Tad Williams - Der Drachenbeinthron/ The Dragon Bone Chair

  • Dieses Buch ist in den letzten Wochen immer wieder genannt worden. Im Allgemeinen bin ich eher Fantasy-Verweigerer, dieses hat mich nun aber doch neugierig gemacht. Ich bin mehr als positiv überrascht. Nein, sagen wir es, wie es ist: Ich bin einer Osten-Ard-Sucht verfallen.


    Die Geschichte beginnt ruhig. Der Autor lässt sich anfangs viel Zeit, erklärt sehr anschaulich die Entstehung von Osten Ard. Dann kommt alles richtig in Fahrt, die Spannung steigt mit jedem Kapitel. Die handelnden Figuren haben Ecken und Kanten und sind jenseits von oberflächlicher Schwarz-/Weißmalerei sehr tiefgründig angelegt. Die Fülle an Figuren erlaubt viele unterschiedliche Blickwinkel und Handlungsorte, die Wechsel tragen zum Aufbau der Spannung bei, bisweilen haben sie sogar nervenschonende Wirkung.


    Der Plot wartet mit vielen Twists auf. Eben noch vermeintlich stimmige Theorien müssen innerhalb kürzester Zeit entweder verworfen oder überarbeitet werden. Ein Buch für alle, die gern spekulieren. Innerhalb der Handlung stecken viele universelle Themen und Lebensweisheiten, die ohne den moralischen Zeigefinger dargelegt werden.


    Fazit:
    Toller Beginn einer Saga, voller Rätsel und vielschichtiger Figuren :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

  • Ich fand den Anfang dieser Reihe eigentlich schon gut und deswegen habe ich auch :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:vergeben. Es lief alles auf ziemlich klassische Art und Weise ab und könnte fast als Blaupause für einen epischen, mitteralterlichen High Fantasy-Roman durchgehen: verschiedene Völker, Königshäuser, Intrigen, der Kampf von Gut gegen Böse, lange Reisen, dunkle Geheimnisse, Magie usw. Und trotzdem hat mir manchmal etwas gefehlt, das den unbedingten Drang ausgelöst hat, immer wieder in diese Geschichte einzutauchen, so dass ich diese Reihe wohl nicht weiterverfolgen werde. Ich habe auch über drei Wochen für die knapp 1.000 Seiten gebraucht, was schon recht lange für mich ist. Der Schreibstil war recht ausschweifend und ausführlich und ich denke, dass man diese Geschichte auch auf kürzere Art und Weise erzählen hätte können, denn im Grunde ist die Handlung schnell erzählt. Etwas geschwächelt haben für mich auch die Charaktere. Bis auf Binabik, Morgenes und die Sithi wird mir wohl niemand dauerhaft im Gedächtnis bleiben, auch Simon nicht. Vor allem die Menschen blieben recht blass. Das alles ist natürlich Jammern auf hohem Niveau, denn ich denke, dass jeder Fantasyfan hier gut unterhalten werden wird.

    :study: Matthias Bogner / Kevin Zindler - Die besten Horrorfilme des 21. Jahrhunderts

    :study: SUB: 330

  • Bis auf Binabik, Morgenes und die Sithi wird mir wohl niemand dauerhaft im Gedächtnis bleiben, auch Simon nicht.

    Binabik ist eh der Wichtigste in der Geschichte :wink:. Den habe ich so was von ins Herz geschlossen.

    Gelesen in 2024: 7 - Gehört in 2024: 5 - SUB: 598


    "Wenn der Schnee fällt und die weißen Winde wehen, stirbt der einsame Wolf, doch das Rudel überlebt." Ned Stark

  • Der Schreibstil hat mir von Anfang an gut gefallen und mich zum zügigen Lesen animiert. Nicht zuletzt wegen des eingeflochtenen Humors, der nicht dominiert, aber immer wieder augenzwinkernd Anwendung findet. Williams schreibt elegant und intelligent. Das hat mir über die ersten ca. 150 Seiten geholfen, mit denen ich ziemlich gekämpft habe wegen Simon und seinen ständigen Dummheiten. Ich ahnte ja schon, dass diese Einfältigkeit sich sehr gut eignet, um den Hauptcharakter über die gesamte beträchtliche Länge der Reihe schrittweise weiterzuentwickeln, es sei denn, die Geschichte kommt ohne "Held" aus.

    Nun ja, Simon Mondkalb war er am Ende des Bandes wahrlich nicht mehr. Schön finde ich, dass der Autor sich Zeit genommen hat und ihn nicht quasi über Nacht zum wagemutigen Superkämpfer gemacht hat. Es besteht immer noch viel Spielraum, um den jungen Mann erwachsen werden zu lassen und zu formen.

    An interessanten Charakteren mangelt es nicht, was mir immer sehr wichtig ist. Weil dies der erste Band ist und viele Personen behandelt werden, stört es mich nicht, wenn einige davon nicht in die Tiefe vorgestellt werden. Ich denke, das kommt später noch. Die Konflikte zwischen den Völkern/Rassen werden gut dargestellt und geschickt eingewoben, die Beschreibungen der Figuren sind stimmig und Osten Ard ist als Fantasy-Welt ist eine runde Sache.


    Der Faktor Religion stört mich nicht. Und es gibt auch nicht nur eine Religion, sondern auch die älteren Glaubensrichtungen und Kulte spielen eine Rolle.

    Das führt mich zu einem Punkt, der mir ganz besonders gut gefällt: viele Mythen, Archetypen und bekannte Symbole kommen vor und machen auch noch Sinn. Der "Einäugige" in Zusammenhang mit dem Baum als Mittel zu Höherem erinnert stark an die Odin-Legende, Simon träumt vom sich ewig drehenden Rad (des Schicksals) und düsteren Türmen, Jarnauga deutet das Erscheinen eines Rotkehlchens als Omen (was die Druiden früher mit genau diesem Vogel so praktizierten) und vieles andere mehr, das bei mir viele Assoziationen wachruft. Am Ende, beim äußerst gut gelungenen Showdown auf dem sagenumwobenen Berg, auf den ich jetzt nicht näher eingehen möchte, wird in einer Weise auf das Elemente Erde Bezug genommen, die mir aus anderer Literatur stark vertraut ist und mich an dieser Stelle im Buch sehr beeindruckt hat.

    Ein anderes Highlight ist für mich die divinatorische Knöchelwerferei von Binabik mit kryptischen Vorhersagen wie "Dunkle Spalte", "falscher Bote" oder "flügelloser Vogel". Es macht soviel Spaß, die Umsetzung der nebulösen Formulierungen dann in der Geschichte zu entdecken!


    Da dieser erste Band sehr viele Elemente verarbeitet, die mir sehr liegen, der Schreibstil meinen Nerv trifft und sich das ganze zu einem ausgewachsenen spannenden Abenteuer entwickelt, muss ich viel mehr Sterne vergeben, als ich anfangs dachte.

    Es darf auch schon mal weitschweifig sein, wenn alles passt und sehr unterhaltsam ist. Deswegen gibt es von mir

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

  • Ich habe die Bücher vor ein paar Jahren schon mal gelesen und habe kürzlich wieder damit angefangen. Und mir wird auch beim zweiten Mal nicht langweilig dabei. Klar ist die Schreibweise sehr weitschweifig, aber es liest sich flüssig und bleibt durchweg spannend, so dass man auch die Lust am Weiterlesen nicht verliert.

    Wenn ich was von Binabik lese, muss ich komischerweise immer an Meister Yoda denken :totlach:

  • Buchinfo


    Williams beginnt seine Geschichte mit dem ersten Band Der Drachenbeinthron auf dem einst von menschenähnlichen, Sittich genannte Wesen beherrschten Kontinent Osten Ard - einer teilweise unserer Erde gleichenden, teilweise völlig fantastischen Welt.


    Einst hatte John Presbyter das Reich der Menschen geeint und als Hochkönig vom Hochhorst aus über einen Großteil des von Menschen besiedelten Teil von Osten Ard geherrscht. Doch nach mehr als hundert Jahren ist sein Ende nah und seine beiden Söhne Elias und John sind seine Erben - doch beim Spiel um die Macht ist der besessene Zauberpriester Präparates schon lange bereit, seine Pläne für die Übernahme des Reichs in die Tat umzusetzen. Dass ihm dabei ausgerechnet der Küchenjunge Simon in die Quere kommt, der wegen seiner Naivität "Mondkalb" genannten wird, hätte der kleine Simon selbst wohl als letzter gedacht.

    (Textquelle: amazon)


    Meine Meinung


    Nachdem ich vor einigen Jahren schon einmal in diese Geschichte reingeschnuppert hatte, war jetzt endlich der richtige Zeitpunkt gekommen, denn ich hab mich völlig darin verloren!

    Man muss sich hier am besten schon von vornherein darauf einstellen, dass es sehr weitschweifig und mit viel Liebe zum Detail erzählt wird, denn es dauert anfangs schon eine Weile, bis es "so richtig los geht". Trotzdem fand ich es nicht langweilig, sondern war fasziniert, diese fremde Kultur, die Menschen und den Zauber von Osten Ard zu entdecken.

    Und ja, da gibt es Zauber, dunkle und grausame Zauber, und eine Menge Geheimnisse, geheime Bündnisse und Verschwörungen, die kurz vor ihrer Enthüllung stehen.


    Im Mittelpunkt steht Simon, ein 14jähriger Küchenjunge, der ein rechter Faulpelz und Träumer ist, so wie es heißt. Ich empfand ihn als unbedarft und neugierig, vor allem oft am Hadern ob der Gerechtigkeit, die ihm entgegen allen anderen nicht widerfährt - aber auch sehr wissbegierig und loyal. Während er auf der Flucht vor seiner Arbeit durch die Burg Hochhorst streicht, stöbert er so manches Geheimnis auf und belauscht Gespräche, die er zwar noch nicht einordnen kann, aber für die weiteren, verheerenden Ereignisse von zentraler Bedeutung sind. Dass gerade Simon immer wieder Zeuge wird kam mir manchmal zuviel des Zufalls vor, aber das sei wohl einfach seiner Bestimmung geschuldet :)


    Man erlebt das ganze jedoch nicht nur aus Simons Sicht, denn der Autor wechselt immer mal wieder die Perspektive, so dass man als Leser einen eindrucksvollen Überblick bekommt. Während sich zu Anfang die Handlung noch auf die Burg Hochhorst in Erkynland konzentriert, zieht sie immer weitere Kreise, zieht immer mehr Figuren mit ein und weitet sich aus über die nördlichen Gebirge und Wälder bis hinunter in die südlichen Marschlande.


    Der Aufbau der Welt ist absolut großartig und perfekt aufeinander aufgebaut mitsamt der jahrhundertealten Geschichte der Bewohner. Neben den Menschen gibt es auch Trolle, Riesen und andere Geschöpfe, die zwischen Mythen und der Zeit aus den Augen verloren wurden; vor allem da die meisten von ihnen als gefährliche, lebensbedrohliche Geschöpfe in Erinnerung geblieben sind.

    Ich war vor allem auch sehr begeistert von den anschaulichen Beschreibungen, mit der der Autor mir diese Welt vor Augen geführt hat, egal ob es um den Charakter der Figuren ging, die besonderen Eigenheiten von Orten oder Gegenständen, wie auch die Landschaft und die Zusammenhänge der schicksalhaften Ereignisse.

    Auch logisch verknüpft sich das eine mit dem anderen und es entsteht ein immer größeres Muster, dessen Enträtselung beim Lesen sehr viel Spaß gemacht hat.


    Übrigens sollte man sich nicht vom Alter des Protagonisten Simon täuschen lassen, der sowieso während der Ereignisse an Alter und Reife gewinnt - es ist ein komplexes und herausforderndes Werk, in dem es durchaus auch mal brutal zugeht. Wobei hier kein Wert darauf gelegt wurde, durch besonders grausige Stellen oder auch romantisches/erotisches Liebesgetändel Effekthascherei zu betreiben. Alles im Rahmen und eher am Rande - und dadurch umso echter.

    Einige der Figuren habe ich schon sehr ins Herz geschlossen und ich bin jetzt super gespannt auf die Fortsetzung!


    Damit man nicht den Überblick verliert, gibt es hinten im Buch einen Anhang mit allen wichtigen Personen, Bezeichnungen und natürlich auch einer Karte von Osten Art, um den Figuren auf ihrer Reise folgen zu können.


    Fazit: 4.5 Sterne


    Weltenwanderer

  • Kurze Meinung:


    Mir hat das Buch sehr gut gefallen und ich werde demnächst auch den zweiten Band lesen.

    Eine tolle Geschichte, mit einem sympathischen Hauptcharakter, voller Mysterien und Intrigen.


    Kritik habe ich aber auch, denn ich finde, dieses Buch bedürfte einer zeitgemäßen Überarbeitung.

    Tad Williams erzählt sehr langsam und geht in seiner Weitschweifigkeit sogar so weit, dass er sich selbst unterbricht. Es gab mehrere spannende Szenen, die auch zur Charakterentwicklung beitragen, in denen der Auto dazwischen grätscht und Randbemerkungen einbaut oder irgendwelche belanglosen Kontext liefert.

    Die ersten fünfzig Seiten ging mir das wirklich auf die Nerven, danach hatte ich mich daran gewöhnt. Ich mag ausführliches Charakter und Worldbuilding, hier geht es mir aber eine ganze Ecke zu weit. Ehe die Geschichte wirklich an Fahrt gewinnt, vergehen bestimmt hundertfünfzig bis dreihundert Seiten - die man ohne weiteres auf fünfzig bis achtzig Seiten zusammenstreichen könnte. Dies gilt für den gesamten Roman, der mittels modernem Lektorat etwas gestrafft werden könnte. Zwei, bis dreihundert Seiten weniger und etwas mehr Stringenz, würden die Stärken des Plots sicherlich nochmal unterstreichen.

    Man braucht etwas Geduld und Durchhaltevermögen, wird dann allerdings mit einer wirklich tollen Geschichte belohnt. Toll fand ich auch, dass hier meistens aus der Sicht von Simon erzählt wird, es aber noch genügend Nebenstränge gibt. Das ist nicht nur der Spannung sehr zuträglich, sondern auch der Komplexität.


    Williams hat hier, nach meinem Dafürhalten, genau die richtige Balance gefunden. Ein bisschen haben mich die zahlreichen Namen gestört. Nicht einmal die Masse, sondern das sie teilweise unaussprechlich gewesen sind.

    Mich reißt das aus dem Fluss, weil ich dann den Rest der Seite überlege, wie man es wohl ausspricht. Gleiches gilt für die Bezeichnung der Monate und Feste. Das wirkt alles etwas krampfig, als hätte Tad Williams auf Biegen und Brechen ein paar Namen ausgetüftelt, die er für fancy hielt.

    Das wirkt heute einfach nicht mehr, weil wir es schon hundertmal gelesen haben, und zwar viel eleganter.


    Trotz allem fand ich das Buch sehr gut und mich wundert es auch nicht, dass George R.R. Martin davon inspiriert wurde, als er A Song of Ice and Fire schrieb.

    Irgendwie entfaltet diese altbackene Anmutung nämlich auch ihren ganz eigenen Charme.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    "Ich bin eitel, hochmütig, tyrannisch, blasphemisch, stolz, undankbar, herablassend - bewahre aber das Aussehen einer Rose" Pita Amor

  • Hmmm ich erinnere mich, den ersten Band begonnen zu haben. Zwar war der tapsige und naive Hauptcharakter am Anfang noch ganz putzig, doch er entwickelte sich dann aber zu einem echten Langweiler und wurde erwartungsgemäß König. Allerdigs wusste ich nicht, warum. Ja, ich weiß, dass das nicht zusammenpasst. Darum ist das ein nicht sehr lesenswertes Buch.

  • Die Weitschweifigkeit versuche ich immer, mir mit der mündlichen Erzähltradition zu erklären, die zur "fernen Zeit" passen könnte. Man kommt beim Erzählen vom Hundertsten ins Tausendste, praktisch zurück zu Adam und Eva, und könnte sich fragen, welchen Haken habe ich gerade geschlagen, was war eigentlich das Thema.


    :wink:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Weber - Bannmeilen (Paris)

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Buchdoktor Eine schöne Interpretation.

    Ich stelle immer wieder fest, dass ich mich am Anfang von Büchern oftmals schwer tue. Meine Erklärung ist, dass ich den Sound suche bzw. die Melodie des Buches. Es gibt Autoren, wie Kazuo Ishiguro, Frederik Backmann oder Stephen King, bei denen der Lesefluss nach wenigen Sätzen oder Seiten einsetzt. Bei anderen brauche ich schon mal fünfzig Seiten. Sowie das geschehen ist, vergesse ich den Schreibstil und im besten Fall sogar das Konstrukt des Buches.


    Ich bin geduldig geworden, weil ich meine kleinen Macken inzwischen kenne und es sich i.d.R. auszahlt. Hier wollte sich dieser Rhythmus aber partout nicht einstellen und jedes Mal wenn ich das Gefühl hatte, jetzt nimmt die Geschichte Fahrt auf und ich komme in meinen Fluss, kam es wieder zu Unterbrechungen. Das ist kurios, weil der zweite Teil des Buches vollkommen anders wirkt. Williams legt zwar seinen Stil nicht ab und erzählt von seitenweise unnötige Dinge, wie Wanderungen, auf denen nichts passiert. Aber die Geschichte ist wesentlich stringenter erzählt. Ich muss aber auch zugeben, dass sich seine Weitschweifigkeit hier auszahlt und ich als Leserin hier einen schönen Payoff bekomme. Einfach, weil man die Charaktere dann sehr gut kennt und weiß, woher sie kommen und was sie antreibt. Das ist ganz wunderbar und auch sehr charmant.

    "Ich bin eitel, hochmütig, tyrannisch, blasphemisch, stolz, undankbar, herablassend - bewahre aber das Aussehen einer Rose" Pita Amor