Andrei Makine – L’amour humain [FR]

  • ZUM INHALT:
    Ein russischer Agent/Journalist erzählt das Leben seines Freundes Elias Almeida, eines angolanischen „Berufsrevolutionärs“: von der ohnmächtigen Erfahrung der Unterdrückung und des Leids im heimischen, kolonisierten Angola als Kind, den Begegnungen mit Widerstandskämpfern, nämlich seinem Vater als auch einem Ernesto (Che) in Zaire, der Ausbildung in Kuba und Moskau bis hin zu den Einsätzen vor Ort in Afrika. Prägend für das ganze Leben sind einige Schlüsselerlebnisse und insbesondere die Liebe in einer „unmöglichen Beziehung“ zu einer in Moskau lebenden Sibirierin, Anna.


    ZUM AUTOR:
    Andreï Makine (* 10.09.1957 in Krasnojarsk, Sibirien) ist ein französischer Schriftsteller. Makine studierte in Twer und Moskau Philologie und lehrte kurze Zeit Philosophie in Novgorod. Nach einer Frankreichreise erhält er hier 1987 politisches Asyl und lebt seitdem in Paris. Er beginnt sehr bald damit auf Französisch zu schreiben, eine Sprache die er aufgrund seiner französischen Großmutter seit seiner Kindheit beherrscht. Berühmt wurde er 1995 mit seinem Roman „Das französische Testament“, für den er den Prix Goncourt und den Prix Médicis erhielt.


    EINIGE EINDRÜCKE:
    Manchmal erscheint mir das Buch von bezaubernder Einfachheit. Sprachlich und von manchen Grundaussagen her ist das wohl auch der Fall, aber bei näherer Betrachtung entdeckt man im Buch Wechsel der Erzählperspektiven, Rückblenden, Vorwegnahmen etc. Neben einem linear erscheinendem Erzählen des Lebens des Elias gibt es auch das wie konzentrische Wiederauftauchen von Motiven und Bildern an verschiedenen Stellen des „Berichtes“. Anfangs dachte ich an einen Mangel an Feinschliff. Doch in einer schönen Betrachtung gibt er uns auch schon den Beginn einer Antwort: das „Wesentliche“ sind letztlich ein paar Gesten, Begegnungen, Worte etc. aus denen wir leben, zehren. Sie begleiten, uns ein Leben lang.


    Auf verschiedenen Ebenen lässt sich die Erzählung lesen:
    - Als Vita eines „professionellen Revolutionärs“ und Spions, den wir in seinem Werdegang von der inneren Revolte über die Ausbildung bis hin zum „Einsatz“ begleiten.
    - Als Geschichte des angolanischen Befreiungskampfes und Bürgerkrieges
    - Als sehr tiefsinnige Auseinandersetzung des Autors mit den Widersprüchen, Grenzen des Kommunismus
    - Als Liebesgeschichte sondergleichen... und wohl noch anderes mehr!


    Es hat mich fasziniert, wie Makine ohne voreilige und oberflächliche Kritik am kommunistischen System (das er ja selbst erfahren hat!) die Hauptfigur in einer steten Spannung zwischen Idealismus, Treue zur Revolution und andererseits einer Ernüchterung, der Erfahrung der Infragestellung der eigenen Position(en) darstellt. Dabei bewegt Elias ein menschlich-existenzieller Hauptansatzpunkt: Und werden die Menschen nach der Revolution anders miteinander umgehen? (Einander lieben, wird er später hinzufügen?)
    Neben recht derben Szenen sowohl sexueller Ausschweifungen als auch von roher Gewalt, stehen Momente größter Zärtlichkeit, tiefen Empfindens. Elias (und die Welt) stehen im Spannungsfeld dazwischen. Bleiben wir dabei auf Dauer Fremde und irgendwie Ausgeschlossene?


    Andrei Makine ist dabei, sich ein wunderbares Werk zu erarbeiten. Ich wünsche ihm viele, viele Leser!!!


    Wahrscheinlich dauert es noch bis zur Erscheinung einer deutschen Fassung, deshalb hier also die Rezi zum gerade auf Französisch erschienen Buch. Wenn es sich ergibt, kann man ja später auf eine deutsche Herausgabe hinweisen.
    ISBN der französischen Ausgabe: 2020884267


    Link zur französischen Amazonseite: http://www.amazon.fr/Lamour-hu…3-1599426?ie=UTF8&s=books

  • Danke für die tolle Rezi! Sie hat mich neugierig gemacht.
    Da ich im Moment fast nur französische Belletristik (allerdings leider, mangels Französischkenntnissen, übersetzt :uups: ) lese, werde ich nach diesem Buch Ausschau halten.
    Danke für den Tip! :thumleft:


    "Tochter eines Helden" von Makine habe ich gerade auf meine Wunschliste gesetzt!

  • Mir war, Schoenchen, schon aufgefallen, dass Du desletzt mehrere Französischschreibende Autoren erwähntest. Dieser hat es definitiv verdient entdeckt zu werden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sein Werk "Bestand haben" wird. Er zählt für mich zu den größten dieser Jahre, und langfristig gesehen, wohl nicht nur in Frankreich...


    Viel Vergnügen! Ich empfehle "alles" von ihm, insbesondere aber (falls Du doch auf Deutsch liest?): "Das französische Testament". Auf Amazon sah ich, daß im Januar die "Die Frau am Weißen Meer" erscheinen wird. WENN das (sehr wahrscheinlich) die Übersetzung von "La femme qui attendait" ist, handelt es sich ebenfalls um ein tolles Buch, das mir SEHR zugesagt hat.


    Vielleicht gibst Du Bescheid, wenn Du das ein oder andere Buch von ihm gelesen hast? Ich würde mich über eine andere Meinung freuen!

  • Leider immer noch nicht auf Deutsch erhältlich! Ich fand jedoch eine englische Übersetzung für alle Makineenthusiasten!

  • Mit der französischen Ausgabe kann ich leider nichts anfangen, dazu ist mein französisch nicht gut genug. Die englisch Ausgabe wäre da echt eine Alternative. Andrei Makine habe ich durch "das französische Testament" kennengelernt. Nun habe ich hier noch "Das Verbrechen der Olga Arbelina" und "Himmel und Erde des Jacques Dorme" liegen. Auf beide freue ich mich sehr. Und vielleicht gibt es dann das Buch sogar in deutsch, wer weiß. :)


    Liebe Grüsse


    Wirbelwind



    :study: Xiaolu Guo, Ein Ufo, dachte sie

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Für mich befremdlich, dass die deutschen Verlage so mit den Übersetzungen zögern. Es handelt sich meines Erachtens wirklich umm einen guten und großen Autor. Er befindet sich eventuell aber schon zu sehr im Abseits zu den landläufigen Bestsellern?


    Nun habe ich hier noch "Das Verbrechen der Olga Arbelina" und "Himmel und Erde des Jacques Dorme" liegen. Auf beide freue ich mich sehr.


    Zweites habe ich gelesen! Ersteres darf ich noch entdecken! Da hast Du ja erst einmal ausgesorgt mit Makinelektüren!