Nuala O’Faolain - Nur nicht unsichtbar werden

  • Kurzmeinung

    drawe
    Eine hingeschriebene Lebensgeschichte, ohne Struktur, ohne Erläuterungen - mir war's zu chaotisch.
  • Von einem nicht gehaltenen Versprechen


    „Nur nicht unsichtbar werden“ ist ein Titel, der viel verspricht - und manchmal müssen wir erfahren, daß Versprechen nicht immer gehalten werden können. Es ist ein Buch für Insider, für Iren, die die Insel in den Sechzigern und Siebzigern erlebt haben. Eine Zeit, in der zögerlich die ersten Widerstände gegen das Patriarchat hervortraten und der Erzkonservatismus langsam angenagt wurde. Es ist eine Ansammlung von Orten und Namen, die ohne das politische, kulturelle und soziale Hintergrundwissen nicht eingeordnet werden können und die oft auch nur aufzählenden, nennenden Charakter haben. Nur mit vereinzelten Anekdoten schafft es Fr. O’Faolain, erklärend einen Einblick z.B. in den Nordirlandkonflikt zu gewähren, aber über weite Strecken ist es eine Aneinanderreihung von sehr kurz beschriebenen Ereignissen, aus denen leider nur selten eine Erkenntnis hervorblinzelt.


    Die prägnanten, aufwühlenden und zu hinterfragenden Sätze wie ‚sie gehöre zu „Menschen, die keine Konturen hätten, die keine Rolle spielten, die nicht wichtig waren, die weich und melancholisch und depressiv waren, anstatt für den Erfolg draußen, in der hellen, harten Welt zu kämpfen“’ wird von ihr nur zitiert. Sie sind die einsame Ausnahme in den ansonsten recht unkreativen und wenig abwechselungsreichen Sätzen.


    Aber sie schreibt es selber mehrfach und es ist ihr insofern kein Vorwurf zu machen - sie schrieb das Buch für sich, um mit sich selber ins Reine zu kommen, ihren Frieden zu suchen und ihre Bestimmung zu finden. Und so ist es auch eine Geschichte von Demut, von dem Halt, die eine tiefe heimatliche Verwurzelung geben kann, von der Suche nach Zugehörigkeit und Identität.

    "So ist der Mensch nur auf der Suche nach der Stärke nach der Lüge - blindem Wahn und der Oberflächlichkeit" - Tilo Wolff

  • hallo silent rose,


    du triffst mit deiner beschreibung den nagel auf den kopf. ich habe begonnen das buch zu lesen und habe es wieder weggelegt. vielleicht fange ich irgendwann nochmal an, aber mir hat es beim ersten lesen nicht gefallen.

  • Hi nic,


    genau bei solchen Büchern ärgere ich mich, nie den Mut zu haben, ein Buch aus der Hand zu legen, wenn es mich nicht anspricht. Irgendwie glaube ich doch immer noch an das Gute im Autor und das er mich mit seiner feurigen Schreiblust noch fesseln wird ... irgendwann vor dem Ende ... :-)

    "So ist der Mensch nur auf der Suche nach der Stärke nach der Lüge - blindem Wahn und der Oberflächlichkeit" - Tilo Wolff

  • Es gibt noch eins von ihr, dass ich vor ein paar Monaten gelesen habe; ich glaubte, das war ihr Erstling.


    Ganz überzeugt hat es mich nicht. Eine Frau ca. Ende 40 stellt fest, dass sie ihr ganzes Leben lang nie eine echte Liebesbeziehung hatte, sondern eigentlich immer nur Bettgeschichten. Das ist der eine Strang der Erzählung; in dem andern befasst diese Frau sich mit einer historischen Gestalt, einer irischen Frau, die nach einer außerehelich Affäre alles verloren hatte.


    Ich habe mich bis zu Ende durchgerungen, weil mich vor allem die historische Geschichte interessiert, aber ich wurde enttäuscht; die Spur verlor sich einfach.


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • @ Marie,


    mir ging es mit diesem Buch genauso. Ich habe bis zum Ende durchgehalten, weil ich einfach nicht glauben wollte, dass die Geschichte so seicht endet, wie es vorauszusehen war. Ich habe mich geirrt. Das Buch WAR seicht und sicherlich werde ich so schnell keines mehr von der Autorin lesen.


    LG
    Rita

    Liebe Grüße,
    Rita


    ~Ich wäre lieber ein armer Mann in einer Dachkammer voller Bücher als ein König, der nicht lesen mag.~
    Thomas Babington

  • Im Rahmen der "Brigitte Hörbuch-Edition" wird "Nur nicht unsichtbar werden" von Monica Bleibtreu gelesen.


    Eine Frau um die 50 reflektiert an einem einsamen Weihnachtstag ihr Leben und beschließt ihre Memoiren zu schreiben. Sie beschreibt ihr Leben in einer Mitte des letzten Jahrhunderts üblichen irischen Großfamilie, erinnert sich an ihren immer wieder gewalttätigen Vater und das Leiden (mit) ihrer alkoholsüchtigen Mutter. Sie erinnert sich an Ihre Liebschaften zu Männern und Frauen, fragt sich, ob ein Mensch allein leben kann und erkennt, dass die Liebe zu ihren Tieren, die Liebe zu Menschen nicht ersetzen kann. Sie wirft die Frage auf, wie eine Partner- und Kinderlose Frau damit umgehen kann, dass sie bemerkt, dass ihr Körper älter wird und somit scheinbar weniger begehrenswert, um letztlich zu erkennen, dass nichts Anderes übrig bleibt, als das anzunehmen, was einem das eigene Leben bietet.


    Mich hat das Buch sehr angesprochen, da darin viele Fragen thematisiert werden, die in unserer heutigen Gesellschaft, mit einem immer höher werdenden Single-Anteil, gestellt werden.


    Nicht unerwähnt lassen möchte ich die für mich sehr einfühlsame Interpretation der Geschichte durch Monica Bleibtreu.


    Für mich ein Buch, das nicht nur Frauen sondern an Männer ansprechen könnte.


    Mein Gesamteindruck: =D>

  • Habe ich jemals so eine schlechte Autobiographie gelesen?


    Die Chronologie ist oberflächlich eingehalten, aber die Autorin springt andauernd zu Erlebnissen, die sie mit dem assoziiert, was gerade Thema ist.
    Was man erfährt: Die Mutter, die insgesamt neun Kinder geboren hat, war Alkoholikerin, der Vater sowohl beruflich als auch mit andern Frauen ständig unterwegs. Nuala erhoffte sich von einem der unzähligen Männer, mit denen sie Affären hatte, dass er sie heiratet, denn nichts anderes konnte man als Frau in Irland in den 50er Jahren vom Leben erwarten. Der restriktive Katholizismus und das patriarchalische Gesellschaftssystem taten ihr Übriges dazu.
    Dennoch studierte sie. Wie es dazu kommen konnte, wurde nicht klar, denn im Buch erzählt sie nur von Aufnahmeprüfungen, an denen sie nicht teilnimmt, vom Geld für Studiengebühren, das sie verliert, von Saufgelagen, durch die sie wichtige Termine verpasst.


    Ich erwartete von dem Buch, mehr über die Geschichte Irlands in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu erfahren, aber sie wird nur am Rande gestreift. Um Namen und Ereignisse richtig deuten zu können, muss man allerdings schon genauere Kenntnisse besitzen. Ja, man könnte sich informieren, daher möchte ich diesen Punkt nur außerhalb einer Kritik erwähnen.
    Seitenweise beschreibt O'Faolain Begegnungen, Treffen, Zusammenkünfte mit Kulturgrößen ihrer Zeit, vornehmlich Schriftstellern. Seitenweise Namen, Namen, Namen. Wollte man wirklich jeden einzuordnen, käme man vor lauter Googeln nicht zum Lesen. Insofern langweilte mich das Buch entsetzlich. Eine Autobiographie, die zu drei Vierteln aus irgendwelchen Berichten über Beziehungen zu irgendwelchen mehr oder weniger bedeutenden Leuten besteht, spricht mich nicht an.
    Sollte sie das Buch nur für sich selbst geschrieben haben, gut, in dem Fall mag es vielleicht wichtig sein, dass sie sich an all die Menschen, die in ihrem Leben eine Rolle spielten, erinnert. Dann frage ich mich aber: Wozu die Veröffentlichung?


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


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  • Tatsächlich ein grauenhaft überflüssiges Buch. Zum Glück war es nur das abgelegte Buch einer Kollegin. Ich kann mich überhaupt nicht mehr an den Inhalt entsinnen. Nicht mal die Angaben derer, die hier schon was zum Buch geschrieben haben, bringen da noch Licht ins Dunkel. Und das will bei mir was heißen. Schade um das Papier, auf dem dieses Machwerk gedruckt ist.

    "Wenn es mir schlecht geht, gehe ich nicht in die Apotheke, sondern zu meinem Buchhändler" (Philippe Dijan)


    Tauschgnom

  • Was mich wundert, sind Zitate zu diesem Buch: "Man möchte, dass das Buch nie aufhört ..." Frank McCourt. Der Mann ist Ire, hat kennt Land und Leute, er hat das Buch vermutlich anders gelesen als ein Außer-Irischer. Seine Autobiographie geschrieben finde ich um Klassen besser (Die Asche meiner Mutter)
    "Warum habe ich mich nie getraut, etwas Ähnliches zu schreiben?" (Elke Heidenreich). Danke Elke.


    Marie

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  • Ich habe dieses Buch auch enttäuscht nach 80?Seiten für immer zugeklappt und mich geärgert, dass ich es mir gekauft hatte. :evil:
    Ich hatte mir auch wegen Frank Mc Courts Statement so viel davon versprochen, weil ich noch ganz im Bann von "Die Asche meiner Mutter" war.

    "Wie wenig du gelesen hast, wie wenig du kennst - aber vom Zufall des Gelesenen hängt es ab, was du bist." Elias Canetti

  • Ich fand das Buch auch nicht wirklich gut. Und die Statementschreiberin über mir ist wohl einem alten und doch immer wieder sehr wirksamen Werbetrick hereingefallen. Ich würde jede Wette eingehen, dass Frank McCourt dieses Buch nie gelesen hat. Und wenn doch, dann bestimmt nicht so darauf reagiert.

    Wenn du einen verhungernden Hund aufliest und machst ihn satt, dann wird er dich nicht beissen. Das ist der Grundunterschied zwischen Hund und Mensch.
    Zitat: Mark Twain

  • Mir ist das Buch zu Herzen gegangen. Ich konnte das Leben dieser Frau sehr gut nachvollziehen, weil es solche Familiengeschichten nicht nur "im erzkatholischen Irland" gab, sondern auch bei uns. Alkoholprobleme und Gewalt in der Familie sind immer noch aktuell.
    Deshalb umso bewunderungswürdiger, dass sie es schafft, ihren eigenen Weg auf der Suche nach dem Glück zu gehen.
    Noch aufwühlender fand ich aber fast das Nachwort, in denen die Schriftstellerin einige Sätze aus Reaktionen von überwiegend Frauen auf ihr Buch preisgibt.

    Denn ich, ohne Bücher, bin nicht ich. - Christa Wolf


    2022 - 64

    2023 - 84 von 80 - geschafft :)

  • Nach über zehn Jahren habe ich die Tage Nuala O'Faolains Erstlingswerk noch einmal gelesen.


    Nuala O'Faolain hat von jung auf gegen ihr Leben, wie man es im erzkatholischen Irland für Frauen vorgesehen hat, rebelliert: Heirat, Kinder und männliche Gewalt. Immer wieder hat sie Affären und sie sucht Trost im Alkohol. Erst in der Beziehung mit Nell (die Journalistin Nell McCafferty) entdeckt sie mit ihr zusammen eine neue Welt.


    Elke Heidenreich hat gefragt: "Warum habe ich mich nie getraut, etwas Ähnliches zu schreiben?"


    Und Frank McCourt (ebenfalls ein irischer Schriftsteller) meint: "Man möchte, dass das Buch nie aufhört. Und man ahnt, dass hier der wahre Wein des Lebens gereicht wird."


    Beim ersten Lesen des Buches hat es mir, trotz des ernsten Themas, einfach wunderbar gefallen. Gewalt in der Familie ist nicht gerade etwas, was man gerne liest und noch viel schwieriger ist es - wie ich weiß - aus eigener Erfahrung darüber zu schreiben. Dieses Thema - auch wenn es hier im Buch aus einer früheren Zeit erzählt wird - muss unbedingt viel öffentlicher gemacht werden.


    Als Kind ist man in so einem Elternhaus völlig hin- und hergerissen. Man liebt doch die Eltern. Gleichzeitig hat man wahnsinnige Angst, wie Nuala O'Faolains jüngster Bruder in einem Brief schrieb:


    "'Ich liebte meine Mutter und verehrte meinen Vater, als ich ein Junge war', schrieb er mir in einem Brief, der unsere ganze Verwirrung zusammenfasste. 'Sie waren Mutter und Vater für uns, ein Kind kann das gar nicht anders sehen. Auch wenn ich mir vor Angst in die Hose gemacht habe, wenn er besoffen nach Hause kam und auf Mutter einprügelte. Ihre Hilfeschreie waren herzzerreißend, und ich verkroch mich in eine Kommodenschublade...'"


    Dabei hat sich der Vater einfach geweigert, Vater zu sein. Die Söhne waren mit all den Problemen auf dem Weg zum Erwachsenwerden, auf sich gestellt. Der eine ging in die British Army, um ihn zu beeindrucken. Einer machte gar keinen Ärger, vergeudete mit Jobs, die ihm nichts abverlangten, Jahre seines Lebens. Den Jüngsten schickten die Eltern zu Nuala O'Faolain nach London. Als die Mutter ihn aufs Schiff brachte, war sie betrunken, der Vater war noch nicht mal da.


    In den Internaten mussten die Mädchen alles, was sie über Körper gelernt haben, vergessen. Doch ihr Schicksal war "von einer Ehe und nicht etwa von Bildung bestimmt". Davon, was für einen Mann sie bekamen. Um aber einen zu kriegen, mussten sie mit einem gehen. "Deshalb waren die wichtigen Dinge des Lebens - das Karrierehandwerkszeug - Manieren, Figur, Kleider und sorgfältig dosierte kleine Freiheiten, die man diesem oder jenem Mann erlaubte."


    In der Öffentlichkeit wurden die Gefühle, die Schulmädchen haben, immer lächerlich gemacht. Doch alle emotionalen Erfahrungen bauten auf ihnen auf, "die für das ganze Leben so entscheidend sind. Sie waren nicht bloß ein Ersatz für all das, was wir mit Jungen getan hätten, wenn wir nicht auf dem Internat gewesen wären - das vermuteten nämlich die Männer immer."


    In den 1970er Jahren (Nuala O'Faolain ist in den 30er Jahren) nahm sie an Frauendemonstrationen teil. Doch man hätte sie nicht fragen dürfen, warum. Die Antwort wäre: Für die anderen Frauen. Sie hatte einen tollen Job. Es kam ihr nicht in den Sinn, sich selbst infrage zu stellen. Wenn es dann mal klickte, konnte sie überall in der Gesellschaft Sexismus sehen. "Aber mir war überhaupt nicht bewusst, mit welchem Nachdruck ich die Verantwortung für mein persönliches Glück regelmäßig den Männern zuschob."


    In einer Rezension schrieb eine Leserin, dass sie das Buch beim jahrelang späteren Lesen nicht mehr so toll fand. Weil die Autorin sich selbst für ihren Beruf hochgeschlafen haben soll. Schade. Aus heutiger Sicht lässt sich natürlich gut urteilen, wie Menschen sich früher verhalten haben. Zudem hat Nuala O'Faolain ihre eigenen Irrtümer oder Fehler nicht verheimlicht. Als aufmerksame Leserin kann ich da sehr gut zwischen den Zeilen lesen.


    Nach der Trennung von Nell (die Beziehung dauerte gut fünfzehn Jahre) füllte das Erscheinen dieses Buches die Leere in Nuala O'Faolains Leben, die garantiert gekommen wäre. Auf Anhieb landete es auf der Bestsellerliste. Fremde Menschen umarmten sie auf der Straße, liefen in den nächsten Buchladen, um sich ihr Buch signieren zu lassen. Sie erhielt Leserbriefe aus aller Welt: von Männern, doch vor allem von Frauen. Frauen, die aus ihrem Leben erzählten. Vom Mann, der fremdging, sie aber bliebe, weil sie kein Geld hatte und wegen der Kinder, die beide Elternteile haben sollten. Eine siebzigjährige Großmutter schrieb: "Sie haben die Aufgabe, das auszusprechen, was wir, die wir uns nicht artikulieren oder von zu Hause aus zögerlich sind, fühlen und denken."


    Eine junge Frau schrieb: "...eine obskure Scham darüber, weiblich zu sein - was ich noch nicht mal wusste, dass ich es so empfinde -, löst sich langsam...". Die meisten Frauen schrieben darüber, dass sie schon längst keine brennende Leidenschaft mehr erwarten, sie aber schon mal zufrieden wären, wenn man ihnen ehrliches Interesse entgegenbringen würde. Stattdessen müssen sie nur funktionieren. Eine Frau Schrieb: "Ich habe Angst, in den Spiegel zu schauen, in dem ich meinen Vater, den Wahnsinn oder die Leere erblicke."


    Was war das für ein Leben für die Frauen. Und es waren keine Einzelfälle, so funktionierte die Gesellschaft. Als kleine Mädchen wurden sie geschlagen, ebenso als Frauen. Niemand brachte ihnen echtes Interesse entgegen. Oft zieht es sich durch die Generationen. Glücklich die Frau, die es schafft, aus der Spirale auszubrechen. Aber was für ein Kampf ist das zumeist.


    An der Übersetzung scheint es manches Mal zu hapern, da liest sich einiges nicht rund. Das ändert aber nichts an dem Inhalt des Buches, der es in sich hat und der heute noch so aktuell ist wie damals.

    Denn ich, ohne Bücher, bin nicht ich. - Christa Wolf


    2022 - 64

    2023 - 84 von 80 - geschafft :)