Margrit Schriber: Das Lachen der Hexe

  • Inhaltsangabe (kopiert bei www.literaturkritik.de/ von Liliane Studer im Juni 2006):


    Ich bin keine Hexe", heißt der erste Satz in Margrit Schribers historischem Roman "Das Lachen der Hexe", doch alle Beteuerungen werden der Anna Maria Gwerder, geborene Schmidig, nichts nützen, denn wer (weiblichen Geschlechts) des Pakts mit dem Leibhaftigen angeklagt ist, hat keine Chance zu überleben. Auch die Anna Maria nicht, obwohl sie die Witwe des Kastenvogts ist, und der war beileibe kein Niemand im Muotatal. Aber die Tatsache, dass eine Auswärtige dem Witwer den Kopf verdrehte, dass er diese Frau heiratete und nicht die Kathrin Fassbind, die vor Gericht aussagt, sie sei mit ihm verlobt gewesen und bei ihrem Sturz im Wald, glaube sie, habe die Kastenvögtin die Hand im Spiel gehabt, genügt, um einer unbequemen Frau, die nach dem Tod des Mannes ihre Geschäfte weiterführt, den Prozess zu machen, sie so lange zu foltern, bis sie 1753 74-jährig im Gefängnis von Schwyz (Innerschweiz) stirbt, noch bevor sie in einem ordentlichen Verfahren als Hexe verurteilt worden ist (und sie hätte nur verurteilt werden können).


    Anna Maria Schmidig ist 27-jährig, als sie - eine Fremde im Tal - Hans Leonhard Gwerder heiratet, der zwei Kinder in die Ehe bringt. In den folgenden Jahren werden vier weitere Kinder hinzukommen. Anna Maria ist eine tüchtige Frau, sie ist zufrieden, glücklich auch. Ihr Lachen wirkt ansteckend. "Ein mitreißendes, perlendes, ein geradezu wildes Lachen. Es hallte von den Felswänden und füllte das Muotatal mit Heiterkeit." Die Gwerderin denkt selber. Sie stellt fest, dass ein Krämerladen dem Tal nur Vorteile bringen würde. Sie setzt diese Idee um, der Laden findet Anklang, die Durchreisenden können kaufen, was sie benötigen, die Einheimischen haben Nutzen vom Verkehr auf ihren Heerstraßen. Es geht ihnen gut. Doch eigentlich geht es nicht. Denn seit wann geschäftet eine Frau, und erst noch eine verheiratete Frau. Und es kann nicht mit rechten Dingen zugehen, dass sie auch noch Erfolg hat. Dass die beiden Kinder aus des Kastenvogts erster Ehe kurz hintereinander sterben, so will man später wissen, sei wohl nicht mit rechten Dingen zugegangen. Lienert geht der Verlust sehr nahe, er ist ein gebrochener Mann und stirbt bald nach seinen Kindern. Nun steht Anna Maria alleine da, mit vier Kindern, alle noch minderjährig. Dass sie - eine Frau, eine Fremde - selbständig bleiben könnte, steht außer Diskussion. Die Kinder werden bevogtet, der jüngere Bruder des Verstorbenen nimmt sich dieser Aufgabe an. Dass das nicht gut gehen kann, ist abzusehen. Denn Anna Maria weiß, wer sie ist, und sie - als Einzige wohl - würde sich zutrauen, sich und ihre Kinder ohne fremde Unterstützung, Einmischung muss es wohl eher heissen, durchzubringen. Doch das soll nicht sein.


    Vorerst geht es noch. Anna Maria kämpft trotz Feindschaft von allen Seiten. Sie hegt weitere Pläne, eröffnet eine Taverne, bewirtet Soldaten, stellt junge Mädchen aus dem Dorf ein, treibt Handel. Das Dorf floriert. Die beiden Töchter helfen aus, die eine im Krämerladen, die andere im Wirtshaus. Nur der jüngste Sohn, inzwischen auch erwachsen, lebt noch bei der Mutter. Nun hat Meinrad Gwerder keinen Einfluss mehr. So wird denn rasch auf der Landsgemeinde beschlossen, dass Witwen und ledige Frauen immer bevogtet sein müssen. Der angesehene und erfahrene Rickenbacher übernimmt das Amt, er werde den Willen des zähen Teufelsweibes brechen. Anna Maria Gwerder kann diese Übergriffe nicht ernst nehmen. Sie will weiterhin arbeiten, ihre Geschäfte erledigen. Doch die Lage spitzt sich zu. Eine Missernte, ein Unwetter, Pech im Stall, überall soll die Kastenvögtin die Hand im Spiel gehabt haben. Sie wird unter Observation gestellt, später der Hexerei angeklagt. Die Fremde im Muotatal ist nicht länger geduldet, sie muss entfernt werden, sie stört. Nicht ihr Wille wird gebrochen, sie wird getötet, stirbt noch vor Prozessende an den Folgen der Folter.


    Die Autorin: (kopiert von www.nagel-kimche.de / Verlag ,der das Buch herausgegeben hat)


    Margrit Schriber wurde 1939 in Luzern geboren, als Tochter eines Wunderheilers. Sie arbeitete als Bankangestellte, Werbegrafikerin und Fotomodell. Margrit Schriber lebt heute als freie Schriftstellerin in Zofingen und in der französischen Dordogne. Sie erhielt mehrere Auszeichnungen, u.a. den Aargauer Literaturpreis für ihr Gesamtwerk.


    Meine Meinung:


    Ich habe die Inhaltsangabe diesmal nicht bei amazon kopiert, weil sie dort erstens zu kurz und zweitens falsch ist, denn Meinrad Gwerder ist nicht der Ehemann, sondern der Schwager und spätere Vormund der "Hexe". Ein Fehler, der auch im Klappentext des Buchs auftritt - so etwas sollte nicht passieren. :x
    Von der Thematik ist das Buch sehr interessant, bei der eindringlichen Beschreibung des Schicksals der Anna Maria Gwerder empfindet man zunehmend Mitleid mit der Frau und zunehmenden Hass auf die engstirnigen Mitmenschen, die alles verteufeln, was über ihren beschränkten Horizont geht.
    Die Sprache des Romans war für mich ziemlich gewöhnungsbedürftig. Das Buch enthält zwar ein umfangreiches Glossar vieler (aber nicht aller) Schweizer Ausdrücke, dennoch ist das ständig erforderliche Nachschlagen recht anstrengend.
    Außerdem kommt das Buch (wie Daniel Kehlmanns "Vermessung der Welt") ohne wörtliche Rede aus, was stellenweise recht verwirrend ist, zumal in der Erzählung auch in der Zeit hin und her gesprungen wird zwischen der aktuellen Situation (im Hexengefängnis) und dem Rückblick auf die letzten Jahrzehnte.
    Angesichts dieser (für mich) etwas anstrengenden Erzählweise bin ich nicht unglücklich darüber, dass der Roman mit 136 Seiten relativ kurz ist.
    Dennoch: die Darstellung des traurigen Schicksals einer Frau, die ihrer Zeit voraus war und dafür büßen musste, ist ergreifend und lesenswert. Man sollte sich allerdings Zeit und Ruhe für die Lektüre nehmen - so nebenbei lässt sich dieses Buch nicht lesen.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Seid gegrüsst!


    Hei €nigma! Vielen Dank für deine Rezi! Ich habe das Buch schon länger
    gelesen und kann mich erinnern, dass ich davon sehr fasziniert war,
    zumal ich ja aus der Schweiz komme (daher hatte ich auch nicht so Mühe,
    die Innerschweizer Begriffe zu verstehen :wink: ).
    Das mit der Inhaltsangabe ist mir gar nicht aufgefallen, ich hab einfach das Buch gelesen und gut :P , aber du hast völlig recht,
    solche Fehler sollten nicht passieren!
    Hast du auch das gehört, dass hier in der Schweiz vor etwa 2 Wochen die
    letzte in Europa verbrannte Hexe im Nachhinein nun endlich
    "freigesprochen" wurde?
    Da mache ich mir schon Gedanken, wie das mit der Justiz so läuft... :roll:


    Herzlichst


    E.S.




    :study: Hjorth & Rosenfeldt - Die Toten, die niemand vermisst

    :musik: Die drei ???

    Bücher haben Macht
    Über dich lachen sie bloss
    Weil du trotzdem liest.

    :love:

  • Zitat


    Hast du auch das gehört, dass hier in der Schweiz vor etwa 2 Wochen die


    letzte in Europa verbrannte Hexe im Nachhinein nun endlich


    "freigesprochen" wurde?



    Nein, das habe ich nicht mitbekommen. Die letzte Hexe war doch Anna Göldin (1782?). Über ihren Fall habe ich vor langer Zeit einen sehr interessanten Roman gelesen, ich glaube, er war von Eveline Hassler. Leider nützt der posthume Freispruch der armen Anna auch nichts mehr.
    :(

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  • Seid gegrüsst


    Ja, nützen tuts Anna nun auch nicht mehr, einen Artikel findest du hier, ich hab gerade gesehen, dass dieser Fall schon etwa einen Monat zurück liegt...
    Wie heisst denn der Roman?


    Herzlichst


    E.S.

    :study: Hjorth & Rosenfeldt - Die Toten, die niemand vermisst

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    Über dich lachen sie bloss
    Weil du trotzdem liest.

    :love:

  • Es war der Roman "Anna Göldin, letzte Hexe", den ich in den 80er Jahren mal aus der Bücherei entliehen hatte.

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  • Seid gegrüsst


    Vielen Dank für den Tipp, ist geradewegs auf meine Wunschliste gewandert :loool:


    Herzlichst


    E.S.

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