Thomas Mann - Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull

  • Thomas Mann: Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull


    Inhalt: "Der Memoiren erster Teil" nennt Mann die fiktive Lebensbeichte Felix Krulls, Sohn eines Sektfabrikanten aus dem Rheinland. Krull erzählt im Alter von ca. 40 Jahren die ersten 20 Jahre seines Lebens, die Kindheit mit kleinen Lügen, um nicht zur Schule zu müssen, Verkleidungsspielen mit seinem malenden Patenonkel, kleinen Diebstählen - so beginnt im kleinen die Karriere eines großen Schelmen, Betrügers, der im Laufe seines Lebens in viele verschiedene Rollen schlüpfen wird.
    Nachdem die Firma pleite geht und besonders nach dem Tod des Vaters steht Familie Krull vor dem Nichts, muss sich neu erfinden - für Felix führt sein Weg nach Paris an ein großes Hotel, wo er als Liftboy und Kellner auf einen "Seitenweg" wartet, der seiner Karriere Glanz verleihen soll. Durch seine Eloquenz, durch seine Wirkung auf Frauen, aber auch durch seine Dreistigkeit bieten sich ihm Möglichkeiten zum Aufstieg.


    Meine Eindruck: "Felix Krull" ist ein Fragment, was der Leser an vielen Andeutungen merkt, die im späteren Text nicht mehr aufgenommen werden; man erfährt nie, warum er z.B. im Gefängnis war. Auch kommt es mir vor, als wäre es gar nicht möglich die Bekenntnisse in dieser Ausführlichkeit komplett zu schreiben, es sei denn auf tausenden von Seiten. All dies tut dem Lesevergnügen keinerlei Abbruch - der von sich selbst überzeugt Krull ist in vielerlei Hinsicht ein Antiheld, einer der durch seinen geschickten Redeschwall beeindrucken kann, seine Halbbildung an den Mann/Frau zu bringen weiß und mit allen Mitteln den ihm zustehenden Platz in der Welt einnehmen will: ganz oben. Mann persifliert damit üblich-moralische Charakterentwicklungen, schafft mit Krull eine Figur, die trotz aller Arroganz und Überheblichkeit das Herz des Leser erobert.
    Sie spielen mit der Sprache, Mann und seine Figur, Künstlertum ist nicht umsonst eines der großen Themen des Buchs. Ein Lesevergnügen, bei dem ich lediglich zu kritisieren habe, dass die Handlung, wenn auch nicht im Detail so doch in groben Zügen, vorhersehbar ist; allerdings passt das wohl gut zu Manns Idee eines Bildungsromans der Hochstapelei.

    Katia


    Diese Sonderausgabe von Fischer entspricht optisch der Erstausgabe.
    Es sei allerdings beachtet, dass sie keine Übersetzung der französischen, englischen und italienischen Stellen enthält, allerdings sind diese Stelle zum Verständnis nicht unbedingt notwendig, das sich aus dem Kontext meistens eh klar ist, welche Schmeicheleien Felix gerade von sich gibt :-)
    Wer sich daran stört, greift vielleicht besser zu einer anderen Ausgabe.

  • :?: Gab es in der Erstausgabe eine Übersetzung der fraglichen Textstellen? Das kann ich mir nämlich nicht wirklich vorstellen. Soweit ich weiß wurden solche Übersetzungen erst in jüngerer Zeit - und dann speziell für Schulausgaben - verwendet. :?:

  • Keine Ahnung, ich glaube nicht, dass die Erstausgabe Übersetzungen enthielt. Ich weiß auch nicht ob die normale TB-Ausgabe solche enthält, meiner Erfahrung nach sind Übersetzungen solcher Textpassagen heute meistens als Fuß- oder Endnoten mit im Buch. Ich wollte nur "warnen", dass diese Ausgabe fremdsprachige Textstellen enthält.
    Habe versucht mein Posting oben etwas unmissverständlicher zu formulieren.


    Katia

  • Meine Fischer-Taschenbuchausgaben von Thomas Manns Romanen sind dreissig Jahre alt und nirgends sind die fremdsprachigen Passagen uebersetzt. Sie sind ja so geschrieben, dass man sie in groben Zuegen versteht, auch wenn man die Sprache nicht beherrscht.
    Als grosser Thomas Mann-Leser freue ich mich immer, wenn ein Buch von ihm vorgestellt wird. "Felix Krull" mag ich persoenlich allerdings am wenigsten von seinen Romanen und halte ihn auch objektiv fuer seinen schwaechsten. Er hatte ihn vor Jahrzehnten angefangen, dann am Ende seines Lebens wieder hervorgeholt, um die Arbeit daran gleich wieder zu unterbrechen fuer seine letzte groessere Erzaehlung "Die Betrogene" (uebrigens eine sehr schoene, interessante Geschichte, in der Thomas Mann sich sogar an das Mysterium der weiblichen Menstruation heranwagt). Schliesslich hat er mit ziemlicher Unlust am "Krull" weitergearbeitet und es dann beim ersten Teil der "Bekenntnisse" belassen. Er war selbst nicht so recht zufrieden damit.
    Die ersten beiden Kapitel, in denen die Kindheit Felix Krulls, die Sektkellerei seines Vaters und das rheinische Milieu beschrieben wird, gefallen mir noch gut. Aber dann...ich finde, das Schelmisch-Erotische ist nicht sein Ding. Er kann Liebesbeziehungen zwischen Frau und Mann einfach nicht beschreiben, das war schon im Zauberberg so. Sie haben irgendwie immer einen homosexuellen Unterton. So ist die Beischlafszene mit Madame Houpflé bekannterweise eine einzige Hommage an die Juenglingsschoehnheit, also im Grunde eine homoerotische Szene, und wirkt auf mich eher albern als ironisch. Auch sonst kam mir das Buch ziemlich bemueht und seltsam blutleer vor.
    Aber es ist immer wieder interessant, wie Thomas Mann eigene Erlebnisse und Bekanntschaften verwertet. So war er kurz bevor er mit der Arbeit am "Krull" begonnen hatte zum ersten Mal in einem Museum fuer Naturkunde und Meeresbiologie in Chicago. Der Besuch hatte ihn nach eigener Aussage mehr fasziniert als alle Kunstausstellungen zusammen. Flugs ist er ausfuehrlich in den Roman eingeflossen (die Gespraeche mit Professor Kuckuck). Und der schottische Lord, der an dem Kellner Felix Gefallen findet und ihn mit auf sein Schloss nehmen will, ist ein Selbstportraet Thomas Manns, der sich just einige Wochen zuvor im Zuercher "Grand Hotel Dolder" in den bayrischen Kellner Franzl verguckt hatte. Thomas Mann hat in den meisten seiner Buecher ungeniert lebende Personen verarbeitet (vor allem karikiert) und sich dabei oefter mal Aerger eingehandelt. Heute haette er zig Prozesse am Hals!
    Gruss mofre

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  • Zitat

    Original von mofre
    Aber es ist immer wieder interessant, wie Thomas Mann eigene Erlebnisse und Bekanntschaften verwertet. So war er kurz bevor er mit der Arbeit am "Krull" begonnen hatte zum ersten Mal in einem Museum fuer Naturkunde und Meeresbiologie in Chicago. Der Besuch hatte ihn nach eigener Aussage mehr fasziniert als alle Kunstausstellungen zusammen. Flugs ist er ausfuehrlich in den Roman eingeflossen (die Gespraeche mit Professor Kuckuck).


    Sehr interessant! Mir haben diese Passagen nicht besonders gefallen, sie wirken aufgesetzt und konstruiert, irgendwie nehme ich Krull seine Begeisterung für etwas das nicht ihn selbst oder seinen Aufstieg betrifft, nicht richtig ab.
    Direkt homoerotisch wirkt die Szene mit Diane auf mich nicht, aber dass sie seine Jugend so preist und ihn am liebsten noch viel jünger als seine 20 hätte, finde ich etwas befremdlich. Die Szene hat etwas Albernes, aber da sie nicht allzu lange ist, hat mich das nicht so sehr gestört - im Zauberberg versucht Mann wirklich Liebe zu schildern, während es hier nur um Sex geht.


    Katia

  • Der homoerotische Unterton in der genannten Szene liegt eben darin, dass hier die Frau ungewoehnlicherweise von der koerperlichen Schoenheit des Mannes schwaermt (normalerweise ist es umgekehrt) und zudem die Reize der Frauen ("wir mit unseren Siebensachen") als weniger erotisch abtut. Eine so feminine Frau wie Diane, die sich ihrer Attraktivitaet genau bewusst ist und sie auch gezielt einsetzt, wuerde sowas doch ernstlich nicht sagen. Das ist durch die "Brille" Thomas Manns gesehen, der die Schoenheit junger (!) Maenner weiblichen Reizen immer vorgezogen hat.
    Uebrigens war er sich des homophilen Untertons im "Krull" durchaus bewusst. Es ist ja auch nicht das erste "Bekenntnis" Thomas Manns. In seiner grossen Novelle "Tod in Venedig" steigt der alternde Schriftsteller Aschenbach dem 15jaehrigen polnischen Jungen Tadziu hinterher. Aschenbach traegt unverkennbar die Zuege Thomas Manns, und Tadzieu ist das Abbild eines Jungen, den Mann waehrend eines Venedigaufenthaltes im Hotel tagtaeglich bewunderte.
    Und im "Zauberberg" erinnern die asiatischen Zuege Clawdia Chauchats Hans Castorp an seinen Schulfreund Pribislav Hippe, der wiederum Willri Timpe nachgebildet ist, einem Luebecker Schulfreund Thomas Manns, fuer den er schwaermte (vielleicht seine erste Liebe).
    Mich wundert immer, wie offen der so distanzierte, strenge Thomas Mann dann doch wieder ueber ganz persoenliche Dinge spricht (in seinen Buechern und Tagebuechern). Ich glaube, man muss, um gute Literatur schreiben zu koennen, doch den Mut haben, auch persoenliche, intime Dinge von sich preiszugeben (natuerlich mehr oder weniger verklausuliert). Wenn man das nicht schafft, werden die Buecher nie wirkliche Authentizaet und menschliche Gueltigkeit haben


    Gruss mofre

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  • Zitat

    Original von mofre
    "Felix Krull" mag ich persoenlich allerdings am wenigsten von seinen Romanen und halte ihn auch objektiv fuer seinen schwaechsten.


    Danke, Mofre, für diese Bemerkung, denn nachdem ich Mann durch andere Stücke schon schätzen gelernt habe, fand ich doch seinen "Felix Krull" nicht so gelungen und glaubte mich schon allein in diesem Eindruck.


    Zitat

    Original von mofre
    Aber es ist immer wieder interessant, wie Thomas Mann eigene Erlebnisse und Bekanntschaften verwertet.


    Das ist total spürbar und - wie Du später schreibst - auch EINE Quelle inspirierten Schreibens. Allerdings ist es meines Erachtens bei Mann auffällig, dass er manchmal mit diesen Erlebnissen, Beschreibungen zu weit geht. Bei einigen Beschreibungen droht er, in "Exkurse" und einen "Vorlesungsstil" zu fallen, was auch nerven kann (bei allem Sprachgenie darin).

  • Tom fleo, Du hast recht, Thomas Mann kann ganz schoen nerven. Vor allem mit "Doktor Faustus". Da wollte er, der sich gern in der Nachfolge Goethes als Repraesentant des geistigen und kuenstlerischen Deutschlands sah, beschreiben, wie die deutsche Geistesgeschichte in Verbindung mit der dem Mystischen und Musikalischen zuneigenden Mentalitaet der Deutschen ins Verhaengnis, naemlich zum "Teufelspakt" mit dem Dritten Reich fuehren konnte. Dabei hat er das ganze Abendland, vom Mittelalter ueber Luther und Nietzsche bis zu Adorno, von der vormittelalterlichen Musik ueber Beethoven bis zur Zwoelftonmusik Schoenbergs zusammengezwungen und ein schwer verdauliches Konstrukt geschaffen, dem einfach der erzaehlerische Fluss und die Einheitlichkeit fehlt, ungeachtet dessen, dass etliche schoene und ironische Passagen darin sind.
    Aber auch in einem meiner Lieblingsbuecher - dem "Zauberberg" - krankt der zweite Teil an den ellenlangen, zu Vortraegen und Essays ausartenden Kapiteln. Auch die Diskussionen zwischen Naphta und Settembrini sind reichlich theoretisch. So spricht wirklich kein Mensch!
    Im "Krull" fliesst, wie Katia schon bemerkte, dieses Theoretisieren in das Gespraech mit Professor Kuckuck ein.
    Deswegen halte ich auch die "Buddenbrooks" fuer sein kuenstlerisch gelungenstes Buch (trotz aller Faszination des "Zauberbergs"), denn da verkneift er sich die "Exkurse", wie Du sie nennst.


    Gruss mofre

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  • Nachdem ich "Krull" erst vor einigen Tagen zur Seite gelegt habe, kann ich nur danke an die Rezensionen hier in diesem Thread sagen.


    Für mich war es der erste Mann und ich hab ihn gern bis zum Schluß gelesen. Besonders gefallen hat mir sein "Deutsch", was für einen deutschen Schriftsteller nichts ungewöhnliches sein sollte.
    Seine Art des Ausduckes des Ausformulierens, bis ins letzte Detail, hat das Buch so lesenswert gemacht.
    Kritik hab ich nur an den nicht übersetzten Passagen, die man zwar erahnen konnte, aber deren genauer Wortlaut mir besser gefallen hätte.


    Seine "Erzählungen" liegen seit ein paar Tagen auf meinem SUB

    Seien Sie vorsichtig mit Gesundheitsbüchern - Sie könnten an einem Druckfehler sterben. #-o


    Mark Twain

  • Als ich dieses Buch ,mein erstes von Thomas Mann gelesen habe war ich freudig überrascht, kein langweiliges Buch oder gar verstaubt wegen seines Alters, sondern interessant geschrieben. Mir hat auch besonders die Sprache gefallen, ich liebe Bandwurmsätze und die benutzt Mann ja zu genüge

  • Ich habe vor Jahren die "Buddenbrooks" gelesen und fand sie wirklich gut und interessant geschrieben. :)


    Jetzt lese ich seit einigen Wochen an "Felix Krull" und warte darauf, dass mir der Zugang zu diesem Werk Manns gelingt. Was ich hier in diesem Thread gelesen habe, finde ich sehr interessant und vielleicht wird so einiges leichter zu verstehen oder anders zu lesen sein, als ich es bisher getan habe. Ich muss aber sagen, dass ich zu dem Roman einfach bisher keine emotionale Verbindung aufbauen kann und er mich somit auch nicht gerade in seinen Bann zieht... :-?

  • Ich habe Felix Krull vor knapp 10 Jahren gelesen und habe das Buch eigentlich in ganz guter Erinnerung.


    Ich erinnere mich noch daran das ich den Schluss ziemlich "offen" fand und das ich zur Buchhändlerin gelaufen bin und gefragt habe ob es noch einen zweiten Teil gäbe, den gibt es aber leider nicht :|

  • Ich habe die "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull" als Hörbuch gelesen (neben dem Autofahren). Mich hat die Sprache fasziniert (wie natürlich immer bei Thomas Mann) allerdings konnte ich offen gestanden nicht immer folgen, vielleicht lag's an der nicht immer vermeidbaren Ablenkung.


    Das ist mir bei den "Buddenbrocks" ganz anders ergangen. Da war ich von Anfang bis zum Ende voll im Bilde und bei der Sache.


    Mein Gesamteindruck: :-?

  • Auf irgendwelchen Seiten in diesem Buch schildert Thomas Mann ein Gespräch zwischen Felix Krull und einem Professor in einem Zugabteil. Ich glaube es ging um die Weiten des Univerums und der Sterne. Diese Seiten waren die schlimmsten Seiten die ich je gelesen habe und das wird noch für lange Zeit so bleiben. Kann man nämlich nur schwer toppen!!

  • ### Inhalt ###
    Felix Krull wächst im Rheingau Ende des 19. Jahrhunderts auf. Er ist Sohn des Schaumweinfabrinkanten Engelbert Krull, durch dessen anfänglichen Erfolg die Familie samt Mutter und der Tochter Olympia sowie eine Hausangestellte ein feinbürgerliches Leben führen. Durch einen Freund der Familie, einem Künstler namens Schimmelpreester entdeckt Felix in sich die Liebe zur Verkleidung und zur Verwandlung kennen, da dieser Felix immer aufs neue mit den verschiedensten Kostümen, meist den Uniformen von Menschen höheren Geblüts, einkleidet, um ihn anschließend zu malen. Felix ist ein schönes Kind, ein Adonis, der ein Schlag bei den Frauen hat. Er liebt es allein zu sein und er hasst die Schule, die er häufig schwänzt. Felix ist ein Feingeist. Er fühlt sich zu höherem berufen und pflegt sich blümerant und schnörkelig auszudrücken. Eines Tages nimmt sich sein Vater das Leben, da seine Schaumweinfirma pleite geht. Die Familie steht kurz vor dem gesellschaftlichen Abstieg. Dann springt jedoch Schimmelpreester als Freund der Familie ein und verhilft der Frau, Felix und Olympia durch Kontakte zu Möglichkeiten, ein neues Leben anzufangen. Olympia bekommt eine Anstellung als Theaterdarstellerin, die Mutter und Felix reisen nach Frankfurt, um dort eine Art Hotel zu errichten, die sich nach einiger Zeit auch wirtschaftlich trägt. Felix reist ab dann wie es von Anfang an der Plan war nach Paris, um dort als Page in einem teuren Hotel zu arbeiten. Dort arbeitet er sich vom Fahrstuhlpagen zum ersten Kellner der Hotellounge hoch. Durch seine Schönheit, seine gewählte Ausdrucksweise, seine genaue Beobachtungsgabe und die Liebe zu den Schönen und Reichen wird er sehr schnell ein Liebling der Upper-Class. Glückliche Umstände haben ihn in der Zwischenzeit ein kleines privates Vermögen anhäufen lassen, mit dessen Hilfe er sich eine eigene Wohnung und feine Kleider leisten kann. Aufgrund dessen kann sich Felix in Paris in seiner freien Zeit in Gebaren und seinem Äußeren als ein Mitglied der Oberschicht üben. Eines Tages möchte Felix eine Theateraufführung besuchen. Elegant und edel gekleidet möchte er vor der Aufführung am Abend zuvor in einem vornehmen Café den Nachmittag ausklingen lassen. Auf einmal sieht den Marquis Venosta, den er vormals des öfteren als Kellner in seinem Hotel bedient hat. Der Marquis sieht ihn, ist sehr erstaunt, aber hauptsächlich beeindruckt. Der Marquis hält Felix für einen Edelmann, der sich zum Spaß als Kellner betätigt. Die beiden Männer kommen ins Gespräch. Es ergibt sich, dass der Marquis in einer Zwangslage ist. Seine Eltern wollen ihn auf eine lange Bildungsreise zu den schönsten Orten der Welt schicken, damit diese ihn seine Liebe zu Zaza vergessen lässt, einer Bürgerlichen, zur der seine Eltern ihren Sohn auf keinen Fall eine Liebesbeziehung aufbauen lassen wollen. Felix hat Mitleid und macht dem Marquis den einen oder anderen Vorschlag wie er mit der Situation fertig werden kann. Doch der Marquis hat eine bessere Idee: Felix solle doch mit ihm die Rolle tauschen und statt seiner die Reise antreten. Felix ist erstaunt, aber auch hocherfreut. Er sieht hier eine Gelegenheit, auch wenn nur für eine begrenzte Zeit, ein Leben zu führen, zu dem er sich immer berufen gefühlt hat und geht daher auf den Vorschlag ein, womit sein Abenteuer beginnt.


    ### Positives ###
    Das Buch beschäftigt sich mit einem für mich sehr interessanten Thema. In gewisser Weise faszinieren mich Hochstapler, da sie eine besondere Gabe haben. Sie können sich verändern, abrupt ihre Erscheinung und ihr Verhalten verändern wie virtuose Schauspieler.

    Das Buch ist aus der Ich - Perspektive des Protagonisten erzählt, womit der Leser Einblick in alle seine Gedanken erhält und das sehr detailliert. Felix erzählt rückblickend als gealterter Mann von vielen Szenen aus seinem Leben, von Begegnungen mit anderen Menschen und Situationen und hält dabei grob die zeitliche Reihenfolge ein.


    ### Negatives ###
    Wer den Roman liest, dem wird als erstes die Sprache auffallen. Es handelt sich um komplexe, schnörkelhafte Sprache. Sätze gehen oft eine halbe Seite lang. Nachdem ich das Buch gelesen habe möchte ich fast soweit gehen, dass diese blümerante Sprache Hauptgegenstand des Buches ist. Die Geschichte um die es geht ist fast nur Plattform für die Sprache. Wenn man die Sprache mit einem Song vergleicht, dann wäre diese ein technisch anspruchsvolles Gitarrensolo, dem man andächtig lauscht. Ein anspruchsvolles Gitarrensolo läßt mich am Ende respektvoll mit dem Kopf nicken. Es packt mich aber nicht. Dies war auch bei mir bei diesem Buch der Fall. Es fehlt in meinen Augen auch an einer Dramaturgie, an einem Wachstum des Protagonisten, bei dem sich dieser verändert aufgrund der Herausforderungen, denen er sich gegenübersieht. Stattdessen ist eine Aneinanderreihung von Szenen, Erlebnissen, Begegnungen mit Menschen und ausführlichen Sermonen darüber. Felix ist im Grunde von Anfang an ausgereift. Von Anfang an verfügt er über beste Umgangsformen, eine geschliffene Sprache und spricht fließend mehrere Sprachen.

    Das Ende ist abrupt und unerwartet und für mich nicht besonders befriedigend.


    ### Fazit ###
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Ein Buch für Menschen, die sich an einer komplexen, kunstvollen Sprache erfreuen können.

    Der ideale Tag wird nie kommen. Der ideale Tag ist heute, wenn wir ihn dazu machen. -- Horaz


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  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Thomas Mann: Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ zu „Thomas Mann - Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ geändert.
  • :bewertung1von5::bewertung1von5:

    Ein Buch für Menschen, die sich an einer komplexen, kunstvollen Sprache erfreuen können.


    Ich wollte eigentlich nur mitteilen, dass ich gerade den Felix Krull zu lesen begonnen habe und mir die Sprache auch sofort aufgefallen ist. Sehr fein, detailiert, lange Sätze. Es ist seit meiner Schulzeit der erste Thomas Mann an den ich mich wieder heranwage. Bin gespannt . Deine Rezi lese ich dann anschließend

  • Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull

    von Thomas Mann


    In meiner Schulzeit, die nun schon länger her ist, habe ich einmal den "Tod in Venedig" von Thomas Mann gelesen. Ich fand die Geschichte damals so eigenartig und auch bedrückend, dass ich mich bisher an kein Werk von Thomas Mann mehr herangewagt habe.

    Als ich mir nun "Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull" zu lesen vornahm, war ich zunächst einmal recht skeptisch, ob ich denn mit dem Roman zurecht kommen würde.

    Erzählt wird die Geschichte von Felix Krull, dem Sprössling des dem Alkohol nicht abgeneigtem Schaumweinfabrikanten Engelbert Krull aus dem Rheingau.

    Schon als Knabe von außergewöhnlicher Schönheit und mit ungewöhnlich viel Fantasie und Einbildungskraft ausgestattet, schwindelt sich Felix von frühester Kindheit an mit sonnigem Gemüt durchs Leben.

    Thomas Mann erzählt von dessen Kindheit, seinem Versagen in der Schule, er berichtet von ersten kleinen Diebstählen, zuerst eher zufällig, von ersten Liebesabenteuern und schliesslich vom Verfall der Firma und dem Selbstmord seines Vaters und der damit einhergehenden Ächtung im Wohnort.

    Durch die Vermittlung seines Paten kommt es, dass Felix in die Welt hinausgeht, über Frankfurt nach Paris, wo er schliesslich eine Anstellung in einem der besten Hotels der Stadt erhält.

    Hier nun beginnt Felix sich fintenreich und mit allerlei Halbwahrheiten und Hochstapeleien durchs Leben zu mogeln. Hierbei ist er ungeheuer charmant, erfolgreich, selbstbewusst und nicht nur die Damenwelt liegt ihm zu Füßen.


    Dies alles klingt wunderbar und der Roman könnte durchaus kurzweilig und flüssig sein, ist es aber nicht, denn er ist von Thomas Mann geschrieben.

    Die komplexe Sprache , ausformuliert bis ins Detail, Bandwurmsätze am laufenden Band machen das Buch nicht einfach zu lesen. Anfangs habe ich sehr damit gehadert. An diese Art zu schreiben, an die vielen ausufernden philosophischen Einschübe und Betrachtungen musste ich mich erst gewöhnen.

    TM bedient sich einer aussergewöhnlich schönen Sprache. Als ich es einmal akzeptiert hatte, dass ich hier nicht schnell lesen kann und auch Wörter nachschlagen muss, wurde das Lesen zum Genuss für mich.

    Wunderbar fand ich das Spiel mit der schönen Sprache, die eingestreuten französichen Begriffe, aussergewöhnliche Namen, wie Sally Meerschaum, Schimmelpreester, Müller-Rose, Professor Kuckuck. Gefallen hat mir der Sinn fūr Schönheit, die Offenheit auch in sexueller Hinsicht, Passagen wie die ūber das wahre Wesen der Liebe.

    Irritiert haben mich das unglaubliche Selbstbewusstsein, das ausgeprägte Klassenbewusstsein, die Arroganz der Betrachtungen.

    Hier bin ich nicht sicher wieviel davon echt ist und wieviel ironisch/gesellschaftskritisch gemeint ist.

    Alles in allem war die Lektūre sehr anregend und ich denke ich werde die eine oder andere Passage noch einmal lesen.

    Ich vergebe 4 Sterne, einen Stern ziehe ich aufgrund der vielen langatmigen Passagen ab, die man nur mit einer guten Portion Durchhaltewillen meistert.