Corinna Luedtke - Die Nächte mit Paul oder der Tag ist anderswo

  • Die Autorin:
    Corinna Luedtke wurde 1961 in Hameln geboren und lebt in Laatzen. “Die Nächte mit Paul“ ist ihr erster Roman.


    Meine Meinung:


    „Die Geschichte einer Liebe, die niemals zum Glück führen kann und doch unvermeidbar bleibt. Luisa ist fasziniert von der Stärke und Unabhängigkeit, die Paul ausstrahlt. Entgegen der Warnungen ihrer Freunde stürzt sie sich voller Leidenschaft in die Nächte mit ihm. Doch die Beziehung hat ihre Schattenseiten: psychische Zwänge, wechselseitige Missverständnisse und körperliche Gewalt. Der Traum vom Glück wird zum Albtraum. Die Befreiung muss gelingen.“


    Soweit der Klappentext zu diesem Buch. Ein Text auf den man gern hätte verzichten können, wird er doch diesem Buch in keiner Weise gerecht. Der Klappentext geht leider nur sehr oberflächlich auf dieses Buch ein.


    Corinna Luedtke hat ein Buch geschrieben, das sich sehr intensiv mit der Liebe und mit dem Leben auseinandersetzt. Die Liebe der Luisa zu Paul ist fast schon als obszessiv zu bezeichnen. Die Autorin versteht es meisterhaft, dem Leser die Gefühle der Luisa nahezubringen; das mag vielleicht auch seinen Grund darin haben, dass dieser Roman in der Ich-Form geschrieben wurde. Das bewirkt ein sehr intensives Band zwischen dem Leser und der Hauptfigur dieses Buches.


    Natürlich ist man versucht zu fragen, inwieweit autobiographische Dinge mit in diese Geschichte hineinspielen – aber würde diese Frage unbeantwortet bleiben, es würde zu keiner Beeinträchtigung des Lesegenusses führen und eigentlich ist die Antwort auf diese Frage auch nicht von Wichtigkeit.


    Es ist immer eine Schwierigkeit, Menschen so zu schildern wie sie sein könnten, sie also nicht künstlich zu irgendetwas zu machen, was es so in der Realität nicht gibt. Die handelnden Personen in diesem Buch sind weit davon entfernt, irgendwelche den Leser ignorierende Kunstfiguren zu sein. Dem Leser wird nicht vorgegaukelt es gäbe eine fiktive Kunstwelt, nein, dem Leser wird etwas erzählt, was sich genauso unzählige Male hätte ereignen können. Es ist das Leben, nicht mehr und nicht weniger, über das berichtet wird, das Leben, so wie es sehr, sehr oft gelebt wird. Dieses Lese- und Lebensgefühl so rüberzubringen, halte ich persönlich für sehr schwierig – die Autorin hat es geschafft, auf eine wirklich meisterhafte Art und Weise.


    Natürlich gibt es auch etwas zu kritisieren. Es ist sehr schwer, dieses Buch zu erwerben. In zwei Buchhandlungen erntete ich nur ein dümmliches Kopfschütteln als ich mich nach diesem Buch erkundigt – in einem Falle standen wir direkt neben einem Bücherturm, bestehend aus trivialer US-amerikanischer Dutzendware. Warum nicht auch einmal einen Bücherturm aus Büchern wie diesem errichten? Vielleicht auch mal Autorinnen und Autoren anbieten, die noch nicht so bekannt sind, aber großartige Bücher geschrieben haben. Literatur besteht ja nicht nur aus irgendwelchen – zumeist dämlichen – Bestsellern die bis zum Erbrechen gepushed werden – Literatur sollte auch in ihrer gesamten Vielfalt angeboten werden. Aber dafür sind diese fürchterlichen Bücherkaufhäuser wohl nicht konzipiert.


    Das Buch von Corinna Luedtke jedenfalls ist sehr lesenswert und ziert in gelesenem Zustand jedes Bücherregal.

  • @ Voltaire,


    vielen Dank für die schöne Rezension. Du hast mich (mal wieder) neugierig gemacht. Aber du hast leider recht: Das Buch ist wirklich schwer zu bekommen :(

    Liebe Grüße,
    Rita


    ~Ich wäre lieber ein armer Mann in einer Dachkammer voller Bücher als ein König, der nicht lesen mag.~
    Thomas Babington

  • @ Voltaire


    Ich danke ebenfalls für die tolle Rezension; ich habe das Buch sofort auf meine Wunschliste gesetzt (bei amazon gibt es übrigens EINEN einzigen Anbieter; in der Buchhandlung frage ich lieber gar nicht erst).


    viele Grüße von blackbird

  • Laut Mitteilung der Autorin in einem anderen Forum kann man das Buch wie folgt beziehen:


    Bezugsquellen über das Internet: amazon.de; buchhandel.de


    oder direkt beim Verlag:
    Finkenstraße 8, 12621 Berlin
    Tel.: 030 / 56701939
    E-Mail: [email='trafoberlin@gmx.de'][/email]


    Ich denke mal, sie wird nichts dagegen haben, dass ich diesen Teil ihres Beitrages mal hier reinkopiere.



    Allen wünsche ich noch einen schönen Tag. :mrgreen:


    Herzliche Grüße
    Voltaire

  • Die Buchhandlung meines Vertrauens kann das Buch auch innerhalb von 1-2 Wochen besorgen :D

    Liebe Grüße,
    Rita


    ~Ich wäre lieber ein armer Mann in einer Dachkammer voller Bücher als ein König, der nicht lesen mag.~
    Thomas Babington

  • Ich bin ziemlich aufgewühlt von dieser Lektüre, die eigentlich nicht in mein bevorzugtes Leseschema passt.
    Luisa kann ich schwerlich einem Alter zuordnen, vielleicht Anfang bis Mitte 20. Ihre Naivität und ihr Wunsch nach Beachtung, Respekt, Wahrnehmung als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft erscheint mir allerdings etwas zu kindisch, regelrecht pubertär. Auf der anderen Seite aber ihre weltmännischen Ansichten, der tiefgreifende Hang zum Expressionismus, der Wissensdurst über Dichter, die Rebellion gegen bestehende Grenzen wirft ein ganz neues Licht auf die Figur.
    Allgemein werden alle Figuren facettenreich und dreidimensional dargestellt. Luisas Gedanken sind transparent, nahezu real, nachvollziehbar. Obwohl ich die Frau am liebsten zeitweise mit den Worten: "Mädchen, wach auf." geschüttelt hätte.
    Neu für mich sind die Dialoge, egal welche. Auf der einen Seite kurze, knappe, reduzierte Dialoge, die auf der anderen Seite von Gesprächen, die in das Handlungsschema integriert, abgelöst werden.
    Ich finde es erschreckend, wie sich Gewalt so schleichend in ein normales Leben einschleichen und alles auf den Kopf stellen kann. Luisas Hang Paul zu gefallen, weil sie sich von seiner unabhängigen Art dermaßen angezogen fühlt, halte ich persönlich fast für gefährlich und bin über das Ende dann dementsprechend beeindruckt.
    Ich bin aber froh, dass Schüler nicht mit dieser Geschichte konfrontiert werden: ich wüßte nicht, wie Interpretationen dieser Geschichte aussehen würden. Auch sind sehr viele verhaltenstechnische Hintergründe zum Aufdecken in die Geschichte eingewoben - ein wahres Paradies für Psychoanalytiker.
    Mich hat Wortwahl, Satzbau und der allgemeine Sprachgebrauch außerordentlich berührt, regelrecht abhängig gemacht.
    Ich glaube, dass nach diesem Buch auch zeitgenössische Literatur in mein Leseschema passt.


    Fazit: Ganz großes Erzählkino! :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: