Mario Vargas Llosa - Das böse Mädchen / Travesuras de la niña mala

  • Der 15jährige Peruaner und Ich- Erzähler Ricardo verliebt sich im Jahre 1950 in die gleichaltrige Lily, um sie kurz darauf aus den Augen zu verlieren.
    In den folgenden 40 Jahren taucht sie immer wieder in seinem Leben auf. Immer unter einer anderen Identität und oft an der Seite eines anderen Mannes.


    Das böse Mädchen scheint unfähig zu lieben. Geld, so sagt sie, sei für sie das einzige Glück, das sich anfassen ließe.
    Ricardos unerschütterlicher Liebe begegnet sie mit Verachtung und Spott.
    Die Liebesbeteuerungen des -wie sie sagt- „armen Teufels“ und den Wunsch nach einer gemeinsamen Zukunft, findet sie kitschig.
    Doch Ricardo liebt unverdrossen. Er leidet, er verzeiht, er leidet erneut und über all die Jahre ist er unfähig, jemals Liebe und Leidenschaft für eine andere Frau zu empfinden.


    Die Schicksale dieses ungleichen Paares sind auf so fesselnde Weise miteinander verwoben, dass man das Buch nur schwer aus der Hand legen kann.
    Neben der märchenhaft anmutenden Liebesgeschichte wird der Leser von dem 70jährigen Autoren, der sich 1990 um das Amt des peruanischen Präsidenten bewarb, über die politische Entwicklung in Ricardos Heimat informiert.


    Die Geschichte beginnt mit einer Lüge und als ich das Buch nach 396 Seiten Lesegenuss zur Seite legte, fragte ich mich, ob es auch mit einer Lüge endet und ob letztendlich gar nicht Ricardo, sondern das böse Mädchen der arme Teufel ist...

    Liebe Grüße,
    Rita


    ~Ich wäre lieber ein armer Mann in einer Dachkammer voller Bücher als ein König, der nicht lesen mag.~
    Thomas Babington

  • Meine Meinung ist ein klitzekleines bisschen ambivalent: Ich mag Vargas Llosa und ich mag auch diesen Roman sehr, allerdings fehlt mir der letzte Pfiff, den ich von Vargas Llosa so kenne. Die Geschichte liest sich spannend und wie man es von ihm gewohnt ist, hat er ein klares Konzept für den Aufbau des Romans. Von einem Kapitel zum nächsten wechselt meist der Hauptschauplatz, meist gibt es einen anderen Freund in Ricardos Leben und meist hat das böse Mädchen seine Identität verändert.
    Das Motiv der Kommunikation zieht sich durch den Roman, mit Ricardos Beruf, mit dem stummen Jungen seiner Freunde, auch bricht das böse Mädchen meist durch einen unerwarteten Anruf wieder in sein Leben ein, dieses Motiv immer wieder zu entdecken hat mir großen Spaß gemacht.
    Die politische Situation in Peru wird immer wieder gestreift, aber es handelt sich hier wirklich nur um ein Streifen - Ricardo in Paris ist von seiner Heimat Peru nahezu abgeschnitten und wir erfahren die Ereignisse nur durch sein Wissen. Da gibt es sicher politischere Roman von Vargas Llosa. Alles in allem ein Liebesroman, fast schon ein Roman eine Obsession, spannend und sprachlich ansprechend zu lesen, an manchen Stellen habe ich sehr mitgelitten sowohl mit dem verliebten Ricardo, als auch mit dem bösen Mädchen.


    Katia


    P.S. Rita Arme Teufel sind beide, oder?

  • Zitat

    Original von Katia



    P.S. Rita Arme Teufel sind beide, oder?


    @ Katia,


    ja, da hast du sicherlich recht ;).
    Leider haben ich noch keinen Vergleich zu anderen Romanen des Autoren, da dies mein erster war. Aber ich habe mir fest vorgenommen, es nicht dabei zu belassen. :)
    Ich hoffe, du hattest trotzdem Freude beim Lesen des Buches.

    Liebe Grüße,
    Rita


    ~Ich wäre lieber ein armer Mann in einer Dachkammer voller Bücher als ein König, der nicht lesen mag.~
    Thomas Babington

  • Zitat

    Original von Rita
    Ich hoffe, du hattest trotzdem Freude beim Lesen des Buches.


    Oh, nicht falsch verstehen, ich mochte dieses Buch sehr, in Sternchen würde ich ihm ****/***** geben, entsprechend hatte ich auch Freude beim Lesen. Nur haben mir andere Bücher von ihm (Tante Julia und der Kunstschreiber, Das Paradies ist anderswo z.B.) noch einen kleinen Tick besser gefallen. Das ist jammern auf sehr hohem Niveau!


    Katia

  • „Was für ein Mädchen!“, dachte ich, als ich das Buch las. Dabei meinte ich jedoch nie die Protagonistin Lily im Buch, sondern den männlichen Protagonisten Ricardo.


    Ich bin bitter enttäuscht von dieser Lektüre – so etwas Triviales hätte ich von einem Nobelpreisträger nicht erwartet. Egal, Nobelpreisträger hin oder her, ich werde hier den Eindruck beschreiben, den die Lektüre auf mich gemacht hat, unabhängig vom Prestige dieses Schriftstellers.


    Das böse Mädchen ist für mich keinesfalls wert, dass man es zur gehobenen Literatur zählt; um ehrlich zu sein, ich würde es in der Schublade des Chick-lit einordnen, ramschig und gespickt mit schlechten Bettszenen, bei denen für mich persönlich keine Sinnlichkeit zu spüren ist.


    Von Anfang bis zum Ende vierhundert Seiten später bedeutete dieses Buch für mich pure literarische Agonie: es geht um eine weinerliche Memme von Mann, der sein ganzes emotionales Leben auf eine herumhurende Proletenschlampe ausrichtet, die, wann immer es ihr gerade einfällt, in sein Leben platzt, woraufhin Ricardo ihre Gewöhnlichkeit und Bauernschläue jedesmal mit Eleganz und stilvoller Lebenslust verwechselt, und der nie dazulernt, auf den ganzen 400 Seiten nicht!
    Das ist trivialster Ramsch in sprachlich passender Verarbeitung (in diesem Sinne literarisch konsequent, das muss man dem Autor lassen): sprachlich zeigt sich nicht der geringste Anflug von Rafinesse im Buch, es bleibt durchgehend ein liebloses Heruntergeleiere von Handlungsabfolgen und kitschigen Gefühlsregungen.
    Und dann das, was ich „Schlagwortverramschung“ nenne: es kommt wohl immer gut an, wenn man in einem Buch ein bisschen linksgerichtete Politik unterbringt. Ich kann anhand der Biografie des Autors, der sich in den 60er Jahren politisch von der Linken abwandte und selbst als Liberaler bezeichnet hat, verstehen, dass ihm der Sozialismus, wie er in anderen Ländern Lateinamerikas Anwendung fand (und noch findet), zuwider ist. Dennoch erscheint mir sehr dürftig, dass Vargas Llosa relativ gelangweilt ein paar Sozialisten im Plot unterbringt, die außerdem nicht wie Revolutionäre, sondern wie lustlose Hobby-Aktivisten auf mich wirken.


    Ebenso kommt es in der internationalen Kritik in der Regel gut an, wenn ein Schriftsteller Themen wie Bisexualität, Promiskuität und Aids verarbeitet. Vargas Llosa verarbeitet das Thema in Das böse Mädchen schlampig und so nebenbei; der Autor scheint es eilig zu haben, dieses Thema abzufertigen, um sich wieder in aller Breite seinen beiden pathetischen Protagonisten widmen zu können.


    Im „Blick ins Buch“ auf der amazon-Webseite zum spanischen Original Travesuras de la niña mala findet sich auf den letzten Seiten ein Interview mit Mario Vargas Llosa, in dem er die Guerillero-Illusionen der jungen Latinos erwähnt, die von Paris als Kommunikationszentrum für die internationale Revolutionsbewegung, wie er es nennt, in sozialistische Länder wie Cuba oder China reisten. Nur bringt er diese Guerrillero-Illusionen in seinem Buch ausgesprochen desinteressiert – wozu dann dieses intellektuell-politische Gerede im Interview, frage ich mich.


    Ich kann nachvollziehen, wenn Vargas Llosa im Interview erklärt, dass er keine romantische Liebe zeichnen wollte; dies hätte literarisch meiner Meinung nach durchaus gut funktionieren können – ist aber nicht so in Das böse Mädchen umgesetzt worden: diese Liebesbeziehung wirkt nur trivial und kitschig auf mich.


    Wenn man hinzuzieht, dass das Buch in der Zeitschrift „Brigitte“ als „Mitreißend bis zur letzten Seite" und in der Zeitschrift „Freundin“ als „Die abenteuerliche Geschichte einer obsessiven Liebe“ bewertet wurde, dann kann man durchaus zum Schluss gelangen, dass die Freunde von leicht verdaulicher Frauenliteratur, also dem guten alten Chick-lit, mit dem Buch Das böse Mädchen des weltberühmten Nobelpreisträgers Mario Vargas Llosa durchaus auf ihre Kosten kommen.
    Allen anderen, die sich mehr erwarten, kann ich nur aufs Eindringlichste warnen: „Finger weg!“






    Das Original wurde erstmalig im Jahr 2006 unter dem Titel Travesuras de la niña mala veröffentlicht.

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Monika,
    da bin ich aber froh, dass nicht nur ich es so empfunden habe, dachte schon ich spinne wieder einmal oder es bestättigt mir, dass südamerikanische Autoren nicht immer etwas für mich sind. Ausnahmen gibt es natürlich. :wink:
    Liebe Grüsse Mara

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • da bin ich aber froh, dass nicht nur ich es so empfunden habe, dachte schon ich spinne wieder einmal oder es bestättigt mir, dass südamerikanische Autoren nicht immer etwas für mich sind. Ausnahmen gibt es natürlich. :wink:


    Nein, Mara, da gibt es sicherlich noch mehr Leser, die dieses Buch so empfunden haben ... :friends:


    Das soll ja auch nicht heißen, dass Vargas Llosa generell schlecht schreibt. Mich hat die "Böse-Mädchen-Erfahrung" jedenfalls noch nicht von der Idee abgebracht, sein Unterhaltung in der Kathedrale oder eventuell sogar Das grüne Haus lesen zu wollen. Mal sehen ...

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Das soll ja auch nicht heißen, dass Vargas Llosa generell schlecht schreibt.


    Das tut er ganz sicher nicht. Ich habe bisher zwei Bücher von ihm gelesen, die zwar völlig unterschiedlich, aber beide Spitzenklasse waren: die brutale Geschichte "Der Krieg am Ende der Welt" und der humoristische, sehr unterhaltsame Roman "Tante Julia und ihr Kunstschreiber".


    Gruß
    mofre

    :study: Willa Cather - Meine Antonia

    :study: Wolfgang Herrndorf - Tschick

    :study: Reiner Stach - Kafka. Die Jahre der Entscheidungen

    :study: James Wood - Die Kunst des Erzählens















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  • Mario Vargas Llosa - Das böse Mädchen


    Ich lese nicht sonderlich viel und es gibt viel zu lesen. Es gibt reichliche Könner und ein Vielfaches an Geschmäckern. Das alles ignorierend, weil von all dem kaum Kenntnis habe, rufe ich laut aus: Mario Vargas Llosa ist einer der begnadetsten Erzähler ever!


    Schwierig schon ein Buch zu finden, dass Spannung aufbauen und aufrechterhalten kann, keine Längen aufweist und angenehm mit Sprache umgehen kann.

    Das alles bekommt man mit diesem Buch, jedoch in der Premium-Variante. Will heißen: Spannung entsteht aus dem Stand. Sie verliert sich nicht, schleicht nicht aus, bricht nicht zusammen. Sie steigert sich und das immer wieder aufs Neue. Spannung heißt in seinem Fall auch nicht: wie wird es wohl weitergehen, sondern ich muss unbedingt wissen, wie es weitergeht und biiiitteeee sofort! Spannung löst sich selbstredend immer wieder mal. Durch überraschende, never ever zu erahnende Wendungen, verschwindet sie gelegentlich urplötzlich, um ebenso unerwartet einen wieder auf kaum auszuhaltendem Level zu greifen. Diese Momente sind dann gefüllt mit Trauer, Mitleid und zernagender Ungewissheit. Das kann nicht sein. Doch so ist es. Und zack ist es alles ganz anders. Ein Auf und Ab der Gefühle. Verläufe werden stets wieder in einer völlig abgefahrenen Art und Weise wieder aufgenommen. Dann keimt die Hoffnung sofort wieder auf, trägt sich zuversichtlich vorwärts und doch unter leidenden Rahmenbedingungen.


    Das Buch fesselt einen an den Protagonisten. Man leidet und hofft mit ihm. Eine klassische Phrase, in jedem Fall. Eben nein! Das darf hier wörtlich nehmen. Es ist unglaublich. Und zuweilen auch zurecht, weil der Verlauf zuweilen ins Abwegige läuft. Klingt nicht gut? Ist aber genial, denn es macht dieses Buch noch besser, als es schon ist. Es fesselt und die Stricke schneiden sich in des Lesers Fleisch, denn deren Stränge sind von einem Wortartisten der Sonderklasse meisterlich verdrillt worden.

    Auch noch gut. Das alles gilt von der ersten bis zur letzten Seite.

    Das Buch, ein Leidenschaftskonzentrat.


    Es war nicht mein erstes Buch von Llosa. Der kann grandios erzählen. Dann war ich seinem Buch „Tante Julia und der Schreibkünstler“ schwer angetan, ja angeschlagen. Sowas hatte ich noch nicht gelesen, ein faszinierender Plot, wie es so schön auf neudeutsch heißt, natürlich feinst in Szene gesetzt. Da wollte ich mehr. Das war das böse Mädchen. Dass es jedoch eine nochmalige Steigerung bedeuten würde, damit hatte ich nicht gerechnet.

    Spontan wüsste ich nur um ein weiteres Buch, wenn auch völlig anderer Couleur, das mich derartig in seinen Bann gezogen hat: Cormac McCarthy - Die Straße.


    Mir ist schon bewusst, dass ich noch gar nicht geschrieben habe, um was es denn in dem Buch geht. Der Grund: Es ist eine Liebesgeschichte. Ich hätte dann schon die Segel gestrichen und nicht weitergelesen. Mich interessieren Liebesgeschichten nicht sonderlich. Die schon, was nicht verwunderlich ist, denn es ist mehr die Story einer obsessiven Leidenschaft. Beim jetzigen Schreiben erreicht mich gerade ein Hauch der Verzweiflung, die den Protagonisten zuweilen mehr als unvermittelt ereilt. Ein intensives anspruchsvolles Erlebnis - dieses Buch.

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Mario Vargas Llosa - Das böse Mädchen“ zu „Mario Vargas Llosa - Das böse Mädchen / Travesuras de la niña mala“ geändert.