicht. Eine Sicht, die mir bisher unbekannt war, ebenso wie die erschreckenden Zustände in der Armee. Und Babtschenko schreibt eigene Erlebnisse auf. Er war als 18jähriger selbst Soldat in Tschetschenien und hat die geschilderten Erfahrungen am eigenen Leib gemacht. Sprachlich gesehen ist dieses Buch kein Glanzstück. Es weiß durch seine Authentizität zu überzeugen. Nur wenige Bücher haben mich bisher so erschüttert und mitgenommen. Selbst beim Schreiben bekomme ich noch Gänsehaut und einen Kloß im Hals. Arkadi Babtschenko prangert Politiker und Generäle an, legt die Sinnlosigkeit und Unmenschlichkeit des Krieges kompromisslos offen, beschreibt unmissverständlich die Gräuel und setzt allen Gefallenen mit diesem Buch ein Denkmal. Dieses Buch wird oft mit den ganz großen Werken der Antikriegsliteratur in einem Atemzug genannt und das völlig zu Recht. Allerdings sollten die Leser nicht all zu sensibel sein, denn der Autor nennt die Dinge beim Namen, er beschreibt präzise und detailliert Zustände und Begebenheiten. Dieses Buch ist eine Anklage.