Walter Kempowski - Alles umsonst

  • Ostpreussen im letzten Kriegswinter des Jahres ´45.
    Auf dem Gut der Familie von Globig scheint anfänglich noch alles seinen bisher gewohnten Gang zu nehmen. Man hat sich mit dem täglichen präsenten Kriegsgeschehen arrangiert und versucht den Alltag bestmöglich mit den wenigen zur Vefügung stehenden Mittel zu meistern.
    Der Hausherr,Eberhard von Globig, verrichtet seinen Dienst als Offizier im fernen Italien, während seine Frau Katharina mit ihrem Sohn Peter auf Gut Georgenhof zurückbleiben.


    Katharina, die sich in ihrer weltfremden , träumerischen Art und Weise in ihr Refugium im ersten Stock des Anwesens hinter ihren Büchern verkriecht und die Augen vor den immer deutlicher spürbaren Anzeichen des Tag um Tag näherrückenden Frontverlaufes verschließt. Sie überlässt die Geschicke des Hofes und die Erziehung ihres Sohnes anderen Leuten, um möglichst wenig mit der Realität konfrontiert zu werden.
    Das „Tantchen“, eine alleinstehende Verwandte der Familie kümmert sich um alle Belange die notwendig sind um den Alltag auf einem Landgut zu meistern.
    Peter, der Sohn der Familie, erhält von dem durch die Schulschließungen arbeitslos gewordenen Studienrat Dr. Wagner seine Unterichtseinheiten, der durch diesem Umstand in den alltäglichen Genuß einer geheizten Stube und einer warmen Mahlzeit kommt.
    Es häufen sich jetzt die Vorboten der immer näherrückenden Roten Armee, die ersten Flüchtligstrecks formieren sich, einzelne Flüchtende finden kurz Zuflucht auf dem Hof, um aber bald ihren Weg in Richtung Westen fortzusetzten.


    Inmitten dieses Szenarios lässt sich Katharina während eines Ausfluges in das nahegelegene Mitkau vom dortigen Ortsgeistlichen überreden, einem auf der Flucht befindlichen Juden für eine Nacht Unterschlupf zu gewähren.
    Man beginnt zu ahnen, was kommen muß: Der Flüchtige wird wenige Tage später aufgegriffen und verhaftet. Bei ihm findet die Polizei einen Zettel mit einer Wegbeschreibung, die geradewegs zum Georgenhof führt.
    Katharina wird daraufhin verhaftet und nach Mitkau ins Gefängnis gebracht.
    Peter, das Tantchen und das restliche, noch verbliebene Personal sind aufgrund der immer bedrohlicher werden Situation gezwungen, den Georgenhof hinter sich zu lassen und sich auf die Flucht gen Westen zu begeben.
    Peter, der am Ende einzig Überlebende der Familie, bekommt aufgrund einer schicksalhaften Fügung noch einen Platz auf der letzten Barkasse die Ostpreussen über das Haff verlässt.


    Meine Meinung:


    Walter Kempowski fügt mit seinem Roman einen weiteren Baustein in sein literarisches Lebenswerk ein, bei dem er es sich zur Aufgebe gesetzt hat, der Nachwelt einen möglichst authentischen Einblick in das Leben während des dritten Reiches zu geben.
    Dieser Roman glänzt nicht mit sprachgewandter Größe, nicht mit moraletischen Denkanstössen oder großem Pathos.
    Kempowski schildert die Geschichte der Familie Globig in einem sehr klaren, fast schon minimalistischen Stil, der sehr präzise die Tatsachen schildert, jedoch ohne dem Leser in irgendeiner Form die Bewertung des Gelesenen vorzugeben.
    Mich hat die Geschichte mehr und mehr in Beschlag genommen, so daß ich die letzten 200 Seiten fast am Stück gelesen habe.
    Für denjenigen, der sich für diese Thematik interessiert und sich nicht vom anfangs gewöhnungsbedürftigen Erzählstil abschrecken lässt, dem kann ich dieses Buch absolut empfehlen.


    Gruß
    Richard

    "Erst die Möglichkeit einen Traum zu verwirklichen, macht unser Leben lebenswert."


    Paul Coelho


    :study:John Irving - Owen Meany

  • Auch mir hat "Alles umsonst" gut gefallen. Ich fand die Charaktere sehr gelungen, auch wenn ich mich dunkel erinnern kann, bei Erscheinen des Buches eine Rezension in einer Zeitung gelesen zu haben, die Kempowski vorwarf, gerade die Figuren klischeehaft zu zeichnen ohne sie einer Entwicklung im Laufe des Romans zu unterziehen. Dem kann ich mich eigentlich nicht anschließen, in meinen Augen findet sehr wohl eine solche Entwicklung statt - nicht penetrant und einschneidend, dafür realistisch und überzeugend. Sobald man sich einmal an Kempowskis Stil gewöhnt hat, liest sich das Buch flüssig und schnell, und es hat mich auf eine unaufdringliche Art berührt (vielleicht auch, weil ein Teil meiner Familie selbst einen "Flüchtlingshintergrund" hat, wenn auch nicht aus Schlesien). Für mich ein sehr fesselndes Buch, das sich auf ganz unaufgeregte, unangestrengte Weise mit einem vielschichtigen, schwierigen Thema befasst.

    In allem habe ich Ruhe gesucht und sie nirgends gefunden außer in einer Ecke mit einem Buch.
    - Umberto Eco

  • Ein Buch, das man gut lesen kann. Eine erschreckende Geschichte aus jüngster Vergangenheit, die zu der Zeit mit Sicherheit kein Einzelfall war.


    Ein sehr trauriges Ende; kann einem schon mal die Tränen in die Augen treiben.


    Lesenswert ! :thumright:

    Liebe Grüße Hedi :love:

    “Wenn du einen Garten und dazu noch eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen.”
    Cicero

  • Nach diesen positiven Meinungen werde ich das Buch mit Sicherheit auch lesen, aber nun habe ich erst mal noch "Heile Welt" von Kempowski hier liegen.


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: Sigrid Damm, Das Leben des Friedrich Schiller
    :study: Jorge Amado, Die Abenteuer des Kapitäns Vasco Moscoso

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.