Originaltitel: La tia Julia y el escribidor
erschien 1979 auf Deutsch zunächst unter dem Titel Tante Julia und der Lohnschreiber
Inhalt nach Amazon (gekürzt, weil zuviel vom Inhalt verraten wird):
Erzählt wird eine Geschichte aus den fünfziger Jahren: Tante Julia, eine 32jährige attraktive Bolivianerin, kommt nach ihrer Scheidung nach Lima, um dort einen neuen Ehemann zu finden. Statt dessen verliebt sich ihr 18jähriger Neffe Mario in sie, ein ambitionsloser Student der Jurisprudenz, der durch einen anspruchslosen Job in einer Radiostation etwas Geld verdient, dabei unentwegt von seinem zukünftigen Leben als Schriftsteller in einem Pariser Dachzimmer träumt. Aus der anfänglichen versteckten Verliebtheit wird allmählich eine große Liebe, dann ein Skandal.
Dies ist nur der eine Strang des Buches (der sich nach der Inhaltsangabe wesentlich tragischer anhört als er ist). Tante Julia und der Ich-Erzähler verlieben sich leidenschaftlich, wobei ich mich immer wieder fragte, was Julia an dem 18jährigen Burschen, der noch nicht einmal mit seinem Bartwuchs, sondern eher mit der Pubertät kämpft, eigentlich findet. Man lebt in den 50er Jahren, Sex vor der Ehe ist tabu, und so schlagen sich Mario und Julia (von Mario bis zum Ende immer noch Tante Julia genannt) mit Händchenhalten, verstohlenen Küssen, Kino- und Cafebesuchen durchs Leben.
Im zweiten Strang geht es um Pedro Camacho, der für den Radiosender, bei dem Mario arbeitet, die täglichen Hörspielserien schreibt; heute würde man sie Soaps nennen. Er schläft kaum, isst fast nichts, sondern sitzt an seiner Schreibmaschine, in die er eine Folge nach der anderen tippt und fungiert auch noch als Regisseur für die Aufnahme. Ganz Peru ist süchtig nach seinen Hörspielen. Aber langsam macht sich die Überlastung bemerkbar, und Pedro beginnt, die einzelnen Fäden zu verlieren und die Personen und Handlungen seiner verschiedenen Serien durcheinanderzuwerfen.
Ein Buch, das ich mit großem Vergnügen gelesen habe. Für die Erzählweise finde ich den Begriff "fabulieren" passend: Unbekümmert schildert der Ich-Erzähler seinen Tagesablauf inmitten eines Familienclans (es ist nicht wichtig, alle Tanten, Großväter, Cousins, usw. unterscheiden zu können) und seine Gefühle, seine chaotische Jagd auf seine Träume von Liebe und Schriftstellerkarriere, die "Zusammenarbeit" mit Pedro und anderen Angestellten des Senders.
Ich hätte gern noch einiges über die politischen Hintergründe des damaligen Perus gelesen, aber diesen Schwerpunkt setzt Llosa in seinem Erstling noch nicht.
Ein fabelhaftes Buch für jemanden, der gern "bunte" Geschichten liest.
@ Katia, Du hast das Buch ja auch gelesen:
Ich habe absichtlich nicht erwähnt, dass sich Marios Geschichte und die Hörspielepisoden kapitelweise abwechseln, weil es zu meinen schönsten Aha-Erlebnissen beim Lesen gehörte, als ich erkannte, dass es sich nicht um reale Ereignisse handelt, die etwas mit Mario oder Julia zu tun haben, sondern um die Soap-Inhalte.