3. Teil: Seite 143 - Ende

  • Ich habe das Buch heute beendet und es hinterlässt etwas eigenartige Gefühle.


    Da die beschriebene Zeit eindeutig vor "meiner" Zeit war, kann ich nicht nachvollziehen, wie authentisch die Schilderungen sind.


    Mir persönlich sind sie etwas zu trost- und hoffnugnslos, zu deprimierend. Einzig der Schwarze Washington macht einen hoffnungsvolleren Eindruck (obwohl er eigentlich als Schwarzer in Deutschland die schwierigste Rolle hat).


    Mehr Eindrücke von mir dann, wenn ich das Buch "verdaut" habe.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Nun habe ich gewartet, ob doch noch jemand seine abschliessende Meinung zu dem Buch abgibt, aber das scheint nicht der Fall zu sein. Ich habe offen gestanden keine Lust, hier allein zu agieren, moechte aber noch auf den dritten Teil eingehen.


    Rosalita, sicher waren nach dem Krieg nicht alle Deutschen deprimiert und ohne Hoffnung, aber die Literatur hat ja nicht die Aufgabe, die Wirklichkeit einfach nur abzubilden, sondern sie zu filtern und zu verdichten, um das Wesentliche, Unterschwellige sichtbar zu machen und einer bestimmten Idee oder Gedankenwelt zum Ausdruck zu verhelfen.


    Der dritte Teil enthaelt zwei wichtige Szenen, die ein Schluessel zum Verstaendnis dieses Buches sind und zu denen viel zu sagen waere. Die erste spielt sich im Braeuhaus ab und macht beklemmend deutlich, dass der dumpf-rauschhafte, gefuehlsselige, irrationale Zug im Gemuet der Deutschen eine Ursache dafuer war, dass Hitler und das Dritte Reich moeglich wurden. Die zweite Szene beschreibt den Vortrag des gefeierten Dichters Edwin, mit dem er scheitert, weil er die Lebenswirklichkeit seiner Zuhoerer nicht trifft, die genau das sind, was die amerikanische Schriftstellerin Gertrude Stein ueber sie sagt und was Edwin bestreitet: Tauben im Gras, zufaellige, sinnlose Existenzen, frei von Gott und noch stolz auf diese Freiheit, ausgeliefert jeder Schlinge und jedem Metzger.


    Zur Sprache Koeppens muss noch erwaehnt werden, dass auch die Ironie, die von sanft ueber sarkastisch bis bitter reicht, ein wichtiges Stilelement bildet.
    Koeppen hat die Problematik der Kunst nach dem zweiten Weltkrieg in seinem Buch thematisiert und mit seinem Buch eine Antwort gegeben. Nach so entsetzlichen Verbrechen, wie sie im Dritten Reich geschehen sind, kann und darf die Kunst keinen Trost spenden, schon gar nicht dem Volk, von dem diese Verbrechen ausgingen. Sie kann nur die triste Wirklichkeit aufzeigen, naemlich Truemmer, Bruchstuecke, Angst und Sinnlosigkeit.


    Zum Schluss noch ein Wort zu dieser Leserunde. Sie war meine erste Leserunde und war gleich ein Schlag ins Wasser. Was dazu zu sagen ist, steht im entsprechenden Thread. Nur soviel: Dieses Buch waere ideal gewesen fuer eine lebhafte Leserunde. Es ist zwar anspruchsvoll - darauf muss man in einer Klassikerleserunde auch vorbereitet sein -, aber es bietet sowohl inhaltlich als auch sprachlich jede Menge Diskussionsstoff. Schade!


    Gruss mofre

    :study: Willa Cather - Meine Antonia

    :study: Wolfgang Herrndorf - Tschick

    :study: Reiner Stach - Kafka. Die Jahre der Entscheidungen

    :study: James Wood - Die Kunst des Erzählens















  • Schön, dass Du nochmal Deine Eindrücke schilderst, mofre.


    Die Leserundenmüdigkeit scheint auch auf die KLR überzugreifen, wobei ich allerdings schon ein wenig dem ausgewählten Buch die "Schuld" ;) gebe.


    Es ist sicher ein Buch, über das man endlos diskutieren könnte. Mir persönlich - und ich bleib dabei - ist es zu hoch, es übersteigt leider meinen Horizont. Mir fehlt einerseits das Hintergrundwissen, um die gedanklichen Assoziationen (die Du so herrlich beschreiben kannst, mofre) herzustellen, bzw. vielleicht momentan auch die Geduld und die Zeit, sich voll und ganz auf diesen Text einzulassen.


    Das Buch ist ein Meisterwerk, ein sprachliches Kunstwerk, da stimme ich mit ein. Allerdings hätte ich es - wäre ich nicht in einer Leserunde "verankert" - das Buch möglicherweise nicht zu Ende gelesen.
    Meinen Geschmack hat es leider nicht getroffen. Woran es liegt, kann ich nicht so sicher sagen. Vielleicht liegt es an meiner Lebenseinstellung - trotz der Widrigkeiten, Grausamkeiten, etc. die das Leben so in sich hat bin ich ein sehr lebensbejahender, optimistischer Mensch - oder vielleicht hat sich der tiefere Sinn dieses Buchesmir einfach nicht erschlossen. Keine Ahnung.


    Ich mag Bücher über die Kriegs- und Nachkriegszeit, aber ich orientiere mich lieber an einen Stil á la Kertesz oder Böll. Bei denen bleibt sowas wie ein Funke von Hoffnung, ein Funke von Trost. Das konnte ich bei Koeppen nicht finden.


    In diesem Sinne, ich bin stolz und froh, dieses Buch hinter mich gebracht zu haben, es war in jedem Fall eine Bereicherung!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Rosalita, auf Dich bezog sich mein "Gemeckere" auch nicht. Du hast ja Deine Schwierigkeiten von Anfang an beschrieben und Dich regelmaessig gemeldet. Ausserdem finde ich es bewundernswert, dass Du frank und frei zugibst, dass Dir das Hintergrundwissen fuer dieses Buch fehle und es Dir "zu hoch" sei. Haette diese Leserunde funktioniert, haette das Buch Dir vielleicht doch mehr Spass gemacht, wer weiss? Jedenfalls werden wir beide uns sicher in kuenftigen Leserunden begegnen!


    Gruss mofre

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  • Zitat

    Original von mofre
    Jedenfalls werden wir beide uns sicher in kuenftigen Leserunden begegnen!


    Das wäre sehr schön!! :flower:


    Ja, schade,dass die Beteiligung dann noch sehr gering war. Oft ist der Austausch unter "Unwissenden" auch recht aufschlussreich und mit vielen Aha-Effekten verbunden! Wir hatten da wirklich schon recht schöne Leserunden.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


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