Wolfram Fleischhauer - Die Inderin / Schule der Lügen

  • 528 Seiten
    Verlag: Piper
    ISBN: 3492048463


    Kurzbeschreibung von Amazon
    Es ist keine Seltenheit, daß der junge Student Edgar von Rabov seine Abende in der Berliner Eldorado-Bar zubringt. Doch diese kühle Februarnacht des Jahres 1926 ist anders, mit ihr beginnt für Edgar etwas Neues: Eine bemerkenswert schöne junge Inderin erregt sein Interesse. Immer wieder scheint auch sie Edgars Blick zu suchen. Als sie das Eldorado in Begleitung eines mysteriösen älteren Herrn verläßt, steckt sie Edgar eine Notiz zu: »Übermorgen hier. Ich erwarte Sie.« Edgar, Erbe einer Farbenfabrik und Sohn einer norddeutschen Adelsfamilie, kann sich dem exotischen Zauber der jungen Frau nicht entziehen - und begibt sich damit auf eine verstörende Reise in die Vergangenheit seiner Familie, die ihn bis nach Indien führen wird. Wolfram Fleischhauer zählt zu den besten und meistgelesenen deutschen Erzählern. Sein großer Familienroman aus den politisch und philosophisch bewegten Tagen der Wei marer Republik handelt von Verführung und Täuschung, Intuition und Intrige. Es ist eine Schule der Lügen und die Suche eines jungen Mannes nach sich selbst.


    Der Autor (vom Umschlagstext)
    Wolfram Fleischhauer, geboren 1961 in Karlsruhe, studierte Literatur in Deutschland, Frankreich, den USA und Spanien. Für seine Arbeit als Konferenzdolmetscher pendelt er zwischen Brüssel und Berlin, wo er mit seiner Frau und seinem Sohn lebt. Wolfram Fleischhauer, der u.a. die Romane "Drei Minuten mit der Wirklichkeit" und "Das Buch in dem die Welt verschwand" veröffentlichte, gehört zu den wenigen deutschen Autoren, deren Bücher auch international erfolgreich sind.


    Meine Meinung
    Wie habe ich mich auf dieses Buch gefreut. Es war der zweite Fleischhauer, den ich lesen wollte und mit entsprechenden Erwartungen bin ich an sein neuestes Werk gegangen.


    Dem Roman wurde ein Zitat von Juan Rulfo vorangestellt. „Die Literatur ist eine Lüge, die die Wahrheit sagt.“ Das fand ich sehr schön und vor allem passend zu dem Buch.


    Der norddeutsche Fabrikantensohn Edgar von Rabov ist in Berlin, um Chemie zu studieren. In den Hörsälen ist er allerdings nur selten anzutreffen. Er studiert lieber das Leben in Kneipen, Bars, Theatern und anderen Etablissements. Berlin im Jahr 1926 bietet viele Ablenkungen für den 23-jährigen Adeligen. Die goldenen Zwanziger sind in vollem Gange. Seine Familie ist über seinen Lebenswandel nicht glücklich, schließlich soll er später die Farbenfabrik des Vaters übernehmen. Die reiche Familie hat jedoch Bedenken, dass Deutschland nach dem verlorenen Weltkrieg dem Untergang geweiht sein könnte. Mit ihrem Geld wollen sie der Nation unter die Arme greifen, am Ende soll sich das aber doch für das Unternehmen und die von Rabovs rechnen. Vetter Robert soll Edgar auf den richtigen, den nationalen Weg bringen.


    In einer Bar lernt er die exotische und geheimnisvolle Alina kennen. Wer sie wirklich ist und was sie vorhat , erfahren Edgar und der Leser erst sehr viel später. Edgar verliebt sich in sie. Als sie dann plötzlich aus Berlin verschwindet, macht er sich auf die Suche. Was er findet, ist zunächst ein Wirrwarr aus Lügen, die Familie betreffend. Da erfährt er von einer Schwester der Mutter und einen Bruder des Vaters, von denen vorher nie die Rede war. Warum wurden die beiden totgeschwiegen? In der Nähe des ehemaligen der von Rabovs wurde for über 20 Jahren ein toter Inder gefunden, hat er etwas mit seiner Familie zu tun? Fragen über Fragen tun sich auf. Und so führt Edgar seine Suche, die nicht mehr nur die Suche nach seiner Geliebten ist, sondern die Suche nach Wahrheiten, seinen Wurzeln und sich selbst, schließlich nach Indien. Nach und nach erhielt auch ich auf meine Fragen Antworten, mir wurde ein Bild von politischen, kulturellen, philosophischen und esoterischen Strömungen der damaligen Zeit gezeichnet. Das alles beschreibt Wolfram Fleischhauer wieder in seinem unvergleichlichen Stil, der nur Lesefreude vermittelt. Aber auch das Geschichtswissen wird aufgefrischt und erweitert. Ich bekam z.B. ganz neue Denkansätze über die nationalsozialistische Rassentheorie geboten. Verschiedene Fakten musste ich nachschlagen, da mir die einzelnen religiösen Strömungen der 20er Jahre nicht bekannt waren. Mit Wolfram Fleischhauers „Schule der Lügen“ lag mir ein Buch vor, das sowohl Geist als auch Gefühl beanspruchte. Es wurde meinen hohen Erwartungen vollends gerecht. Es waren 500 Seiten purer Lesegenuss und Wissensvermittlung in einem.


    Das wäre mein Buchtipp im Oktober 2006. :thumleft::thumleft::thumleft::thumleft::thumleft:

  • Hallo Karthause,
    danke für die schöne Rezension.
    Schon letzten Herbst bei einer Lesung (Das Buch in den die Welt verschwand) erzählte der Autor über seine Recherchen zu seinem neuen Buch. Nur verraten worum es geht wollte er natürlich nicht. 8)
    Ich habe bisher drei seiner Bücher gelesen und ich denke mal anhand deiner Beschreibung, dass mich auch dieses begeistern wird. Es steht bereits auf meiner Kaufliste.
    Gruß Wirbelwind


    :study: Anita Shreve, Der weiße Klang der Wellen

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Wolfram Fleischhauer gehörte in meinen Augen zum Besten was es auf dem Sektor der anspruchsvollen Unterhaltung gibt. Auch mit diesem Buch ist ihm wieder ein Volltreffer gelungen. Spannender und intensiver kann man kaum erzählen. Der Leser ist sofort in dieser Geschichte und in diesem Zeitalter gefangen. Fleischhauer schafft es in diesem Buch immer wieder, dem Geschehen eine nicht vermutete Wendung zu geben. Das man nebenbei auch noch viele Dinge über Mystik und alte Religionen und so manchen Geheimbund erfährt, macht das Ganze noch mal so lesenswert.
    Es ist ein wirklich faszinierendes Buch. Ein Buch das man kaum weglegen mag. Und es ist jeden Euro seiner 22.90 EUR wert. Eine begeisternde Lesezeit wartet auf den Leser bei der Lektüre dieses Buches.
    Nichts wirkt platt, die Geschichte ist auch in sich selbst stimmig und jedes Wort sitzt da wo es hingehört. Fleischhauer kann erzählen und er erzählt. Er nimmt den Leser mit auf eine abenteuerliche Reise in das Dunkle im Menschen, auf eine Reise, die auch geographisch in das geheimnisvolle Indien führt. Ein Buch das es wirklich wert ist gelesen zu werden.

  • Karthause,
    wie du schon recht vermutet hast - dieses Buch hat mich mehr als begeistert.
    Wieder einmal beweißt Wolfram Fleischhauer seine große Erzählkunst.
    Viel Wissenswertes (Religionen, die Anfänge der Nazis und übergaupt die zwanziger/dreißer Jahre) und alles mit so enormer Spannung in flüssigem Ton. Man ist mittendrin im Geschehen und manchmal hatte ich echt Schwierigkeiten ins Jetzt zurückzufinden. Das absolute Lesevergnügen!
    Ein großartiges Buch, dem ich genau wie du völlig überzeugt ***** gebe.
    Gruß Wirbelwind


    (Aber eines kann ich mir dann doch nicht verkneifen zu kritisieren nämlich Edgars Beschreibung der Mumien in Kairo - in Leinentücher verpacktes Dörrfleisch- im Brief an Daniel.
    Na das tat meiner Begeisterung für die alten Ägypter doch sehr weh.)

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Zitat

    Original von Wirbelwind


    (Aber eines kann ich mir dann doch nicht verkneifen zu kritisieren nämlich Edgars Beschreibung der Mumien in Kairo - in Leinentücher verpacktes Dörrfleisch- im Brief an Daniel.
    Na das tat meiner Begeisterung für die alten Ägypter doch sehr weh.)


    :loool: An der Stelle hat es mich auch mal kurz durchzuckt. Aber wenn Edgar noch Gefallen an den Mumien gefunden hätte, wäre er vielleicht nie nach Indien gekommen. ;)

  • Ja so kann man das auch sehen. :mrgreen: :lol:
    Gruß Wirbelwind


    :study: Pamela Ball, Sturmblüte

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Meine Meinung ist da etwas durchwachsener.


    Grandios wie immer bei Fleischhauer ist der unverwechselbare Stil. Obwohl es bei diesem Buch etwas länger dauerte (ca 100 Seiten), ehe es mich so richtig in seinen Bann zog, hielt der Spannungsbogen die restlichen 400 Seiten und gipfelte (wiederum) in einem fulminanten Finale.


    Grandios ebenso die Informationen und Details über die geschichtlichen Epochen - in diesem Fall das Deutschland der Zwischenkriegszeit sowie das Indien während der englischen Kolonialherrschaft. V.a. die Bilder aus Indien wurden sehr real, beeindruckend und eigentlich erschütternd transportiert.


    Ebenso grandios die philosophischen Denkanstöße rund um Religionen/Nationalsozialismus/Rassismus/Völkerhass, etc.


    Die Geschichte selber veranlasst mich zur Kritik. Es erinnerte mich zu sehr an "Drei Minuten mit der Wirklichkeit", wenngleich "Schule der Lügen" für mich oft recht realitätsfern war, konstruiert und unglaubwürdig, aus diesem Grunde blieben mir auch die Charaktere eher fremd. Die Liebesgeschichte möchte ich schon fast als "kitschig" bezeichnen.
    Einen harschen Kritikpunkt gibt es für den Piper-Verlag: In diesem Buch häufen sich Rechtschreib- Grammatik und Fallfehler, was ich bei einem Buch, für das ich EUR 22,90 hinlege, absolut nicht tolerieren kann.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Auch ich habe dieses schöne Buch nun gelesen und muss sagen, dass ich diese Einblicke in die Theosophie und andere esoterische Strömungen der damaligen Zeit genauso interessant fand, wie die Gesschichte um Edgar und seine Familie selbst. Auch mir hat die Sprache gut gefallen und so war dies sicherlich nicht der letzte Fleischhauerroman, den ich gelesen habe.


    Kleine Beruhigung: Bei der Taschenbuchausgabe scheint der Lektor noch einmal drangewesen zu sein. :wink:

  • Das alles beschreibt Wolfram Fleischhauer wieder in seinem unvergleichlichen Stil, der nur Lesefreude vermittelt. Aber auch das Geschichtswissen wird aufgefrischt und erweitert. Ich bekam z.B. ganz neue Denkansätze über die nationalsozialistische Rassentheorie geboten. Verschiedene Fakten musste ich nachschlagen, da mir die einzelnen religiösen Strömungen der 20er Jahre nicht bekannt waren. Mit Wolfram Fleischhauers „Schule der Lügen“ lag mir ein Buch vor, das sowohl Geist als auch Gefühl beanspruchte. Es wurde meinen hohen Erwartungen vollends gerecht. Es waren 500 Seiten purer Lesegenuss und Wissensvermittlung in einem.

    So habe ich das damals auch empfunden, aber da kannte ich BT leider noch nicht...



    Spannender und intensiver kann man kaum erzählen.

    nick!
    Ich fand, dass er die historischen Hintergründe sehr gut recherchiert hatte!
    Mein Fazit: Ein nachhaltiges Leseerlebnis..

    "Wie wenig du gelesen hast, wie wenig du kennst - aber vom Zufall des Gelesenen hängt es ab, was du bist." Elias Canetti

  • Ich vergaß noch zu erwähnen, dass das Buch hocherotisch ist. Aber geheimnisvoll, ein wenig subtil u nicht platt.

    "Wie wenig du gelesen hast, wie wenig du kennst - aber vom Zufall des Gelesenen hängt es ab, was du bist." Elias Canetti

  • Wenn es um deutschsprachige Autoren geht, die eine unterhaltsame, interessante Geschichte mit fundierten Recherchen sprachlich ansprechend erzählen können, steht Fleischhauer für mich in der ersten Reihe. Auch dieses Buch habe ich gern gelesen; einerseits hat es mich spannend unterhalten, andererseits brachte es mich dazu, mehr über Theosophie, ihre Geschichte, die einzelnen Strömungen und Theorien nachzulesen.


    Aber - und damit schließe ich mich Rosalita an: Fleischhauer hat das Motiv des/der Geliebten, die in einem fremden Kontinent untertaucht und vom Protagonisten gesucht wird, aus seinem vier Jahre zuvor veröffentlichten Roman "Drei Minuten mit der Wirklichkeit" recycelt.


    Die Liebesgeschichte in "Drei Minuten .." fand ich anrührender und bewegender; zu Edgar fand ich erst im letzten Drittel des Buches einen näheren Zugang, und Alina als Person blieb mir fremd in ihrem Verhalten und ihrer Lebenssicht. Zu deutlich ist die Konstruktion, mit der Fleischhauer den deutschen Rassismus der Nationalsozialisten, die indischen Ausprägungen theosophischer Lebensweisen, die überkommende deutsche Bürgerlichkeit und den Geld- bzw. Blutadel mit einer geheimnisvollen und einer Liebesgeschichte unter einen Hut bringen wollte.


    Dies zur Erklärung, warum das Buch von mir nicht 5, sondern "nur" :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: bekommt.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Marie
    Ich kann nachvollziehen, was du meinst!
    Für mich war "Schule der Lügen" mein erstes Buch von Fleischhauer u da ich vorher noch nichts Vergleichbares gelesen habe, war ich restlos begeistert.
    Hätte ich allerdings "Drei Minuten mit der Wirklichkeit" zuerst gelesen, hätte ich das Recycling-Gefühl wohl auch gehabt. Letzteres hat mir auch noch besser gefallen.
    Der nächste Fleischhauer, den ich mir vornehmen wollte ist "Die Purpurlinie", mal sehen, wie das mir gefällt, das Thema interessiert mich auf alle Fälle sehr.
    :winken:

    "Wie wenig du gelesen hast, wie wenig du kennst - aber vom Zufall des Gelesenen hängt es ab, was du bist." Elias Canetti

  • "Drei Minuten mit der Wirklichkeit" habe ich noch immer nicht gelesen. Das liegt auf dem SuB für schlechte Zeiten, wenn ich mal ganz dringend ein richtig gutes Buch brauche. Da selbst Wolfram Fleischhauer gesagt hat, das sei sein bestes Buch gewesen, hebe ich es mir für wirklich schlechte Zeiten auf.


    cheriechen
    "Die Purpurlilie" war mein erster Fleischhauer. Da das Thema historisch nicht gänzlich belegt ist, bietet es sich für einen Roman an. Es ist Platz für Spekulationen und Fiktionen des Autor, das hat er auch für meine Begriffe recht gut umgesetzt. Viel Spaß beim Lesen. :wink:

  • Das ist cool, ein Sub für schlechte Zeiten - so etwas hatte ich bisher noch nicht, wäre aber durchaus ein Anreiz!
    Und so gesehen ist "Drei Minuten in der Wirklichkeit" so sicher, wie die Bank von England. An Banken sollte man ja heutzutage nicht mehr glauben :scratch:, doch dieses Buch wird dir bestimmt gefallen.
    Wenn ich die Purpurlinie gelesen habe, melde ich mich wieder!
    :winken:

    "Wie wenig du gelesen hast, wie wenig du kennst - aber vom Zufall des Gelesenen hängt es ab, was du bist." Elias Canetti