Werwölfe sind eigentlich kein Lieblingsvölkchen von mir, aber Kelley Armstrong gelingt es immerhin, sie so detailreich und anschaulich darzustellen, daß ich ihre Verhaltensweisen nachvollziehen und vor allem als speziell bemerken konnte (wie oft ist ein Werwolf oder Vampir eher dem Namen als dem Handeln nach kein gewöhnlicher Mensch?). Elena ist als einziger weiblicher Werwolf in einer besonderen Position und ist daher eine gute Wahl als Protagonistin. Wenn sie in einen Wolf verwandelt durch die nächtlichen Straßen streift, bin ich ihr gerne gefolgt und habe Rudelhierarchien und Jagdverhalten kennengelernt. Die Suche nach den Mutts ist abwechslungsreich und spannend, ohne zu gehetzt zu wirken – Armstrong nimmt sich für Szenen und Charaktere ausreichend Zeit
Mit ihrem Versuch, sich in den menschlichen Alltag einzupassen, ist Elena dem Leser relativ nahe, auch wenn ihre Zerrissenheit zwischen Clay und Philip etwas vorhersehbar ist – wie diese Sache ausgeht, kann man sich recht früh denken. Der angepriesene Erotik-Anteil ist glücklicherweise recht unkitschig, nicht so umfangreich wie ich befürchtet habe und beschränkt sich weitgehend auf vereinzelte Szenen, die im Gesamtumfang nicht besonders stark ins Gewicht fallen und daher eher zur Mischung beitragen als aufdringlich wirken. Wer sehr zartbesaitet ist, könnte mit dem Maß an Gewalt vielleicht Probleme haben; die Werwölfe sind naturgemäß nicht besonders zimperlich, ich
empfand das aber als passend.
Wenn mir „Nacht der Wölfin“ gefallen hat, so ist das weniger der Thematik als Armstrongs Weise, sie zu präsentieren, zu verdanken. Trotzdem gehe ich davon aus, daß in den Folgebänden, wenn sich der Hintergrund erweitert, noch eine kleine Steigerung möglich ist.